Siebenter Brief

 

 

Briefmarke

 

Das gefährliche Halb-Wissen-Wollen

 

 

Liebe Frauen

Ich war also mit einem „Doppelherz“ bei der Friedensbewegung. Das kann man auch aus dem Buch Auf dem schwarzen Schiff   herauslesen. Worum ging es da? Was wollten die Helden des Buches?Sie wollten auf Segelschiffen verbotene Bücher nach Afrika bringen. Es sollte eine künstlerische und zugleich eine politische Aktion sein; eine, die symbolisch und zugleich konkret ist. Sie wollten damit Frieden nach Afrika bringen.

 

Bücher bringen Frieden. Das haben die Aktivisten wirklich gedacht. Es ist nicht so naiv, wie es auf den ersten Blick erscheint. Bücher können Türen zu anderen Welten öffnen, können Verständnis für das, was man noch nicht kennt, ermöglichen. Bücher können die Leser in der Kunst einüben, sich dem anderen anzunähern und über den Tellerrand der Ichbezogenheit hinauszugucken.

 

Auch Malala Yousafzai, die mit 18 die bisher jüngste Friedensnobelpreisträgerin ist, fragt in aller Unschuld: „Wieso ist es so leicht, Waffen zu geben, aber so schwer, Bücher zu geben? Wieso ist es so einfach Panzer zu bauen, aber so schwer Schulen zu errichten?“ Auch sie teilt diesen zerbrechlichen Traum: „Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und Stift können die Welt verändern.“

 

Die Hippies gingen sogar noch weiter. Sie wollten nicht nur, dass die Menschen lesen, Musik hören und sich besser verstehen, sie sollten sich obendrein lieben:

 

Make Love. Not War.

 

Remember? So lautete die berühmte Hippie-Parole. Ob man Liebe tatsächlich „machen“ kann, lasse ich jetzt dahingestellt sein. Ich hatte da von Anfang an meine Zweifel, ich war aber andererseits auch schwer beeindruckt von der praktischen Art der Amerikaner, die kurzerhand die Milch in Cornflakes-Packungen schütteten und die Turnschuhe zu den T-shirts mit der Aufschrift „Just do it“ in die Waschmaschine steckten.

 

Sei’s drum. Ich nehme zur Kenntnis, dass wir das heute so handhaben: Liebe „macht“ man, Sex dagegen „hat“ man. Na dann: viel Spaß auch. Für mich klingt es schon wieder nach einem Open-Air-Festival bei freiem Eintritt und mit Musik, bei der sich am Ende alle in den Armen liegen. Es kommt mir viel zu schön vor, um wahr zu sein, aber vielleicht bin ich ein schwieriger Fall mit ungewöhnlich trägem Herzen. Ich sollte mich einfach nicht so anstellen und nicht immer so kritisch aus der Wäsche gucken.

 

Das tue ich aber – und ich werfe weiterhin einen kritischen Blick auf die Feministen. Die haben den alten Hippie-Spruch umgedreht und ins Gegenteil verwandelt: Sie wollen keine Liebe zwischen den Geschlechtern – das meinen sie wirklich so, wir sollten uns darüber nicht hinwegtäuschen. Sie sind gegen die Liebe. Ausdrücklich. Sie sagen es offen. Es gibt viele Zitate, die das belegen und außerdem Taten, die es beweisen. Sie haben stattdessen den Geschlechter-Krieg erklärt:

 

Make Sex War. Do Not Make Love.

 

So ein Krieg geht notwendigerweise gegen alles, was gegen den Krieg arbeitet und einen Krieg vermeiden will. Also: gegen eine Kultur, in der das Gemeinsame betont wird. Gegen den Dialog, der eine gewalttätige Auseinandersetzung verhindern hilft. Gegen jede Möglichkeiten einer Verständigung. Gegen die Wertschätzung des anderen.

 

Es ist keine Überraschung: Der Feminismus bringt Bücherverbote mit sich. Neue Formen der Zensur. Neue Denkverbote. Neue Verständigungsverbote. Boykott von Diskussionsveranstaltungen. Offene Gewaltdrohungen gegen Männer, die sich für ihre Interessen einsetzen wollen. Das Niederbrüllen von Rednern. Das ist keine Randerscheinung, die man ignorieren könnte, es gehört zum Wesen des Feminismus.

 

Deswegen ist auch der ständige Angriff auf die Sprache von Seiten der Feministen keine Kleinigkeit. Auch wenn es auf manche so wirkt. Ich nehme das ernst. Und das tue ich nicht etwa, weil ich – wie man leichtfertig sagen könnte ­– Sprache liebe. Ich liebe die Sprache nicht, ich liebe Menschen.

 

Ich habe nichts gegen Veränderungen. Erst recht nicht gegen kreative Neuerungen. Auch nicht in der Sprache. Aber was uns heute mit der „geschlechtergerechten“ Sprache zugemutet wird, ist nicht nur eine Verhunzung, wie oft gesagt wird, es ist eine vorsätzliche Beschädigung, mit der das Miteinanderreden beendet wird. Es wird die Grammatik ausgehebelt. Es werden Begriffe umgedeutet. Es werden die Menschen verwirrt.

 

Alle, die sich frei von der Leber weg äußern wollen, werden gedemütigt, weil man sie nötigt, etwas zu sagen, das sie nicht sagen wollen. Die feministische Auffassung, dass bei jeder Gelegenheit die Unversöhnlichkeit der Geschlechter betont und grundsätzlich alles, was irgendwie „männlich“ wirkt, als böse anzusehen ist und wie Unkraut ausgerottet werden muss, wird als gegeben vorausgesetzt. Mit jeder Formulierung sollen wir uns dazu bekennen.

 

So können wir nicht mehr miteinander reden.

Doch genau das möchte ich weiterhin tun.

Deshalb diese Seite.

 

Deshalb wurde auch der Versuch zur „Rettung der Liebe“, wie es im Untertitel zu den drei Frau-ohne-Welt-Büchern heißt, gestartet. Ich weiß selber, dass es pathetisch klingt. Doch darum geht es. Was ist denn nun Liebe? What is love anyway? Liebe ist ein Versprechen. Liebe ist ein guter Plan. Liebe vergrößert.

 

Sie beginnt mit dem Verstehen, mit dem Erkennen, wie es schon Adam und Eva geschafft haben. Deshalb ist es auch so schädlich, wenn man nicht mehr neugierig ist, wenn man etwas gar nicht erst erkennen will (weil man glaubt, schon alles zu wissen), wenn man den anderen ignoriert; wenn an ihn ausschließt und seinen Blick mit Vorverurteilungen verstellt. Wie es die Feministen mit ihrer aufgesetzten Halbblindheit tun. Doch ich will nicht länger über den Schaden jammern, sondern den Nutzen betonen.

 

Der Nutzen liegt in der Möglichkeit, die Zukunft zu gewinnen, sich an einer „dritten Sache“ zu beteiligen, die größer ist als man selber.

 

Damit endet der siebente Brief

Mit herzlichen Grüßen

von

Bernhard Lassahn

 

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Entwarnung vorweg

Sieben vertrauliche Briefe 

über die Liebe und über den Krieg

Eine Entwarnung vorweg.

Manche mögen verwirrt sein und sich fragen:

Ja, ist es denn die Möglichkeit!?

Bin ich etwa auch so einer?

Einer von denen?

Ein Frauenfeind, ein Frauenhasser, ein waschechter … äh? Na, wie nennt man sie denn?

Männerrechtler? Antifeministen? Maskulisten? Oder muss es Maskulinisten heißen?

Die soll es geben. Man hört gelegentlich davon. Sie sind gefährlich, sehr gefährlich: der Massenmörder Anders Breivik ­– man mag es kaum glauben – soll der heimlichen Held dieser gewaltbereiten Männer. So steht es jedenfalls in einer Studie* – und wenn es sogar in einer Studie steht …

Soviel scheint klar zu sein: Es handelt sich dabei um alte, weiße Männer, die am liebsten Frauen am Herd anketten wollen. Sie sind konservativ. Sie sind rechtsgerichtet, womöglich rechtsradikal.

Stimmt das? Nein, sehen Sie selber.

Also – wie ist es?

Was bin ich für einer? Ich … nun … äh … nun wird es ein wenig blumig. Ich müsste vielleicht an dieser Stelle einen Schriftzug aufleuchten lassen ACHTUNG KITSCH, so wie man neuerdings Trigger-Warnungen voranstellt.

Doch was soll ich machen? Wie soll ich es denn sonst sagen? Ich kann auch nur die Sprache verwenden, die wir gemeinsam haben; nur die Vokabeln, die jeder kennt. Ein Vorschlag zur Güte: Stellen Sie sich vor, ich würde den nächsten Satz flüstern. Lesen Sie ihn ganz leise, also …

Es ist so: „Ich liebe Frauen“.

Keine Sorge. Nicht alle. Ich werde noch darauf zurückkommen.

Ich will nur schnell etwas klären, eh es unter den Tisch fällt und ich womöglich den Eindruck hinterlasse, ich wollte mich vor einer Antwort drücken.

Das will ich nicht – also: Ich bin kein Männerrechtler. Das möchte ich betonen, weil ich immer wieder gefragt werde. Gerade erst stand in einem überregionalen Magazin (FAZ) unter einem Foto von mir: „Bernhard Lassahn, Männerrechtler“. Dabei hatte ich der Frau, die mich zum Interview geladen hatte, ausführlich erklärt, dass ich keiner bin.

Es gibt in Deutschland keine Gruppenrechte, sondern Individualrechte. Das ist auch gut so. Warum sollte ich unter solchen Umständen Männerrechtler sein? Ich will mich nicht stark machen für irgendwelche Rechte (was denn auch für welche?), die an eine Gruppe gebunden sind. In diesem Fall an die Gruppe der Männer – die es nicht gibt.

Es gibt Männer. Klar. Aber nicht als Gruppe. Es gibt nicht DIE Männer. Man kann sie nicht einfach alle in eine Kiste packen. Dafür sind sie zu unterschiedlich. Ich bin so einer. Ich bin ein Mann. Ich bin unterschiedlich. Ich bin ein Einzelfall. Ich möchte nicht zusammengepackt werden mit Leuten, mit denen ich nichts zu tun habe und ich möchte nicht, dass ein Urteil, das über andere gefällt wird, auf mich übertragen wird.

Damit sind wir schon bei der Liebe angekommen. Auch die ist ein Einzelfall – etwas sehr Persönliches. Jeder hat eine Mutter, die einmalig und vermutlich mutterseelenallein ist. Wenn nun ein Mann mit einer Frau zusammen ein Kind hat, dann ist auch diese Frau wiederum eine Mutter und vermutlich ist sie ebenfalls mutterseelenallein. Das Kind ist auch etwas Besonderes, in meinem Fall tatsächlich etwas Einmaliges: Ich habe nur ein Kind.

Immerhin. Ein Glück!

Dieses Glück gibt einem das Gefühl, man könnte noch einmal leben, von vorne anfangen und die Welt neu kennenlernen, wenn man niederkniet und wieder mit Kinderaugen staunt.

Soviel vorweg. Nun habe ich schon mehr verraten, als ich ursprünglich vorhatte. Ich mache erst einmal eine Pause, ich grüße herzlich und verweise noch auf die Fußnote

Bernhard Lassahn

Fußnote * shoes-89037_640

Professorin Ilse Lenz, die als Granddame des Feminismus gilt, hat einen jungen Studenten eine „Studie“ über die antifeministische Männerrechtsbewegung schreiben lassen und hat sie als „wissenschaftlich“ durchgehen lassen, auch wenn es junk-science ist. Der Knaller ist, dass tatsächlich Anders Breivik aufgeboten wird, um die Männerrechtsbewegung zu kriminalisieren. Einfach so. Ohne Zusammenhang. Es ist ein übles Machwerk mit Falschbeschuldigungen und Unterstellungen. Doch nun gibt es so eine „Studie“. Da es vielen Journalisten genügt, wenn sie sagen können, dass es irgendwo irgendeine „Studie“ geben soll, die am Beispiel von Breivik zeigt, wie gefährlich Männerrechtler sind, dann wiederholen sie es besinnungslos.

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Zum siebenten Brief

Erster Brief

 Briefmarke

Über echte und gespielte Liebe

Liebe Frauen!

So. Nun ist es raus. Ich habe gerade die größten Intimitäten ausgeplaudert, die ich auf Lager habe. Vielleicht ist es nicht sonderlich aufgefallen, aber ich habe soeben einen flüchtigen Blick auf meine innigsten Gefühle zugelassen, obwohl es eigentlich niemanden etwas angeht. Deshalb hatte ich mich zunächst auch geziert, als ich einen Satz angekündigt habe, in dem „Liebe“ vorkommt. So etwas sagt man nicht. Wer es trotzdem sagt, ist zumeist ein elender Schwindler.  

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Zweiter Brief

 Briefmarke

Über die Henker der Liebe

Liebe Frauen

Was ich gerade über die Schlager gesagt habe, gilt ebenso für Hollywoodfilme, in denen es im Grunde nur darum geht, an welcher Stelle der Satz „I love you“ vorkommt und welche Musik dazu im Hintergrund plätschert. Es gilt ebenso für Pornografie und für Feminismus. Erstaunlich – nicht wahr? –, dass diese beiden Erscheinungen, die auf den ersten Blick so unterschiedlichen wirken, etwas gemeinsam haben. Aber ja doch. Das haben sie!

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Dritter Brief

    Briefmarke

Die kaputte Brille

Liebe Frauen!

Ich hoffe, Sie sind durch die verschiedenen Abschweifungen und Umleitungen nicht abgeschreckt worden und mögen noch ein wenig weiterlesen. Ich wiederhole es sicherheitshalber noch einmal: Ich bin nicht gegen Frauen. Es gibt Fälle, da kann ich sagen, dass ich in einem extrem hohen Maße für eine Frau bin –, ich bin jedoch gegen den Feminismus.  

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Vierter Brief

    Briefmarke

 Nach dem Krieg ist vor dem Krieg

Und

 Lieder über den Krieg

Damit,

     Liebe Frauen,

sind wir beim nächsten Thema: dem Krieg. Die Untertitel meiner Bücher von der Frau ohne Welt klingen nicht gerade wie Schlagertexte: ‚Krieg gegen den Mann’, ‚Krieg gegen das Kind’, ‚Krieg gegen die Zukunft’ – das wirkt kriegerisch.

Also doch. Also muss ich auch ein Krieger sein. Ein gewaltbereiter Kämpfer. Das dachte sich wohl eine Journalistin vom SWR, die ihre Meinung schon im Kasten hatte, als sie mich interviewte. Ich war freundlich zu ihr – was mir leicht fiel. Ich war geduldig. Ich habe ihr in aller Ruhe erklärt, worum es mir geht.  

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Fünfter Brief

Briefmarke

Bericht von der Heimatfront

 Liebe Frauen

Doch. Es gibt Krieg. Bei uns. Einen Krieg der besonderen Art.

Ich habe nach meiner Rückkehr aus Vietnam einen Vortrag über die Bedeutung der Familie gehalten, wie ich sie da kennengelernt hatte. Mein Eindruck war, dass die vietnamesische Großfamilie mit der besonderen Würdigung der Ahnen und der starken Tradition des Tet-Festes dem Sozialismus widerstanden hat und womöglich auch dem Kapitalismus widersteht. Der Kinderreichtum hat mich gerührt. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich bin auf einer Kinderparty. Das habe ich gesagt.  

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Sechster Brief

 

Briefmarke

 

Die Mörder und der letzte Krieg

 

 

Liebe Frauen

 

Erinnern Sie sich? In den 80er Jahren kam Bewegung in die deutsche Wohlstandswelt; uns hatte eine neue Angst vor dem Krieg erwischt – vor einem Krieg mit Atomwaffen. Es würde der letzte Krieg sein, das letzte Gefecht, wie es in der Internationale heißt, auch wenn es da anders gemeint war. Es wäre das Ende der Welt. Die Überlebenden würden die Toten beneiden – so hatte es Nikita Chrustschow vorhergesehen.  

In der BRD gab es eine Friedensbewegung. Da war ich mit ganzem Herzen dabei. Vielleicht erinnern Sie sich: Es gab damals in so manchen Apotheken eine geheimnisvolle Werbung für etwas, das sich „Doppelherz“ nannte und das ich als junger Mann nicht brauchte. Ich hatte schon ein Doppelherz. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass ich mit zwei Herzen bei der Sache war:  

Deutschland, also meine Heimat lag mir am Herzen, mein Zuhause, meine Familie, die auf den Osten und den Westen verteilt war. Auch wenn ich nicht wusste, wie ich dieses Zuhause nennen sollte und auch nicht wusste, ob es eine richtige Heimat war oder nur ein Heimat-Ersatz. Ich bin halber Ossi und halber Wessi, ich habe ein Ossi-Herz und ein Wessi-Herz. Beide deutsche Länder mochte ich gerne, ich war allerdings auch jederzeit bereit, sie zu kritisieren, als wäre keins von beiden mein richtiges Heimatland. Doch die Menschen in dem geteilten Land mochte ich. Die waren nun alle bedroht von der Atombombe. Da ist mir das Doppel-Herz in die Hose gerutscht.

Im Jahre 1977 war ich als Tourist in Hiroshima. Weil man da nicht viel sehen – das heißt auch nicht viel erkennen – kann, habe ich mich den Büchern von Günther Anders anvertraut, um mit meinen unzureichenden Eindrücken nicht allein zu bleiben. Ich habe gelesen, was ich kriegen konnte und schließlich ein Taschenbuch zusammengestellt: Das Günther Anders Lesebuch (das neu unter dem Titel Die Zerstörung unserer Zukunft erschienen ist.)  

Persönlich habe ich den alten Sonderling nicht kennengelernt. Zur Verleihung des Adorno-Preises (den er immerhin angenommen hat, andere Ehrungen hat er rundweg abgelehnt …) konnte er nicht mehr persönlich anreisen und musste eine Videobotschaft schicken. Dennoch. Ich glaube, dass ich ihn bei anderer Gelegenheit gesehen habe. Auf dem Bahnhof in Frankfurt. Da schaute ein alter Mann, der genau so aussah wie er, neugierig, wach und hilflos aus dem Fenster. Seine von Gicht gezeichnete Hand hing schlapp über der halb heruntergezogen Scheibe. Es war der Zug nach Wien. Er musste es sein. Ich träume manchmal noch, dass ich in den Zug eingestiegen und nach Wien gefahren wäre. 

Günther Anders (der eigentlich anders heißt) hatte ein apokalyptisches Ende kommen sehen. Das dann aber, wie wir inzwischen wissen, nicht gekommen ist. Zum Glück nicht. Vielleicht erinnert sich noch jemand – wenn auch ungern – an die Schlagworte „Cruise Missiles“ und „Pershing II“ und an den Spruch: „Besuchen Sie Europa solange es noch steht“. Es herrschte damals eine düstere, eine drückende Stimmung. Es fühlte sich an wie kurz vor dem Untergang.  

Heute denke ich, dass nicht der Atom-Krieg, sondern der Geschlechter-Krieg das „letzte Gefecht“ sein wird. Es wird nicht mit einem großen BÄNG daherkommen, sondern schleichend. Es wird auch nicht das Ende für die Menschheit sein. Nur das Ende für einige Kulturen. Für unsere. Der Geschlechter-Krieg verhindert ein Weiterleben, wenn er Kinder verhindert. Geschlechter-Krieger schaffen sich selber ab. Der letzte lässt dann von einem zugewanderten Pfleger das Licht in seiner alten Wohnung ausmachen.  

Doch wir sind nicht allein auf der Welt: Wenn wir in unserem wunderbaren, diskriminierungsfreien Gleichstellungs-Paradies keine Familien und keine Kinder mehr haben wollen, wenn wir uns nicht fortpflanzen wollen – dann werde es eben andere tun. Diese anderen werden versuchen, ihre Familien zu erhalten und die werden ihre Kinder lieben, ohne dass sie darüber vorher ergebnisoffen diskutieren und althergebrachte Rollenmuster hinterfragen müssen. Die Kinderreichen werden die Kinderarmen und verzagten Kinderlosen überstimmen und zu einer unbedeutenden Randerscheinung machen. Vielleicht werden sie es sein, die eines Tages die einsamen Überlebenden des freudlosen Geschlechter-Krieges bedauern.  

Auf dass es nicht so weit kommt!

Herzliche Grüße  

Bernhard Lassahn

 

Oh, jetzt hätte ich beinahe die Mörder vergessen, die ich großartig in der Überschrift angekündigt hatte. Für die Mörder habe ich auch noch einen Spruch auf Lager.

Aber vorher noch schnell ein Wort zu Günther Anders: Er wurde durch den Briefwechsel mit Claude Eatherly bekannt, der zwar die Bombe über Hiroshima nicht abgeworfen hatte – er war nur der so genannte Wetterpilot gewesen, der dem Flugzeug mit der Atombombe an Bord voran geflogen war – er litt aber unter Nachwehen. In diesem Briefwechsel, in dem es um Schuld, Verantwortung und Angst geht, versucht Günther Anders in vergleichsweise einfachen Worten zu erklären, dass wir heute keine richtigen Täter mehr haben. Nur noch Opfer. Alle tun immer nur ein bisschen was. Oder sie unterlassen etwas. Der Rest geht irgendwie automatisch.

Das gilt für den Atomkrieg, bei dem nur noch Knöpfe gedruckt werden und der dann wie eine Lawine wie von selber anrollt, ohne dass man sie aufhalten kann. Es gilt ebenso für den Geschlechter-Krieg, den ich als den „letzten“ beschrieben habe. Wer tut da noch etwas? Wir sind alle schuldig, weil wir nichts tun. Wir gucken schulterzuckend zu. Was soll man auch tun?

Da sind undurchsichtige Strukturen entstanden. Da gibt es Fehlanreize. Die Leute verdienen ihr Geld mit der Zerschlagung von Familien und an dem Leid der Kinder. Man müsste das ganze System ändern. Wo soll man anfangen und zur Tat schreiten?  

Diese Frage macht den Spruch, den ich angekündigt habe, seltsam altmodisch. Ich meine diesen hier:

 

Soldaten sind Mörder 

 

Heute müsste es korrekterweise heißen:  

 

Soldatinnen und Soldaten

sind Mörderinnen und Mörder

 

Das wiederum heißt, dass uns die Sprache abhanden gekommen ist – was wir auch an einer kleinen Szene im Bundestag sehen können, die ich hier verlinkt habe. Wir sagen nicht mehr, was wir sagen wollen und haben nur noch Worte für das Trennende, aber nicht mehr für das Gemeinsame und für das, was uns zusammenhält.

Damit bin ich schon mitten in dem Thema, um das es auch im siebten und letzten Brief geht. Also, bis dann.  

 

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