Die Ähnlichkeiten zwischen Gender- und Corona-Sprachregelungen sind nicht zufällig. In beiden Fällen fahren wir nun schon viel zu lange in die falsche Richtung und fragen uns: Wir kommen wir da wieder raus?
Kommen wir jemals wieder raus aus den Fesseln, die uns durch den „Krieg der Sterne“ und durch die Gebote des „Genderns“ auferlegt wurden? Werden wir jemals wieder „normal“ und „frei“ sprechen?
Kommen wir jemals wieder raus aus den Fesseln der AHA-Regeln? Werden wir eines Tages wieder frei atmen und ohne Masken tanzen? Werden wir uns wieder unbeschwert versammeln? Werden wir zu einem Umgang miteinander zurückfinden, der uns eine Nähe ermöglicht, die wir früher für absolut „normal“ hielten und von der wir nicht erwartet hätten, dass sie uns jemals abhandenkommen könnte?
Wie sind wir da überhaupt reingekommen?
Die Sprachregelungen habe ich schon lange im Auge. Das hat es mir leicht gemacht, Ähnlichkeiten mit dem Dilemma der Corona-Maßnahmen zu erkennen. Wir sind in beiden Fällen von falschen Voraussetzungen ausgegangen und fahren nun schon viel zu lange in die falsche Richtung. Mit Vollgas.
Es hat nie eine Stimme mit erotischem Unterton aus dem Navi gegeben, die uns empfohlen hätte: „Bei der nächsten Gelegenheit bitte wenden!“ Wir haben sämtliche Gelegenheiten zur Einkehr und Umkehr verpasst und sind stur weitergerast.
Wie konnte es dazu kommen? Wie hat es angefangen? Manchmal erkennt man an den Anfängen, in statu nascnedi, eine neue Erscheinung in seiner Reinform und Schlichtheit. Wir können es ja mal versuchen. Wenn wir an die Quellen gehen, verstehen wir vielleicht besser, worum es überhaupt geht und was die Absichten dahinter waren.
Was zeigt uns die Geschichte?
Die genauen Termine können wir nachvollziehen, die sind unstrittig. Was zeichnet sich da ab? Was sehen wir, wenn wir rückblickend die zeitlichen Abläufe unter die Lupe nehmen? Gab es da Momente, bei denen uns eine Stimme hätte warnen und zur Umkehr auffordern müssen?
Wie sieht die Geschichte der Maßnahmen zur Sprachregelung aus? Die habe ich mir an den verschiedenen Eintragungen auf Wikipedia nachvollzogen. Ein weites Feld. Voller Unkraut. Quälende Lektüre. Dazu kann ich viel sagen.
Die Geschichte der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise kenne ich nicht so gut. Darauf werde ich nicht so detailliert eingehen, auch wenn ich sie stets im Hinterkopf behalte. Hier ist es besonders aufschlussreich, sich auf der Zeitachse die Chronik der laufenden Ereignisse anzusehen und ein paar Fragen zu stellen:
Wie hat es angefangen? Wie ist es weitergegangen? Ab wann wurde ein Impfstoff entwickelt und ab wann propagiert? Wann gab es den ersten PCR-Test? Wann die ersten Fälle? Wann die Ausrufung einer pandemischen Notlage? Was war dem allen vorangegangen? Gab es Planspiele? Wann – und warum? – wurde die Definition, was unter einer „Pandemie“ zu verstehen ist, geändert?
Die Mittel verraten die Wahrheit über den Zweck
Bei unseren Rückblicken sollten wir den Satz von Hegel im Hinterkopf behalten, der gesagt hat: „Die Mittel verraten die Wahrheit über den Zweck“, was uns womöglich an den abgenudelten Spruch „Der Weg ist das Ziel“ erinnert und uns wie eine Banalität vorkommt.
Wir war es im Corona-Jahr? Haben die „Mittel“ – PCR-Test, Lockdown, Maskenpflicht, App –, ihren „Zweck“, für vorauseilenden Schutz der Bevölkerung vor Krankheit und Tod zu sorgen, tatsächlich erfüllt oder haben sie in Wahrheit einem anderen Zweck gedient? Haben sie mehr Schaden gebracht als Nutzen?
Solche Fragen stellen sich auch beim Blick auf die Maßnahmen zur Regulierung der Sprache für unseren täglichen Gebrauch. Die gab es nicht erst im letzten Jahr.
Niemand wehrte den Anfängerinnen
Wann fing das Unglück mit dem Sprachfeminismus an? Der – vermutlich – erste Vorstoß zur Durchsetzung einer sogenannten geschlechtergerechten Sprache stammt aus Hessen aus dem Jahre 1984. So lange ist das her, verdammt lang her. Die damalige SPD-Regierung unter Holger Börner wollte durch einen „Runderlass“ zur „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Vordrucken“ erreichen, dass künftig „generische Maskulinformen“ gemieden werden. Das war das ausdrückliche Ziel dieser neuen Maßnahme: die Vermeidung der generischen Maskulinform.
Die Hessen waren womöglich die ersten, aber nicht die einzigen. In anderen Bundesländern zeigte sich dasselbe Bild. Etwa in Bremen: „ … der generische Gebrauch männlicher Formen von Personenbezeichnungen“ wurde „für unerwünscht erklärt“.
Damals war noch kein Gendersternchen am Horizont zu erkennen. Eine ‚Bibel in gerechter Sprache‘ gab es auch nicht, die erschien erst 2006. Das Zauberwort gender mainstreaming war ebenfalls unbekannt, erst mit der Weltfrauenkonferenz im Jahr 1995 ging der Zauber so richtig los.
Es waren also – aus heutiger Sicht gesehen – düstere Zeiten, in denen die Deutschen noch nicht zum richtigen Bewusstsein erwacht waren, noch nicht woke genug waren und nicht die passenden Formulierungen auf der Zunge hatten. Doch die Stoßrichtung war schon damals klar: Die generische Maskulinform sollte gemieden werden, als hätte eine Stimme zu uns gesprochen und uns ermahnt, dass wir von allen Früchten aus dem Garten der Grammatik kosten dürften, nur von einer Frucht nicht – vom generischen Maskulinum.
Was ist eigentlich Gendern?
Immerhin können wir nun deutlich das erste Gebot des Genderns erkennen und können festmachen, worum es dabei im Kern geht: Gendern bedeutet, alles zu versuchen, um das generische Maskulinum zu meiden. Warum sollte man das tun? Gute Frage. So sagt man gerne. Es ist wirklich eine gute Frage, es gibt aber keine guten Antworten.
Damals waren engagierte Frauen am Werk – und an der Macht. Offenbar sahen sie das generische Maskulinum als neue Bedrohung, obwohl es weder neu noch bedrohlich war. Doch sie haben es so empfunden und stellten sich vor, dass ein sensibles Sprechen, das den Frauen gerecht wird, nur dann möglich wird, wenn wir uns gänzlich von diesem unheilvollen generischen Maskulinum freihalten.
Das waren keine besonders guten Gründe. Die gab es nicht. Damals nicht. Heute gibt es sie auch nicht. Es war grober Unfug. Dennoch hat man sich darauf eingelassen. Warum auch immer. Nun haben wir es mit einem Rattenschwanz von Folgeschäden zu tun.
Der grobe Unfug wird unbeirrt fortgesetzt. Auch bei aktuellen Initiativen geht es darum, das generische Maskulinum zu meiden und nach Möglichkeit abzuschaffen. Etwa bei den Neuerungen im Duden-online oder beim Leitfaden der Bonner Gleichstellungsbeauftragten – nur ein Beispiel von vielen –, die aus einem „Fahrzeughalter“ eine „Fahrzeughaltende Person“ machen und aus der „Teilnehmergebühr“ die „Teilnahmegebühr“. („Leidfaden“ wäre vermutlich der bessere Ausdruck).
Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei der Beamtin
Zunächst machte es einen unverfänglichen Eindruck und wirkte eher unbedeutend. Da gab uns die Behörde einen fürsorglichen Hinweis, etwas, über das wir uns bisher keine Gedanken gemacht hatten, in Zukunft nicht mehr zu benutzen, das heißt, wir konnten nach wie vor machen, was wir wollten. Die Regelung sollte zunächst nur für Beamte gelten – Stopp, schon falsch!
Es sollte ab jetzt heißen: für „Beamtinnen und Beamte“. So sahen es die neuen Vorschriften vor: „ … so soll entweder eine neutrale Form verwendet werden (z. B. Lehrkraft) oder die weibliche und männliche Form aufgeführt werden (Lehrerinnen und Lehrer, Antragstellerin/Antragsteller).“ Also: keine generische Maskulinform mehr in den Amtsstuben.
Eine defekte Sprache wird zur neuen Normalität
So fing es an. Von den Amtsstuben aus verbreitete sich der neue Sprachgebrauch wie … wie … ich bin versucht zu sagen: wie ein Virus. Nun müssen wir uns mit den Folgefehlern herumschlagen und mit dem Schaden, der damit angerichtet wurde. Denn es hatte sich damit ein Problem aufgetan, das nicht zu lösen ist: Es mussten Ersatzformen für das generische Maskulinum (kurz: GM) gefunden werden. Das ist unmöglich.
Sehen wir uns die unbrauchbaren Ersatzteile an, mit denen man es bisher versucht hat: Doppelnennung, Doppelpunkt, Binnen-I, Unterstrich, Schrägstrich, Klammer, Generalklausel … neuerdings mit Sternchen. Alles Murks. Ob das hier die ultimative Lösung ist?
Man kann aus einem System, in dem alle Teile aufeinander bezogen sind, nicht einfach ein Teil davon „meiden“, es ersetzen oder gar entfernen. Hier drängt sich der Vergleich mit einem Kartenhaus auf, das sofort einstürzt. So ein Bild erscheint mir jedoch zu dramatisch. Denn so leicht geht das Gerüst der Sprache nicht kaputt. Doch wir haben es seither mit einer Sprache zu tun, der vorsätzlich ein Defekt zugefügt wurde.
Was waren die Mittel? Was war der Zweck?
Auch hier stellen sich die Fragen nach den Mitteln und nach dem Zweck. Welchen Zweck sollte es haben, das GM zu meiden und zu ersetzen? Man kann ein zentrales Element der Grammatik nicht ersetzen, ohne einen hohen Preis zu zahlen und Verwüstungen in Kauf zu nehmen. So geschah es dann auch. Das sowieso schon miserable Beamten-Deutsch wurde durch die Einführung von GM-Prothesen noch miserabler. War das der eigentliche (wenn auch nicht eingestandene) Zweck?
Wir können heute auf eine Schleimspur der Verwüstung zurückblicken. Wenn die Sprache leidet, leidet auch die Kommunikation, die Möglichkeit zu einem fairen Dialog. Wenn der Dialog leidet, leidet die Freiheit und vor allem wird der Mechanismus der Wahrheitsfindung beschädigt, der auf einen unvorbelasteten Austausch von unterschiedlichen Positionen angewiesen ist.
Die Gesellschaft wurde durch „geschlechtergerechte Sprache“ streng in zwei Lager aufgeteilt, die sich am Sprachgebrauch zu erkennen geben konnten. Man musste nur einen Plural bilden, schon war klar, auf welcher Seite man steht. Die Dialoge wurden zu einem Machtkampf, in dem es nur noch darum geht, dem anderen seine Sprechweise und die implizierten Inhalte aufzudrängen. War das vielleicht sogar der eigentliche Zweck?
Echte Probleme und Probleme der Wahrnehmung
Manche Probleme sind nur schwer zu lösen, weil es knifflige Probleme sind. Manche lassen sich nicht lösen, weil es keine echten Probleme sind, sondern lediglich Probleme der Wahrnehmung. Probleme der richtigen Definition. Würde man das Verständnis dieser Probleme ändern, hätte man sie nicht mehr. Zumindest nicht mehr in der Größenordnung. Dann würde sich auch die Frage, mit welchen Mitteln man reagieren soll, ganz neu stellen.
Exit Corona
„Bitte wenden!“ Um die Corona-Krise durch Neubewertung zu beenden, müssten wir in das Jahr 2009 zurückgehen und die Definition, die eine Pandemie allein schon von der großen Verbreitung eines Virus‘ abhängig macht und nicht von der tatsächlichen Gefährlichkeit und Sterblichkeit, noch mal überdenken.
Eine eigenständige Meinung kann ich in dem Fall nicht vortragen, das muss ich auch nicht, ich kann mich vertrauensvoll an all die anschließen, die ich für kompetent halte. Leser von Achgut.com muss ich auf das Buch von Gunter Frank nicht extra hinweisen. Es gibt durchaus fundierte Kritik an den „Mitteln“ und es gibt eine gute Frage von Milosz Matuschek, zum „Zweck“: „Sorry, vielleicht ist es eine dumme Frage. Aber was ist eigentlich das Ziel der Anti-Covid-Maßnahmen?“
Wir müssen uns solche Fragen stellen, wenn wir zur Wahrheit finden wollen. Nur wenn wir die Verzerrungen rückgängig und uns ein realistisches Bild von der Bedrohung machen, das von sämtlicher Propaganda bereinigt ist, können wir den Gefahren sinnvoll begegnen. Sonst kämpfen wir gegen Windmühlen.
Exit Gender
Wenn es um Sprache geht, können alle mitreden. Gerne. Ich bin jederzeit bereit, mit jedem, der sich für das Gendern stark macht, zu diskutieren und ihm geduldig zu erklären, warum ich das Unterfangen für ein einziges Unglück halte. Wer traut sich? Ich bin mir sicher: Das Gendern kann man komplett bleibenlassen, egal mit welchen neuen Raffinessen und Stilblüten es weiterhin aufrechterhalten werden soll und welche Ausweichmanöver gefahren werden, wenn man die Maßnahmen irgendwie begründen will.
Alle bisher angebotenen Ersatzformen haben sich nicht etwa als Fixsterne erwiesen, sondern als Sternschnuppen. Sie sind nicht nur, wie man leicht voraussagen kann, die Peinlichkeiten von morgen, mehr noch: In unserer schnelllebigen Zeit sind sie schon die Peinlichkeiten von heute.
„Bitte wenden!“ Um aus dem Gendern auszusteigen, müssten wir zurück ins Jahr 1984 reisen und dem Gebot, das GM grundsätzlich zu meiden, in aller Deutlichkeit widersprechen. Nein, das tun wir nicht. Weil es nicht geht und weil wir es nicht wollen. Den Anordnungen von damals lag eine falsche Einschätzung zugrunde. Sie war idiotisch, größenwahnsinnig und kurzsichtig. Es wird Zeit, die alten Hüte wieder loszuwerden.
Fangen wir mit kleinen Schritten an. Verwenden wir das GM so oft wie möglich. Wir werden befreit durchatmen und uns wohlfühlen, wenn wir sprechen.