Das kleine Wörtchen „alle“ lockt alle in die Falle
Neulich habe ich eine Meldung gelesen, über die ich nachdenken musste: Auch die CDU-Frauen wollen, wie es der ‚Spiegel’ süffisant ausgedrückt hat, „ein bisschen gendern“. Nur ein bisschen. Sie wollen „gemäßigt gendern“. So soll es nach den Wünschen der CDU-Frauen in Zukunft heißen: „Der Parteitag wählt auf Vorschlag der oder des Vorsitzenden die oder den Generalsekretär/in“.
Warum wollen sie nur ein bisschen gendern? Sind sie etwa auch ein bisschen schwanger? Bemühen sie sich um ein bisschen Rechtsstaatlichkeit? Um ein bisschen Frieden? Vielleicht mögen sie auch das Lied ‚Gib mir’n ein kleines bisschen Sicherheit’ von der Gruppe Silbermond. (Dabei geht es um ein billiges, leicht zu knackendes Fahrradschloss, das sich die Sängerin zum Valentinstag wünscht … aber womöglich habe ich den Text nicht richtig verstanden).
Ein bisschen totalitär
Ein „bisschen“ geht nicht. Es geht gar nicht. Bei dem so genannten „gendern“ handelt es sich nicht etwa darum, einen neuen Begriff in das Lexikon aufzunehmen, den man bei passender Gelegenheit benutzen kann und bei unpassender Gelegenheit nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Eingriff in die Regeln der Grammatik, die bei jeder Gelegenheit angewendet werden sollen. Das haben Regeln so an sich.
Aber gibt es diese Regeln überhaupt? Nein. Keiner weiß genau, wie man gendern soll. Da kommen ständig neue Vorschläge hoch (Doppelnennung, Binnen-I, (m/w), _innen, /innen, *innen …). Bisher hat sich keiner der Vorschläge bewährt. Es sind aber neue in Arbeit. Wir wissen aber, warum wir gendern sollen. Warum? Um Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen. Das klingt nach einer großen, womöglich nur schwer oder gar nicht lösbaren Aufgabe.
Das bringt uns gleich zur nächsten Frage: Was ist eigentlich Geschlechtergerechtigkeit? Nun, das sagt uns das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die haben es in einer Erklärung zur Strategie des Gender Mainstreaming zusammengefasst. (Die CDU-Frauen kennen den Satz bestimmt. Den haben sie auf einen Zettel geschrieben und tragen ihn stets in der Handtasche bei sich, falls sie es wieder vergessen haben – also):
„Geschlechtergerechtigkeit bedeutet, bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern zu berücksichtigen.“
Aha. Entscheidend in diesem Merksatz ist das unscheinbare Wort „allen“! Immerhin: Man kann es sich leicht merken. Nun wissen wir, wann wir gendern sollen. Wann? Immer. Ganz einfach. Gender Mainstreaming gilt immer (!) und überall (!). An anderer Stelle in den Erklärungen zur Geschlechtergerechtigkeit heißt es zur Abwechslung „regelmäßig“ (!).
GM ist also eine Strategie – auch Querschnittsaufgabe genannt –, die sich in alle (!) Lebensbereiche einmischen will, um überall (!) eine Unterschiedlichkeit zu berücksichtigen, das heißt in Wirklichkeit: um überall (!) eine Trennung vorzunehmen, um alles (!) Gemeinsame zu zerstören und um überall (!) Geschlechterapartheid vorzuschreiben.
Hier muss niemand zum Finale einer aufwühlenden Rede fragen: „Wollt ihr die totale Gender-Sprache?“ Die Frage erübrigt sich. Es gibt die Gender-Sprache nur in der totalen Version. Das liegt daran, dass der Eingriff in die Sprache über das Regelwerk erfolgen soll, und dass nach Meinung der AktivistInnen oder Aktivist*innen – wie ich sie aktuell korrekt bezeichnen soll – es sowieso „keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit“ gibt (Das meinen sie tatsächlich. Sehen Sie sich die Seite des oben erwähnten Bundesministeriums an, da steht es) und dass daher alles, aber auch alles, alles, alles geschlechtersensibel betrachtet werden muss.
Non Stop Sex Show. Non Stop Gender Trouble
Überall lauert der Unterschied zwischen männlich und weiblich. Wer es noch nicht mitgekriegt hat, sollte sich spaßeshalber ein Musikvideo angucken – nämlich dieses hier –, das versucht, alle Tummelplätze aufzulisten, auf denen sich heutzutage Sexismus breit macht und dringend durch Geschlechtergerechtigkeit bekämpft werden muss: everything is sexist.
Also: Bei jeder nur möglichen Gelegenheit soll das Geschlecht berücksichtigt werden, als wäre die Welt eine einzige Non Stop Sex Show. Bei jeder Gelegenheit wird gedanklich in die Unterwäsche gegriffen. Mary Daly ist eine Vordenkerin des Sprachfeminismus, der man nicht nachsagen kann, dass sie sanft ist – im Gegenteil. Ihr Markenzeichen ist die Doppelaxt. Sie ist berühmt für ihre ruppige Art – und ihre Wortspiele. Sie spricht vom „dicktionary“. Klar, oder? Um es kurz zu erklären: Das Wörterbuch („dictionary“) untersteht ihrer Meinung nach voll und ganz dem männlichen Geschlechtsteil („dick“).
Es erinnert mich an den Witz, in dem ein Psychiater einem Patienten verschiedene Darstellungen von Dreiecken und Kreisen zeigt und nachfragt, was sich der Patient darunter vorstellt. Der arme Kerl auf der Couch erkennt überall nackte Frauen. Als der Psychiater sorgenvoll die Stirn in Falten legt, verteidigt er sich: „Warum zeigen Sie mir dauernd solchen Schweinkram? Wer von uns beiden ist denn hier versaut?“
So geht es uns, wenn mir geschlechtergerecht sprechen wollen. Wir sollen immer an Sex denken. An Sex, nicht an Gender. Wenn es um „Selbstabholerinnen und Selbstabholer“ geht oder um „Benutzerinnen- und Benutzerfreundlichkeit“ von Oberflächen, über die man mit dem Finger wischt – woran denken wir dann? Daran dass hier zwei Gruppen erwähnt werden, die durch soziale Einflüsse, denen sie ausgesetzt waren, unterscheidbar sind – also anhand von Gender-Kriterien – oder an zwei Gruppen, die man unterscheiden kann, weil eine mit einem weiblichen, die andere wiederum mit einem männlichen Geschlechts-Apparatus ausgestattet ist?
Der kleine Zettel kann in den Papiermüll
Das Beispiel passt: es geht nur um die Oberfläche. Nicht um Inhalte. Es werden Mengen gebildet, die nur oberflächlich betrachtet als Menge gelten können und lediglich aus toten Zahlen mit Geschlechtsteilen bestehen, nicht aus lebendigen Menschen mit Albträumen, Wünschen, Sehnsüchten, Plänen, Krankheiten …
Es werden eben gerade nicht die „unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen“ berücksichtigt, wie es auf dem kleinen Zettel heißt. Eben nicht! Sondern? Was wird berücksichtigt? Das Geschlecht. Anders geht es gar nicht. Es müsste sonst eine jeweils unterschiedliche, der speziellen Situation angemessene Formulierung genutzt werden.
Aber ein Geschlecht ist immer dabei und die Geschlechtszugehörigkeit ist nun mal unterschiedlich. Na und? Das muss nicht zu einer unterschiedlichen Interessenslage in allen Bereichen des Lebens führen. Es muss auch nicht zu einem dauerhaften Getrenntsein der Geschlechter führen. Die Geschlechter können sich auch ihrer Unterschiedlichkeit erfreuen und daraus etwas Gemeinsames entstehen lassen.
Doch darüber können wir nicht mehr reden, wenn wir die geschlechtergerechte Sprache benutzen, denn diese Sprache betont das Trennende. Immer. Bei jeder Gelegenheit. Auch wenn Männer und Frauen in Wirklichkeit keine unterschiedlichen, sondern gemeinsame Interessen haben.
Sie sind nämlich eigentlich ganz nett, sie sind gar nicht solche Sexmonster, wie ihnen unterstellt wird. Sie möchten gerne etwas selbst abholen und wollen in Ruhe die Vorteile einer benutzerfreundlichen Oberfläche genießen, ohne dabei von Fragen zur Sexualität oder zur Genderpolitik belästigt zu werden.
Doch es geht nicht. Was immer sie an Interessen und Lebenswirklichkeiten gemeinsam haben, wie gut sie sich auch verstehen mögen: immer steht ihnen ihre unterschiedliche Geschlechtszugehörigkeit im Weg und soll als etwas Trennendes hervorgehoben werden. So will es jedenfalls die geschlechtergerechte Sprache. Das Unterschiedliche wird damit schwuppdiwupp zum Trennenden, das nicht mehr überwunden werden kann, es wird unversehens zum Unversöhnlichen. Denn die Unterschiede sollen „regelmäßig“, sie sollen bei jeder Gelegenheit gelten.
Die PolitikerInnen oder Politiker*innen – wie ich sie aktuell korrekt bezeichnen soll – können den kleinen Zettel gleich wieder zerreißen. Geschlechtergerechtigkeit ist nicht das, was sie vorgibt zu sein. Noch einmal: Es werden nicht die unterschiedlichen Interessen und Lebensweisen berücksichtigt, sondern die unterschiedlichen Geschlechtszugehörigkeiten.
Die ausgestreckten Finger der Geschlechterpolitik zeigen nicht auf die Situationen, in denen sich die Menschen befinden, sondern auf deren Geschlechtsteile. Merkt das eigentlich niemand von denen, die sich Geschlechtergerechtigkeit auf die Fahne geschrieben haben?
Vielleicht bemerken sie es nicht, weil sie von der Position des Wortes „unterschiedlich“ in dem Satz getäuscht worden sind. Schauen wir noch einmal hin. Worauf bezieht sich dieses „unterschiedlich“? Auf unterschiedliche Lebenswirklichkeiten und Interessen? Oder auf die Unterschiedlichkeit der Geschlechter? Worauf wird hingewiesen?
Wenn wir den Satz (flüchtig) lesen, haben wir den Eindruck, dass sich dieses lästige „unterschiedlich“ auf die Interessen und Lebenswirklichkeiten bezieht. In der Tat. Die können sehr unterschiedlich sein. So unterschiedlich, dass man sie nicht bei jeder Gelegenheit mit ein und derselben Formulierung beschreiben kann.
Aber. Jetzt kommt es: Die Interessen und Lebenswirklichkeiten sind nicht immer unterschiedlich. Worin liegen denn – bitte schön – die unterschiedlichen Interessen und Lebenswirklichkeiten von Menschen, die etwas selbst abholen wollen? Na gut, die mag es geben. Aber wie sollte man sie erstens beschreiben und zweitens berücksichtigen? Sind sie überhaupt wichtig?
Sie lügen, ohne es zu merken
Es ist ja nicht schlimm, wenn Politiker, Poeten sowie alle anderen, die gerne viel reden, sich mit unwichtigen Dingen befassen, schlimm ist, wenn sie uns zwingen wollen zuzuhören und wenn sie nicht aufrichtig sind. Wenn sie schummeln. Wenn sie aus Schlamperei oder Hinterhältigkeit einen wichtigen Unterschied nicht beachten. Genau das machen die Verfechter einer geschlechtergerechten Sprache: Sie unterscheiden grundsätzlich nicht zwischen Situationen, in denen Frauen und Männer unterschiedliche Interessen haben und Situationen, in denen sie gemeinsame Interessen und gemeinsame Lebenswirklichkeiten haben. Sie tun so, als hätten sie immer unterschiedliche Interessen.
Das unscheinbare Wort „allen“ hätte sie warnen müssen. Wenn etwas in allen Fällen gilt, wird es bedeutungslos. Mehr noch: Es wird zur Lüge – nämlich in den Fällen, in denen es gar keine Unterschiede gibt.
Das kleine Wörtchen „alle“ lockt alle in die Falle
Neulich habe ich eine Meldung gelesen, über die ich nachdenken musste: Auch die CDU-Frauen wollen, wie es der ‚Spiegel’ süffisant ausgedrückt hat, „ein bisschen gendern“. Nur ein bisschen. Sie wollen „gemäßigt gendern“. So soll es nach den Wünschen der CDU-Frauen in Zukunft heißen: „Der Parteitag wählt auf Vorschlag der oder des Vorsitzenden die oder den Generalsekretär/in“.
Warum wollen sie nur ein bisschen gendern? Sind sie etwa auch ein bisschen schwanger? Bemühen sie sich um ein bisschen Rechtsstaatlichkeit? Um ein bisschen Frieden? Vielleicht mögen sie auch das Lied ‚Gib mir’n ein kleines bisschen Sicherheit’ von der Gruppe Silbermond. (Dabei geht es um ein billiges, leicht zu knackendes Fahrradschloss, das sich die Sängerin zum Valentinstag wünscht … aber womöglich habe ich den Text nicht richtig verstanden).
Ein bisschen totalitär
Ein „bisschen“ geht nicht. Es geht gar nicht. Bei dem so genannten „gendern“ handelt es sich nicht etwa darum, einen neuen Begriff in das Lexikon aufzunehmen, den man bei passender Gelegenheit benutzen kann und bei unpassender Gelegenheit nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Eingriff in die Regeln der Grammatik, die bei jeder Gelegenheit angewendet werden sollen. Das haben Regeln so an sich.
Aber gibt es diese Regeln überhaupt? Nein. Keiner weiß genau, wie man gendern soll. Da kommen ständig neue Vorschläge hoch (Doppelnennung, Binnen-I, (m/w), _innen, /innen, *innen …). Bisher hat sich keiner der Vorschläge bewährt. Es sind aber neue in Arbeit. Wir wissen aber, warum wir gendern sollen. Warum? Um Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen. Das klingt nach einer großen, womöglich nur schwer oder gar nicht lösbaren Aufgabe.
Das bringt uns gleich zur nächsten Frage: Was ist eigentlich Geschlechtergerechtigkeit? Nun, das sagt uns das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die haben es in einer Erklärung zur Strategie des Gender Mainstreaming zusammengefasst. (Die CDU-Frauen kennen den Satz bestimmt. Den haben sie auf einen Zettel geschrieben und tragen ihn stets in der Handtasche bei sich, falls sie es wieder vergessen haben – also):
„Geschlechtergerechtigkeit bedeutet, bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern zu berücksichtigen.“
Aha. Entscheidend in diesem Merksatz ist das unscheinbare Wort „allen“! Immerhin: Man kann es sich leicht merken. Nun wissen wir, wann wir gendern sollen. Wann? Immer. Ganz einfach. Gender Mainstreaming gilt immer (!) und überall (!). An anderer Stelle in den Erklärungen zur Geschlechtergerechtigkeit heißt es zur Abwechslung „regelmäßig“ (!).
GM ist also eine Strategie – auch Querschnittsaufgabe genannt –, die sich in alle (!) Lebensbereiche einmischen will, um überall (!) eine Unterschiedlichkeit zu berücksichtigen, das heißt in Wirklichkeit: um überall (!) eine Trennung vorzunehmen, um alles (!) Gemeinsame zu zerstören und um überall (!) Geschlechterapartheid vorzuschreiben.
Hier muss niemand zum Finale einer aufwühlenden Rede fragen: „Wollt ihr die totale Gender-Sprache?“ Die Frage erübrigt sich. Es gibt die Gender-Sprache nur in der totalen Version. Das liegt daran, dass der Eingriff in die Sprache über das Regelwerk erfolgen soll, und dass nach Meinung der AktivistInnen oder Aktivist*innen – wie ich sie aktuell korrekt bezeichnen soll – es sowieso „keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit“ gibt (Das meinen sie tatsächlich. Sehen Sie sich die Seite des oben erwähnten Bundesministeriums an, da steht es) und dass daher alles, aber auch alles, alles, alles geschlechtersensibel betrachtet werden muss.
Non Stop Sex Show. Non Stop Gender Trouble
Überall lauert der Unterschied zwischen männlich und weiblich. Wer es noch nicht mitgekriegt hat, sollte sich spaßeshalber ein Musikvideo angucken – nämlich dieses hier –, das versucht, alle Tummelplätze aufzulisten, auf denen sich heutzutage Sexismus breit macht und dringend durch Geschlechtergerechtigkeit bekämpft werden muss: everything is sexist.
Also: Bei jeder nur möglichen Gelegenheit soll das Geschlecht berücksichtigt werden, als wäre die Welt eine einzige Non Stop Sex Show. Bei jeder Gelegenheit wird gedanklich in die Unterwäsche gegriffen. Mary Daly ist eine Vordenkerin des Sprachfeminismus, der man nicht nachsagen kann, dass sie sanft ist – im Gegenteil. Ihr Markenzeichen ist die Doppelaxt. Sie ist berühmt für ihre ruppige Art – und ihre Wortspiele. Sie spricht vom „dicktionary“. Klar, oder? Um es kurz zu erklären: Das Wörterbuch („dictionary“) untersteht ihrer Meinung nach voll und ganz dem männlichen Geschlechtsteil („dick“).
Es erinnert mich an den Witz, in dem ein Psychiater einem Patienten verschiedene Darstellungen von Dreiecken und Kreisen zeigt und nachfragt, was sich der Patient darunter vorstellt. Der arme Kerl auf der Couch erkennt überall nackte Frauen. Als der Psychiater sorgenvoll die Stirn in Falten legt, verteidigt er sich: „Warum zeigen Sie mir dauernd solchen Schweinkram? Wer von uns beiden ist denn hier versaut?“
So geht es uns, wenn mir geschlechtergerecht sprechen wollen. Wir sollen immer an Sex denken. An Sex, nicht an Gender. Wenn es um „Selbstabholerinnen und Selbstabholer“ geht oder um „Benutzerinnen- und Benutzerfreundlichkeit“ von Oberflächen, über die man mit dem Finger wischt – woran denken wir dann? Daran dass hier zwei Gruppen erwähnt werden, die durch soziale Einflüsse, denen sie ausgesetzt waren, unterscheidbar sind – also anhand von Gender-Kriterien – oder an zwei Gruppen, die man unterscheiden kann, weil eine mit einem weiblichen, die andere wiederum mit einem männlichen Geschlechts-Apparatus ausgestattet ist?
Der kleine Zettel kann in den Papiermüll
Das Beispiel passt: es geht nur um die Oberfläche. Nicht um Inhalte. Es werden Mengen gebildet, die nur oberflächlich betrachtet als Menge gelten können und lediglich aus toten Zahlen mit Geschlechtsteilen bestehen, nicht aus lebendigen Menschen mit Albträumen, Wünschen, Sehnsüchten, Plänen, Krankheiten …
Es werden eben gerade nicht die „unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen“ berücksichtigt, wie es auf dem kleinen Zettel heißt. Eben nicht! Sondern? Was wird berücksichtigt? Das Geschlecht. Anders geht es gar nicht. Es müsste sonst eine jeweils unterschiedliche, der speziellen Situation angemessene Formulierung genutzt werden.
Aber ein Geschlecht ist immer dabei und die Geschlechtszugehörigkeit ist nun mal unterschiedlich. Na und? Das muss nicht zu einer unterschiedlichen Interessenslage in allen Bereichen des Lebens führen. Es muss auch nicht zu einem dauerhaften Getrenntsein der Geschlechter führen. Die Geschlechter können sich auch ihrer Unterschiedlichkeit erfreuen und daraus etwas Gemeinsames entstehen lassen.
Doch darüber können wir nicht mehr reden, wenn wir die geschlechtergerechte Sprache benutzen, denn diese Sprache betont das Trennende. Immer. Bei jeder Gelegenheit. Auch wenn Männer und Frauen in Wirklichkeit keine unterschiedlichen, sondern gemeinsame Interessen haben.
Sie sind nämlich eigentlich ganz nett, sie sind gar nicht solche Sexmonster, wie ihnen unterstellt wird. Sie möchten gerne etwas selbst abholen und wollen in Ruhe die Vorteile einer benutzerfreundlichen Oberfläche genießen, ohne dabei von Fragen zur Sexualität oder zur Genderpolitik belästigt zu werden.
Doch es geht nicht. Was immer sie an Interessen und Lebenswirklichkeiten gemeinsam haben, wie gut sie sich auch verstehen mögen: immer steht ihnen ihre unterschiedliche Geschlechtszugehörigkeit im Weg und soll als etwas Trennendes hervorgehoben werden. So will es jedenfalls die geschlechtergerechte Sprache. Das Unterschiedliche wird damit schwuppdiwupp zum Trennenden, das nicht mehr überwunden werden kann, es wird unversehens zum Unversöhnlichen. Denn die Unterschiede sollen „regelmäßig“, sie sollen bei jeder Gelegenheit gelten.
Die PolitikerInnen oder Politiker*innen – wie ich sie aktuell korrekt bezeichnen soll – können den kleinen Zettel gleich wieder zerreißen. Geschlechtergerechtigkeit ist nicht das, was sie vorgibt zu sein. Noch einmal: Es werden nicht die unterschiedlichen Interessen und Lebensweisen berücksichtigt, sondern die unterschiedlichen Geschlechtszugehörigkeiten.
Die ausgestreckten Finger der Geschlechterpolitik zeigen nicht auf die Situationen, in denen sich die Menschen befinden, sondern auf deren Geschlechtsteile. Merkt das eigentlich niemand von denen, die sich Geschlechtergerechtigkeit auf die Fahne geschrieben haben?
Vielleicht bemerken sie es nicht, weil sie von der Position des Wortes „unterschiedlich“ in dem Satz getäuscht worden sind. Schauen wir noch einmal hin. Worauf bezieht sich dieses „unterschiedlich“? Auf unterschiedliche Lebenswirklichkeiten und Interessen? Oder auf die Unterschiedlichkeit der Geschlechter? Worauf wird hingewiesen?
Wenn wir den Satz (flüchtig) lesen, haben wir den Eindruck, dass sich dieses lästige „unterschiedlich“ auf die Interessen und Lebenswirklichkeiten bezieht. In der Tat. Die können sehr unterschiedlich sein. So unterschiedlich, dass man sie nicht bei jeder Gelegenheit mit ein und derselben Formulierung beschreiben kann.
Aber. Jetzt kommt es: Die Interessen und Lebenswirklichkeiten sind nicht immer unterschiedlich. Worin liegen denn – bitte schön – die unterschiedlichen Interessen und Lebenswirklichkeiten von Menschen, die etwas selbst abholen wollen? Na gut, die mag es geben. Aber wie sollte man sie erstens beschreiben und zweitens berücksichtigen? Sind sie überhaupt wichtig?
Sie lügen, ohne es zu merken
Es ist ja nicht schlimm, wenn Politiker, Poeten sowie alle anderen, die gerne viel reden, sich mit unwichtigen Dingen befassen, schlimm ist, wenn sie uns zwingen wollen zuzuhören und wenn sie nicht aufrichtig sind. Wenn sie schummeln. Wenn sie aus Schlamperei oder Hinterhältigkeit einen wichtigen Unterschied nicht beachten. Genau das machen die Verfechter einer geschlechtergerechten Sprache: Sie unterscheiden grundsätzlich nicht zwischen Situationen, in denen Frauen und Männer unterschiedliche Interessen haben und Situationen, in denen sie gemeinsame Interessen und gemeinsame Lebenswirklichkeiten haben. Sie tun so, als hätten sie immer unterschiedliche Interessen.
Das unscheinbare Wort „allen“ hätte sie warnen müssen. Wenn etwas in allen Fällen gilt, wird es bedeutungslos. Mehr noch: Es wird zur Lüge – nämlich in den Fällen, in denen es gar keine Unterschiede gibt.
Gendersterne – das neue Make-up für die Sprache
Liebe Leser*innen!
Sie haben es bestimmt schon bemerkt. In letzter Zeit steigen überall kleine Sterne auf, so genannte Gendersterne, wie bei „Leser*innen“. Warum?
Der 8. Juni steht vor der Tür. An dem Tag – gemeint ist das Jahr 2018 – will sich der Rat für deutsche Rechtschreibung, der die amtliche Schreibweise von Worten festlegt, mit dem Thema „geschlechtergerechte Schreibung“ befassen. Dabei soll es auch um den Genderstern gehen, dem jetzt schon das Bett vorgewärmt wird. Im Vorfeld wird der Genderstern von manchen Erdbewohnern, zum Beispiel von Anna Dombrowsky, buchstäblich angehimmelt.
Katarina Barley wiederum ist die erste Stimme aus der Regierung, die sich für den Genderstern ausgesprochen hat. Sie ist nämlich unsere Kultusministerin … nein, stopp, stimmt nicht … sie ist unsere Frauenministerin und unsere Gleichstellungs- und Genderbeauftragte … nein, stimmt auch nicht. Sie ist unsere Justizministerin. So ist es richtig. Inzwischen ist sie auch nicht mehr die Justizministerin.
Sie weiß, wo es lang geht. Sie sagte: „Die Politik muss die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen berücksichtigen, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen.“ Wenn sie das sagt, gilt das auch. Wenn sie uns erklärt, was die Politik „muss“, dann sollten wir das ernst nehmen.
Ein Gerücht: Eine ominöse Debatte soll zu Veränderungen beigetragen haben
Ich habe es versucht. Ich hatte nur wenige Worte aus einer Meldung vom Tagesspiegel zitiert und kommentiert und war nicht weit gekommen, weil mir alles falsch vorkam. Meine Widerrede war etwas lang geworden. Der Textausschnitt, um den es ging, ist vergleichsweise kurz:
Der Tagesspiegel fragt: „Soll Geschlechtergerechtigkeit sich auch in den offiziellen Regeln der deutschen Sprache durch ein kleines Zeichen bemerkbar machen?“ Katarina Barley findet das gut. Sie freue sich, sagt sie, „über jede Veränderung, die dazu beiträgt, unseren Blick auf andere Formen von Identität und Lebensweisen zu entspannen“.
Bis dahin war ich mit meinem Senf gekommen, den ich unter dem Titel Krötenschlucken mit Katarina Barley dazugegeben hatte. Weiter nicht. Es war nur der Anfang der Meldung gewesen. Es geht noch weiter.
Katarina Barley sagte: „Die „Gender-Debatte“ habe zu Veränderungen viel beigetragen, gerade weil ihre Protagonistinnen und Protagonisten sich „gegen einen gesellschaftlichen Konsens“ gestellt hätten.
Hier muss ich wieder innehalten. Es ist schon wieder alles falsch. Es kommt mir vor, als würde ich jemanden beobachten, der auf dem Schwarzmarkt eine gefälschte Uhr anbietet, schließlich einen Kunden findet, der mit Falschgeld bezahlt und daneben stünde ein Polizist und klatschte Beifall. Es stimmt einfach gar nichts.
Zunächst einmal verstehe ich den Satz nicht. Das heißt aber nichts. Es kann durchaus sein, dass unsere Ministerin etwas Richtiges gesagt hat und ich der Dumme bin, der es nicht kapiert. Doch ich wüsste wirklich nicht, wieso die Gender-Debatte gerade deshalb so viel zu irgendwelchen Veränderungen beigetragen haben soll, weil sie sich „gegen“ den „gesellschaftlichen Konsens“ gestellt hat? Aber vielleicht ist es so.
Der Satz ist ein Spiegel-Labyrinth, in dem sich ein fragwürdiger Begriff in einem anderen ebenso fragwürdigen Begriff spiegelt. Herausgekommen ist eine Wurst mit zwei Enden: ein Satz, der vorne und hinten nicht stimmt. Vorne steht „Gender-Debatte“, hinten „gesellschaftlicher Konsens“. Wovon redet sie an der einen, wovon an der anderen Stelle? Wie passen die Enden zusammen? Ich weiß es nicht.
Gut, dass wir darüber geredet haben
Der Anfang ist eine glatte Lüge. Es gab – und gibt – keine Gender-Debatte. Jeder Ansatz zu so einer Debatte wurde von Feministen im Keim erstickt. Es gab lediglich einige nicht enden wollende Gender-Monologe in Ergänzung zu den Vagina-Monologen.
Bassam Tibi hat neulich geklagt, dass es in der deutschen Öffentlichkeit keine „Islam-Debatte“ gibt, sondern lediglich „Gezänk“. Das gilt auch für die Gender-Debatte. Da war nichts und ist nichts. Wenn Frau Barley nun so tut, als hätte es doch eine Debatte gegeben, die sogar Ergebnisse vorweisen kann, dann ist das nicht nur falsch, dann ist das … nun, da fehlen mir die Worte.
Die will ich bei anderer Gelegenheit suchen, sonst komme ich nicht voran. Ich will mir das andere Ende ansehen: den „gesellschaftlichen Konsens“. Welchen meint sie? Wir wissen es nicht – und können es nicht wissen. Denn es gibt nicht nur einen gesellschaftlichen Konsens, es gibt viele, die sich jeweils um unterschiedliche Fragen drehen.
Um welche Frage geht es? Eben das wissen wir nicht. Daher wissen wir auch nicht, was die Frage, zu der es den erwähnten gesellschaftlichen Konsens gibt, mit irgendeiner Frage zu tun haben könnte, die entsprechend dazu in der Gender-Debatte aufgeworfen wurde, die nicht stattgefunden hat.
Wir ahnen es. Es geht um den Genderstern und seinen Platz in den Regeln der deutschen Sprache. Gibt es da einen Konsens? Gibt es etwa einen Konsens in der Frage, was dieser Gender-Stern überhaupt bedeuten soll? Wie man ihn ausspricht? Gibt es einen Konsens in der Frage, an welcher Stelle eines Wortes der Stern auftauchen soll? Gibt es einen Konsens in der Frage, ob er regelmäßig angewendet werden soll oder nach Belieben? Nein.
Der Griff nach den Sternen ist ein Griff nach der Regel
Es gibt einen ganz anderen Konsens, den Katarina Barley sicherlich nicht meint. Aber ich. Ich meine den Konsens in der Frage, ob ein Eingriff in die Regeln der Sprache überhaupt möglich ist. In dieser Frage gibt es einen großen Konsens, einen sehr großen sogar, einen Mega-Konsens sozusagen, der in allen Gesellschaften und zu jeder Zeit Gültigkeit hatte und von jedem anerkannt wurde, der zur Sprachgemeinschaft gehörte. Der Konsens lautet, dass das Regelwerk einer Sprache nicht zur Disposition steht und grundsätzlich nicht freigegeben ist für Veränderungen, die sich irgendwelche Aktivisten wünschen, die sich gerade in einer Machtposition wähnen.
Gegen diesen Konsens kann sich niemand stellen. Wer es dennoch versucht, muss scheitern. Offenbar hat Katarina Barley das vor. Sie will am Regelwerk der Sprache rumpfuschen. Wenn sie das macht, kommt sie … nein, nicht etwa in Teufels Küche, sondern in die Hexen-Küche des Sprachfeminismus. Wenn man Grundregeln bricht, gibt es keinen Halt mehr. Neue Regeln haben dann so wenig Gültigkeit wie alte, das Verfallsdatum wird zum ständigen Begleiter.
Vielleicht ist ihnen aufgefallen, dass Katarina Barley von „Protagonistinnen und Protagonisten“ gesprochen hat. Warum nicht von „Protagonisten“? Oder von „Protagonist*innen“ mit *? Sie wünscht sich doch den Gender-Stern. Warum nicht an dieser Stelle? Wollte sie etwa sagen, dass Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen können, an der für sie so wichtigen Gender-Debatte gar nicht teilgenommen haben? Waren sie etwa keine „Protagonistinnen“ und keine „Protagonisten“ dieser Debatte? Waren Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen können, von dieser legendären Debatte ausgeschlossen? Oder ist das nicht so gemeint? Soll die Verwendung des Sterns eine Aussage haben oder nicht?
Katarina Barley weiß es auch nicht. In der feministischen Hexenküche herrscht Chaos. Da kocht immer gerade irgendetwas über. Die Formulierungen, die da zusammengebraut werden, taugen nichts. Damit kann man über Geschlechterthemen nicht mehr differenziert und ergebnisoffen reden.
Weißt du, wie viel Sternlein stehen?
Sehen wir uns die Möglichkeiten an. Wie soll es denn nun heißen? „Protagonistinnen und Protagonisten“? Oder „ProtagonistInnen“ mit Binnen-I? Oder „Protagonist_innen“ mit Unterstrich? Oder „Protagonist*innen“ mit Genderstern in der Mitte oder mit Genderstern am Ende? Die willkürlich ausgedachten Regeln kommen sich zunehmend gegenseitig ins Gehege. Sie widersprechen einander. Keine kann Gültigkeit beanspruchen. Keine funktioniert. Wenn das die Lösungen sein sollen, möchte ich lieber wieder das Problem haben.
Wo gehört das Sternchen überhaupt hin? Überall hin? Das ist eine „gute Frage“, wie man heute gerne sagt. Soll der Gender-Stern auch dann eingesetzt werden, wenn Personen, die sich keinem Geschlecht zuordnen können, in dem Zusammenhang keine Rolle spielen? Soll ein Gender-Stern immer leuchten? Dann hätten wir nicht nur hier und da ein kleines Sternchen, dann hätten wir einen Sternenhimmel, in dem ein einzelner Stern nicht mehr auffällt.
Ich überlege noch, wie ich die Frage so formulieren kann, dass sie nicht wie ein naheliegender, aber womöglich als frauenfeindlich geltender Witz wirkt. Es ist die entscheidende Frage. Sie lautet: Sollen diejenigen, die sich keinem Geschlecht zuordnen können, „in der Regel“ erwähnt werden?
Das sähe dann so aus, wie in der Ankündigung eines kostenlosen Workshops zur neuen Datenschutz-Grundverordnung. Da heißt es: „Der Workshop richtet sich primär an Literaturveranstalter*innen sowie Solo-Selbständige der Literaturbranche wie freie Autor*innen, Lektor*innen, Übersetzer*innen.“
Hier sind die Sterne überall gesetzt. Wenn also bei den interessierten Autoren, Lektoren und Übersetzern jemand dabei sein sollte, der sich keinem Geschlecht zuordnen kann, dann darf der oder die oder das sich getrost angesprochen fühlen. Denn der oder die oder das wird durch die Einladung ausdrücklich nicht ausgegrenzt. Vielleicht ist es eine überflüssige Rücksichtnahme, weil von denen, die sich keinem Geschlecht zuordnen können, sowieso keiner, keine oder keines an dem Workshop interessiert ist und wenn doch, dann legt er oder sie oder es womöglich keinen Wert auf einen Stern. Aber es ist gut gemeint.
Wie aber verhält es sich mit der Ankündigung einer Veranstaltung im Literaturkeller in Berlin zum Gedenken an Günter Herburger? Da hieß es: „Freunde*innen, Weggefährten*innen und Leser*innen erinnern (sich) an den Dichter, der am 3. 5. 2018 starb.“
Die Literaten aus dem Keller üben noch, das merkt man. Haben sie es richtig gemacht? Muss es „Freund*innen“ oder „Freunde*innen“ heißen, „Weggefährt*innen“ oder „Weggefährten*innen“? Wie auch immer. Viel interessanter ist die Frage, was uns die Sterne in diesem Fall sagen wollen.
Bei dem Workshop handelt es sich um eine Einladung, da sollen uns die Sterne zeigen, dass niemand, der sich keinem Geschlecht zuordnen kann, ausgeschlossen werden soll. Bei dem Literaturkeller ist das anders. Da wird eine Ankündigung gemacht. Sollen die Sterne etwa zeigen, dass sich unter den angekündigten Weggefährten, Lesern und Freunden Personen befinden, die sich keinem Geschlecht zuordnen können und Wert darauf legen, dass das in der Ankündigung berücksichtigt wird?
Oder ist es gar nicht so? Ist es vielmehr so, dass die angekündigten Weggefährten, Freunde und Leser ganz genau wissen, welchem Geschlecht sie sich zuordnen wollen und die Gendersterne in ihrem Fall gänzlich fehl am Platze sind?
Dann hätte der Buchhändlerkeller sie falsch bezeichnet und schlecht angekündigt. Kriegt man sein Eintrittsgeld zurück, wenn man extra deswegen angereist ist und dann enttäuscht feststellen muss, dass unter den angekündigten „Weggefährt*innen“, „Leser*innen“ und „Freund*innen“ niemand dabei ist, der sich keinem Geschlecht zuordnen kann?
Geisterschiffe mit namenlosen Untoten an Bord
Katarina Barley hat es auch falsch gemacht, als sie von „Protagonistinnen und Protagonisten“ gesprochen hat. Das war nicht anders zu erwarten. Die Gender-Sprache verführt leicht zu falschen Sätzen. Was hat sie diesmal falsch gemacht?
Ich sagte ja schon, dass es keine Gender-Debatte gab. Es gab kein Thema, unter dem so eine Debatte gestanden hätte; es gab keine Fragestellung, die bei so einer Debatte aufgeworfen worden wäre. Es gab auch niemanden, der an so einer Debatte teilgenommen hat. Die Gender-Debatte, von der Barley behauptet, dass es sie gab, ist ein Geisterschiff mit namenlosen Untoten an Bord.
Wenn wir von ihr hören, dass es dabei „Protagonistinnen und Protagonisten“ gegeben hat, dann wirkt es auf den ersten Blick so, als hätten sich da zwei Lager gegenübergestanden, wie man das bei einer echten Debatte erwartet: Auf der einen Seite die Befürworter, auf der anderen Seite die Gegner; auf der einen Seite Frauen, auf der anderen Männer.
Aber es gab diese Personen nicht. Wenn wir bei Katarina Barley nachfragen und sie bitten würden, uns einige Namen der Protagonistinnen und Protagonisten zu nennen – wetten, dass sie keinen einzigen nennen könnte!
Warum spricht sie trotzdem von „Protagonistinnen und Protagonisten“, obwohl es diese Personengruppe nicht gibt? Weil sie es aus Prinzip tut. Weil sie es „in der Regel“ tut. Weil sie den feministischen Sprachvorgaben folgt. Da ist es nicht so wichtig, ob es eine Personengruppe, über die man spricht, tatsächlich gibt und wie bedeutend sie ist. Wichtig ist allein, wie sie bezeichnet wird.
Sie reden dann von „Gästinnen und Gästen“ und von „Mitgliedinnen und Mitgliedern“, auch wenn es sprachlich keine „Gästin“ und keine „Mitgliedin“ gibt. Sie reden von gefallenen „Soldatinnen und Soldaten“, auch wenn unter den 166 Bundeswehrsoldaten, die seit 1992 ihr Leben lassen mussten, keine einzige Frau ist. Manchmal verplappern sich Politiker und reden von den lieben „Wählerinnen und Wählerinnen“, einfach so, weil das automatisch so durchrattert. Sie merken es nicht einmal.
Das Weib will nicht die Wahrheit, heißt es bei Schopenhauer. Damit sagt er nicht, dass Frauen lügen (auch wenn er das vielleicht an anderer Stelle tut, das weiß ich nicht …), er sagt zunächst nur, dass Wahrheit nicht ihr Ideal ist. Wahrheit ist auch ein heikles Ideal. Vielleicht gefällt sie uns nicht, wenn wir ihr begegnen.
Wahrheit hat man nicht, man kann sie nur anstreben, man kann sie nicht für sich beanspruchen. Aber „das Weib“, wie Schopenhauer sagte (zu seiner Zeit war das die normale Rede), strebt nicht gerne in Richtung Wahrheit. Es könnte sein, dass die Wahrheit nicht gut aussieht. Angestrebt wird das, was gut aussieht. Das, was sich im Moment gut anfühlt. Angestrebt wird, was aktuell korrekt scheint – nicht das, was sich bei genauem Hinsehen als wahr erweist und dann womöglich nicht gefällt. Natürlich wollen alle, wie es heute heißt, „Gesicht zeigen“, aber sie wollen sich vorher schminken.
Das Gendersternchen ist das neue Make-up für die Sprache. Es geht nur um das Erscheinungsbild. Nicht um den Inhalt. Das Erscheinungsbild der Sprache wird mit Gendersternen bis zur Unkenntlichkeit mit moralischem Glitzer und mit falschem Toleranz-Glanz überschminkt. Die politisch korrekte Sprache sieht aus wie eine gealterte Nutte.
Sätze mit einem Genderstern sind irreführend oder falsch. Sie werden durch die kleinen Sternchen mit einem Firnis von Heuchelei überzogen.
Die Ähnlichkeiten zwischen Gender- und Corona-Sprachregelungen sind nicht zufällig. In beiden Fällen fahren wir nun schon viel zu lange in die falsche Richtung und fragen uns: Wir kommen wir da wieder raus?
Kommen wir jemals wieder raus aus den Fesseln, die uns durch den „Krieg der Sterne“ und durch die Gebote des „Genderns“ auferlegt wurden? Werden wir jemals wieder „normal“ und „frei“ sprechen?
Kommen wir jemals wieder raus aus den Fesseln der AHA-Regeln? Werden wir eines Tages wieder frei atmen und ohne Masken tanzen? Werden wir uns wieder unbeschwert versammeln? Werden wir zu einem Umgang miteinander zurückfinden, der uns eine Nähe ermöglicht, die wir früher für absolut „normal“ hielten und von der wir nicht erwartet hätten, dass sie uns jemals abhandenkommen könnte?
Wie sind wir da überhaupt reingekommen?
Die Sprachregelungen habe ich schon lange im Auge. Das hat es mir leicht gemacht, Ähnlichkeiten mit dem Dilemma der Corona-Maßnahmen zu erkennen. Wir sind in beiden Fällen von falschen Voraussetzungen ausgegangen und fahren nun schon viel zu lange in die falsche Richtung. Mit Vollgas.
Es hat nie eine Stimme mit erotischem Unterton aus dem Navi gegeben, die uns empfohlen hätte: „Bei der nächsten Gelegenheit bitte wenden!“ Wir haben sämtliche Gelegenheiten zur Einkehr und Umkehr verpasst und sind stur weitergerast.
Wie konnte es dazu kommen? Wie hat es angefangen? Manchmal erkennt man an den Anfängen, in statu nascnedi, eine neue Erscheinung in seiner Reinform und Schlichtheit. Wir können es ja mal versuchen. Wenn wir an die Quellen gehen, verstehen wir vielleicht besser, worum es überhaupt geht und was die Absichten dahinter waren.
Was zeigt uns die Geschichte?
Die genauen Termine können wir nachvollziehen, die sind unstrittig. Was zeichnet sich da ab? Was sehen wir, wenn wir rückblickend die zeitlichen Abläufe unter die Lupe nehmen? Gab es da Momente, bei denen uns eine Stimme hätte warnen und zur Umkehr auffordern müssen?
Wie sieht die Geschichte der Maßnahmen zur Sprachregelung aus? Die habe ich mir an den verschiedenen Eintragungen auf Wikipedia nachvollzogen. Ein weites Feld. Voller Unkraut. Quälende Lektüre. Dazu kann ich viel sagen.
Die Geschichte der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise kenne ich nicht so gut. Darauf werde ich nicht so detailliert eingehen, auch wenn ich sie stets im Hinterkopf behalte. Hier ist es besonders aufschlussreich, sich auf der Zeitachse die Chronik der laufenden Ereignisse anzusehen und ein paar Fragen zu stellen:
Wie hat es angefangen? Wie ist es weitergegangen? Ab wann wurde ein Impfstoff entwickelt und ab wann propagiert? Wann gab es den ersten PCR-Test? Wann die ersten Fälle? Wann die Ausrufung einer pandemischen Notlage? Was war dem allen vorangegangen? Gab es Planspiele? Wann – und warum? – wurde die Definition, was unter einer „Pandemie“ zu verstehen ist, geändert?
Die Mittel verraten die Wahrheit über den Zweck
Bei unseren Rückblicken sollten wir den Satz von Hegel im Hinterkopf behalten, der gesagt hat: „Die Mittel verraten die Wahrheit über den Zweck“, was uns womöglich an den abgenudelten Spruch „Der Weg ist das Ziel“ erinnert und uns wie eine Banalität vorkommt.
Wir war es im Corona-Jahr? Haben die „Mittel“ – PCR-Test, Lockdown, Maskenpflicht, App –, ihren „Zweck“, für vorauseilenden Schutz der Bevölkerung vor Krankheit und Tod zu sorgen, tatsächlich erfüllt oder haben sie in Wahrheit einem anderen Zweck gedient? Haben sie mehr Schaden gebracht als Nutzen?
Solche Fragen stellen sich auch beim Blick auf die Maßnahmen zur Regulierung der Sprache für unseren täglichen Gebrauch. Die gab es nicht erst im letzten Jahr.
Niemand wehrte den Anfängerinnen
Wann fing das Unglück mit dem Sprachfeminismus an? Der – vermutlich – erste Vorstoß zur Durchsetzung einer sogenannten geschlechtergerechten Sprache stammt aus Hessen aus dem Jahre 1984. So lange ist das her, verdammt lang her. Die damalige SPD-Regierung unter Holger Börner wollte durch einen „Runderlass“ zur „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Vordrucken“ erreichen, dass künftig „generische Maskulinformen“ gemieden werden. Das war das ausdrückliche Ziel dieser neuen Maßnahme: die Vermeidung der generischen Maskulinform.
Die Hessen waren womöglich die ersten, aber nicht die einzigen. In anderen Bundesländern zeigte sich dasselbe Bild. Etwa in Bremen: „ … der generische Gebrauch männlicher Formen von Personenbezeichnungen“ wurde „für unerwünscht erklärt“.
Damals war noch kein Gendersternchen am Horizont zu erkennen. Eine ‚Bibel in gerechter Sprache‘ gab es auch nicht, die erschien erst 2006. Das Zauberwort gender mainstreaming war ebenfalls unbekannt, erst mit der Weltfrauenkonferenz im Jahr 1995 ging der Zauber so richtig los.
Es waren also – aus heutiger Sicht gesehen – düstere Zeiten, in denen die Deutschen noch nicht zum richtigen Bewusstsein erwacht waren, noch nicht woke genug waren und nicht die passenden Formulierungen auf der Zunge hatten. Doch die Stoßrichtung war schon damals klar: Die generische Maskulinform sollte gemieden werden, als hätte eine Stimme zu uns gesprochen und uns ermahnt, dass wir von allen Früchten aus dem Garten der Grammatik kosten dürften, nur von einer Frucht nicht – vom generischen Maskulinum.
Was ist eigentlich Gendern?
Immerhin können wir nun deutlich das erste Gebot des Genderns erkennen und können festmachen, worum es dabei im Kern geht: Gendern bedeutet, alles zu versuchen, um das generische Maskulinum zu meiden. Warum sollte man das tun? Gute Frage. So sagt man gerne. Es ist wirklich eine gute Frage, es gibt aber keine guten Antworten.
Damals waren engagierte Frauen am Werk – und an der Macht. Offenbar sahen sie das generische Maskulinum als neue Bedrohung, obwohl es weder neu noch bedrohlich war. Doch sie haben es so empfunden und stellten sich vor, dass ein sensibles Sprechen, das den Frauen gerecht wird, nur dann möglich wird, wenn wir uns gänzlich von diesem unheilvollen generischen Maskulinum freihalten.
Das waren keine besonders guten Gründe. Die gab es nicht. Damals nicht. Heute gibt es sie auch nicht. Es war grober Unfug. Dennoch hat man sich darauf eingelassen. Warum auch immer. Nun haben wir es mit einem Rattenschwanz von Folgeschäden zu tun.
Der grobe Unfug wird unbeirrt fortgesetzt. Auch bei aktuellen Initiativen geht es darum, das generische Maskulinum zu meiden und nach Möglichkeit abzuschaffen. Etwa bei den Neuerungen im Duden-online oder beim Leitfaden der Bonner Gleichstellungsbeauftragten – nur ein Beispiel von vielen –, die aus einem „Fahrzeughalter“ eine „Fahrzeughaltende Person“ machen und aus der „Teilnehmergebühr“ die „Teilnahmegebühr“. („Leidfaden“ wäre vermutlich der bessere Ausdruck).
Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei der Beamtin
Zunächst machte es einen unverfänglichen Eindruck und wirkte eher unbedeutend. Da gab uns die Behörde einen fürsorglichen Hinweis, etwas, über das wir uns bisher keine Gedanken gemacht hatten, in Zukunft nicht mehr zu benutzen, das heißt, wir konnten nach wie vor machen, was wir wollten. Die Regelung sollte zunächst nur für Beamte gelten – Stopp, schon falsch!
Es sollte ab jetzt heißen: für „Beamtinnen und Beamte“. So sahen es die neuen Vorschriften vor: „ … so soll entweder eine neutrale Form verwendet werden (z. B. Lehrkraft) oder die weibliche und männliche Form aufgeführt werden (Lehrerinnen und Lehrer, Antragstellerin/Antragsteller).“ Also: keine generische Maskulinform mehr in den Amtsstuben.
Eine defekte Sprache wird zur neuen Normalität
So fing es an. Von den Amtsstuben aus verbreitete sich der neue Sprachgebrauch wie … wie … ich bin versucht zu sagen: wie ein Virus. Nun müssen wir uns mit den Folgefehlern herumschlagen und mit dem Schaden, der damit angerichtet wurde. Denn es hatte sich damit ein Problem aufgetan, das nicht zu lösen ist: Es mussten Ersatzformen für das generische Maskulinum (kurz: GM) gefunden werden. Das ist unmöglich.
Sehen wir uns die unbrauchbaren Ersatzteile an, mit denen man es bisher versucht hat: Doppelnennung, Doppelpunkt, Binnen-I, Unterstrich, Schrägstrich, Klammer, Generalklausel … neuerdings mit Sternchen. Alles Murks. Ob das hier die ultimative Lösung ist?
Man kann aus einem System, in dem alle Teile aufeinander bezogen sind, nicht einfach ein Teil davon „meiden“, es ersetzen oder gar entfernen. Hier drängt sich der Vergleich mit einem Kartenhaus auf, das sofort einstürzt. So ein Bild erscheint mir jedoch zu dramatisch. Denn so leicht geht das Gerüst der Sprache nicht kaputt. Doch wir haben es seither mit einer Sprache zu tun, der vorsätzlich ein Defekt zugefügt wurde.
Was waren die Mittel? Was war der Zweck?
Auch hier stellen sich die Fragen nach den Mitteln und nach dem Zweck. Welchen Zweck sollte es haben, das GM zu meiden und zu ersetzen? Man kann ein zentrales Element der Grammatik nicht ersetzen, ohne einen hohen Preis zu zahlen und Verwüstungen in Kauf zu nehmen. So geschah es dann auch. Das sowieso schon miserable Beamten-Deutsch wurde durch die Einführung von GM-Prothesen noch miserabler. War das der eigentliche (wenn auch nicht eingestandene) Zweck?
Wir können heute auf eine Schleimspur der Verwüstung zurückblicken. Wenn die Sprache leidet, leidet auch die Kommunikation, die Möglichkeit zu einem fairen Dialog. Wenn der Dialog leidet, leidet die Freiheit und vor allem wird der Mechanismus der Wahrheitsfindung beschädigt, der auf einen unvorbelasteten Austausch von unterschiedlichen Positionen angewiesen ist.
Die Gesellschaft wurde durch „geschlechtergerechte Sprache“ streng in zwei Lager aufgeteilt, die sich am Sprachgebrauch zu erkennen geben konnten. Man musste nur einen Plural bilden, schon war klar, auf welcher Seite man steht. Die Dialoge wurden zu einem Machtkampf, in dem es nur noch darum geht, dem anderen seine Sprechweise und die implizierten Inhalte aufzudrängen. War das vielleicht sogar der eigentliche Zweck?
Echte Probleme und Probleme der Wahrnehmung
Manche Probleme sind nur schwer zu lösen, weil es knifflige Probleme sind. Manche lassen sich nicht lösen, weil es keine echten Probleme sind, sondern lediglich Probleme der Wahrnehmung. Probleme der richtigen Definition. Würde man das Verständnis dieser Probleme ändern, hätte man sie nicht mehr. Zumindest nicht mehr in der Größenordnung. Dann würde sich auch die Frage, mit welchen Mitteln man reagieren soll, ganz neu stellen.
Exit Corona
„Bitte wenden!“ Um die Corona-Krise durch Neubewertung zu beenden, müssten wir in das Jahr 2009 zurückgehen und die Definition, die eine Pandemie allein schon von der großen Verbreitung eines Virus‘ abhängig macht und nicht von der tatsächlichen Gefährlichkeit und Sterblichkeit, noch mal überdenken.
Eine eigenständige Meinung kann ich in dem Fall nicht vortragen, das muss ich auch nicht, ich kann mich vertrauensvoll an all die anschließen, die ich für kompetent halte. Leser von Achgut.com muss ich auf das Buch von Gunter Frank nicht extra hinweisen. Es gibt durchaus fundierte Kritik an den „Mitteln“ und es gibt eine gute Frage von Milosz Matuschek, zum „Zweck“: „Sorry, vielleicht ist es eine dumme Frage. Aber was ist eigentlich das Ziel der Anti-Covid-Maßnahmen?“
Wir müssen uns solche Fragen stellen, wenn wir zur Wahrheit finden wollen. Nur wenn wir die Verzerrungen rückgängig und uns ein realistisches Bild von der Bedrohung machen, das von sämtlicher Propaganda bereinigt ist, können wir den Gefahren sinnvoll begegnen. Sonst kämpfen wir gegen Windmühlen.
Exit Gender
Wenn es um Sprache geht, können alle mitreden. Gerne. Ich bin jederzeit bereit, mit jedem, der sich für das Gendern stark macht, zu diskutieren und ihm geduldig zu erklären, warum ich das Unterfangen für ein einziges Unglück halte. Wer traut sich? Ich bin mir sicher: Das Gendern kann man komplett bleibenlassen, egal mit welchen neuen Raffinessen und Stilblüten es weiterhin aufrechterhalten werden soll und welche Ausweichmanöver gefahren werden, wenn man die Maßnahmen irgendwie begründen will.
Alle bisher angebotenen Ersatzformen haben sich nicht etwa als Fixsterne erwiesen, sondern als Sternschnuppen. Sie sind nicht nur, wie man leicht voraussagen kann, die Peinlichkeiten von morgen, mehr noch: In unserer schnelllebigen Zeit sind sie schon die Peinlichkeiten von heute.
„Bitte wenden!“ Um aus dem Gendern auszusteigen, müssten wir zurück ins Jahr 1984 reisen und dem Gebot, das GM grundsätzlich zu meiden, in aller Deutlichkeit widersprechen. Nein, das tun wir nicht. Weil es nicht geht und weil wir es nicht wollen. Den Anordnungen von damals lag eine falsche Einschätzung zugrunde. Sie war idiotisch, größenwahnsinnig und kurzsichtig. Es wird Zeit, die alten Hüte wieder loszuwerden.
Fangen wir mit kleinen Schritten an. Verwenden wir das GM so oft wie möglich. Wir werden befreit durchatmen und uns wohlfühlen, wenn wir sprechen.
Mit der Sprache fängt es an. Sie ist ein Frühwarnsystem, das leicht nachvollziehbar herannahende Fehlentwicklungen in einer Sprachgemeinschaft anzeigt. Hier, ganz besonders hier, ist die Parole „Wehret den Anfängen“ angebracht.
Es gibt einen Vorteil: Wenn es um Sprache geht, dann können wir alle mitreden und müssen nicht vor Experten kuschen. Wir sollten auch mitreden. Es geht uns schließlich alle an.
Die Anfänge haben wir längst hinter uns, wie weit wir schon vorangeschritten sind, zeigt sich beispielhaft an der Ausdrucksweise der Fernseh-Berühmtheit Sarah Bosetti, die zuletzt zum Ende des Jahres zusammen mit Christian Drosten ein paar Späßchen gemacht hat.
Vorhang auf für den Bosetti-Salto
Ich habe ab und zu mal Videos von ihr angesehen und mehr und mehr ist mir deutlich geworden, dass sich an ihrem Sprachgebrauch die Misere, in der wir gerade stecken, besonders gut ablesen lässt. Hier spürt man, wie sehr die Stimmung im Lande verdorben ist.
Sarah Bosetti zeigt, wie das Gendern die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt, obwohl es vorgibt, eine Sprechweise zu sein, die diskriminierungsfrei und daher „gerecht“, „sensibel“ und moralisch überlegen ist. Doch das Gegenteil trifft zu.
Sie ist eine erstaunliche Sprachkünstlerin. Sehen Sie selber, staunen Sie, wundern Sie sich – Trommelwirbel, Vorhang auf: Sie wird uns nun den rasanten Bosetti-Salto vorführen. Sogar doppelt.
Doch zuvor etwas über Elche.
Was man über Elche wissen sollte
„Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“ Diesen Merkspruch verdanken wir F.W. Bernstein. Bei Sarah Bosetti liegt der Fall anders, hier könnte man sagen: Die schärfste Kritikerin der Elche hat sich wenig später selbst als Elch erwiesen (oder muss es Elchin heißen?).
Sarah Bosetti ist bekannt für besonders scharfe Kritik an allem, was als „rechts“ gilt, was „irgendwie nazi“ ist. Doch nun ist es passiert, sie hat „Autobahn“ gesagt … nein, „Eskimo“ … nein, „Indianerhäuptling“ … nein, „Zigeunerschnitzel“ … auch nicht; sie hat „Blinddarm“ gesagt. Nicht so schlimm. Das darf man sagen. Es kommt allerdings auf den Zusammenhang an.
Sie hat von der Spaltung der Gesellschaft gesprochen (ab Minute 4, Kommentar dazu hier), die ihrer Meinung nach nicht so schlimm ist, wenn dabei nur ein kleiner Teil abgespaltet wird, nämlich ein Teil „weit rechts unten“.
Der Blinddarm kann weg
Damit hatte sie die Ungeimpften gemeint („wir alle wissen, wer Schuld an dieser vierten Welle trägt“ …), also alle, die sowohl ungeimpft und zugleich „rechts unten“ sind. Diese neu entdeckte Bevölkerungsgruppe mit den beiden Merkmalen „ungeimpft“ und „rechts unten“ betrachtet sie als „Blinddarm“: „Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essenziell für das Überleben des Gesamtkomplexes.”
Für sich genommen ist der Satz richtig. Blinddarmoperationen sind recht häufig. Der Legende nach können die zur Not von einem Kapitän auf hoher See bei Windstärke Neun durchgeführt werden – der Matrose kann dann überleben.
Das böse Teil und das gute Ganze
Doch worum geht es hier? Was ist mit „Gesamtkomplex“ gemeint? Der menschliche Körper – etwa der eines Matrosen – oder im übertragenen Sinne der Körper der gesamten Gesellschaft? Und was ist mit „Blinddarm“ gemeint?
Der SS-Arzt Dr. Fritz Klein nannte den Gesamtkomplex „Menschheit“, und die Juden waren für ihn der entzündete „Blinddarm“. Er schrieb seinerzeit: „Aus Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben würde ich einen eiternden Blinddarm aus einem kranken Körper entfernen. Der Jude ist der eiternde Blinddarm im Körper der Menschheit.“
Einige aufmerksame Beobachter wie zum Beispiel Don Alphonso, Reitschuster, Tichy, Danisch, Klonovsky (auch auf indubio wurde es erwähnt …) sind hellhörig geworden und haben eine bemerkenswerte Übereinstimmung festgestellt: Sarah Bosetti und der SS-Arzt Klein gebrauchen dieselbe Metaphorik.
Aus der Tiefe des Herzens
Daraufhin hat Sarah Bosetti ein Video nachgelegt (Kommentar dazu hier), um sich „ehrlich“ zu entschuldigen, nicht nur ehrlich, sondern auch „aus tiefstem Herzen“.
Allerdings ist mir die Tiefe ihres Herzens nicht geheuer. Mir haben von Anfang an die Untertöne zugeflüstert, dass sie sich nicht entschuldigen würde. Ich höre nicht nur mit den Ohren.
So kam es auch. Sie entschuldigt sich nicht. Sie rüstet auf. Ich habe ihr den falschen Zungenschlag sofort angemerkt. Merken Sie es auch? Testen Sie sich selbst: hören Sie kurz rein.
Männer mit angehängten Innen-Schwänzen
Was sagt sie? Zunächst überzieht sie ihre Kritiker mit übler Nachrede, stellt sie als Zeitgenossen mit menschlichen Makeln dar und erklärt unmissverständlich, dass sie mit diesen „absichtlichen Falschversteherinnen“ grundsätzlich nicht redet.
Wer von denen, die sie gerade erst namentlich erwähnt hatte, damit gemeint ist, bleibt allerdings ihr Geheimnis. Denn es sind alle keine „absichtlichen Falschversteherinnen“ – „-innen“ schon mal gar nicht.
Es sind Männer. Doch ohne Innen-Schwänze macht es Sarah Bosetti nicht, egal ob sie angebracht sind oder nicht. Wenn keine Innen-Schwänze da sind, bringt sie kurzerhand selber welche an.
Sie geht mit schlechtem Beispiel voran
Falschbezeichnungen und Falschbeschuldigungen gehören zu den herausragenden Kennzeichen der feministischen Rhetorik – und zur Gender-Sprache. Und damit sind wir an dem Punkt angelangt, an dem ich mit ihr überkreuz bin.
Ich halte das Gendern für ein einziges Unglück. Ich sehe darin den Versuch, ein in sich geschlossenes Lügengebäude zu konstruieren, bei dem es immer schwerer und vielleicht sogar unmöglich wird, das Gebäude wieder zu verlassen und frei zu reden – und zu denken.
Sarah Bosetti wiederum gehört zu denen, die besonders heftig für das Gendern trommeln und trompeten. Sie geht mit schlechtem Beispiel voran, gendert selber und zeigt uns anhand der sprachlichen Unfälle, die sie dabei verursacht, wohin das führt.
Zwei verfeindete Lager
Bei ihr spürt man deutlich die Aggression, die auch bei anderen Befürwortern des Genderns vorzufinden ist. Sobald ich ein Video von ihr öffne, sinkt die Raumtemperatur um mindestens vier Grad. So sehr wirkt sich der Kältestrom aus, der von ihr ausgeht.
Sie wirkt genervt, klagt an, beschuldigt und schimpft über die deutschen, weißen, heterosexuellen Cis-Männer ohne Behinderung, die uns den ganzen Ärger überhaupt erst eingebrockt haben. Sie lästert über alle, die geistig träge, unflexibel oder einfach nur rückständig sind, oder aus anderen niederen Motiven nicht mitmachen wollen, wenn es darum geht, sich zu unterwerfen, endlich auch so zu gendern, wie sie es vormacht und damit die Gesellschaft zu spalten.
Erst spalten, dann …
Denn genau das passiert: Gendern spaltet. Eine „tiefer werdende Spaltung der Sprache“, hatte Wolfgang Thierse im April 2021 beklagt. Zu recht. Man hätte es auch schon früher merken können, viel früher. Spalten ist das erste Gebot des Genderns.
Zunächst wird ein Keil zwischen dem guten „Weiblichen“ und dem bösen „Männlichen“ geschlagen. Außerdem kommt es zu einer Spaltung zwischen denen, die gendern und denen, die es nicht tun. Der Spalt wird immer tiefer. Die Königskinder kommen nicht mehr zusammen, das Wasser ist zu tief geworden.
Es haben sich zwei Lager gebildet. Bei jeder Pluralbildung geben sie sich zu erkennen und bestätigen durch ihren Sprachgebrauch, dass sie die Spaltung anerkennen und für unüberwindlich halten. Oh weh, jetzt habe ich gerade „Lager“ gesagt.
… was dann?
Mit der Sprache fängt es an. Sie ist, wie gesagt, ein Frühwarnsystem, um Fehlentwicklungen in der Sprachgemeinschaft zu erkennen. Wohin ein forciertes Befürworten von Spaltungen führt, war mir auch ohne ein Fundstück aus der NS-Zeit klar:
Die ständige Beschwörung einer Spaltung führt zu einem unerbittlichen Gegeneinander, führt zur Feindschaft. Am Ende heißt es nur noch: Weg damit! Sie haben es nicht besser verdient.
Man wird doch wohl noch „Blinddarm“ sagen dürfen
Sarah Bosetti verteidigt sich wacker. Die einzige Gemeinsamkeit von ihr und diesem SS-Arzt, so meint sie, bestünde darin, dass sie beide „Blinddarm“ gesagt hätten, und „Blinddarm“ wäre für sich genommen kein N-Wort. Stimmt.
Um es zu einem Nazi-Wort zu machen, müsse man es auch wie ein Nazi benutzen, und das, meint sie, hätte sie nicht getan, während ihre Kritiker der Ansicht sind, dass sie es eben doch getan hat. „Nazi-Rhetorik wird es da, wo man Menschen als zu entfernende und zu vernichtende Krankheit degradiert“, sagt sie. Eben.
In ihrem Entschuldigungs-Video wiederholt sie in voller Länge, was sie gesagt hat und bestätigt (vermutlich ohne es selbst zu merken) die Übereinstimmungen, die ihr vorgehalten werden und fügt ihnen noch ein Ausrufezeichen hinzu: Der kranke Blinddarm soll weg, damit der Körper überlebt. Das ist die Botschaft.
Blinddarm hier, Blinddarm da
Es sind Menschengruppen, die durch den Vergleich mit einem Blinddarm als Krankheit gesehen werden.
Ihre Entschuldigung ist in Wahrheit eine Eskalation, die mit den Worten schließt: „Aber, okay, ihr habt mich soweit, ich gebe auf, ich möchte mich hiermit in aller Form für meine Worte entschuldigen. Es tut mir leid, liebe Blinddarme dieser Welt: diesen Vergleich hattet ihr wirklich nicht verdient.“
Was zeigen Vergleiche?
Vergleiche zeigen Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Es gibt Gemeinsamkeiten in der Wortwahl, die ins Auge springen. Es gibt aber auch Unterschiede: Der SS-Arzt Klein spricht davon, dass er – er ist schließlich Arzt – den schmerzhaften Eingriff selber vornehmen und den eiternden Blinddarm entfernen würde.
Das sagt Sarah Bosetti nicht: Sie stellt noch einmal ausführlich klar, was sie gesagt hat, na, ja, okay, nicht wörtlich, so hatte sie es nicht gesagt … aber so hätte sie es eigentlich sagen wollen, so will sie es jedenfalls verstanden wissen, also:
„Ich habe gesagt: Ihr, die ihr die Spaltung wollt, die ihr euch abspalten wollt, macht doch, wir kommen auch ohne euch klar.“
Ich verstehe das so: Der Matrose lebt weiter. Der Blinddarm geht über Bord.
Der Blinddarm will das so
Haben Sie den Unterschied bemerkt? Mal wird ein Blinddarm operativ entfernt, mal geht er von alleine, weil er das will. So kennen wir den Blinddarm – oder? Der geht einfach. Der macht, was er will, Tschüß Blinddarm, time to say goodbye. Wohin mag er gehen? Egal. Er wollte es. Soll er doch sehen, wo er bleibt.
Was sie damit sagt, kann man so übersetzen: Selber schuld. Alle, die ihr heute ausgegrenzt, geschädigt, drangsaliert, ruiniert, verfolgt, bestraft, genötigt, erpresst, angeklagt, beschimpft, bedroht, eingesperrt und abgetrennt werdet: selber schuld. Ihr habt es nicht besser verdient. Außerdem: Ihr wolltet es ja selber so. Wir richten uns da nur nach euren Wünschen.
Da haben wir sie: die Aktiv-Passiv-Verdrehung, die gefürchtete Täter-Opfer-Umkehrung, wie wir sie von Feministinnen kennen. Ein eindrucksvoller Bosetti-Salto war das: Applaus!
Kritik ist Kritik. Spaltung ist Spaltung
Sarah Bosetti findet es nicht schlimm: „Das ist kein Aufreger“, meint sie. An die Adresse der Blinddarme gerichtet, erklärt sie: „Das ist nach eurem unsolidarischen Verhalten der vergangenen Monate bis Jahre eine Kritik, die ihr euch gefallen lassen müsst.“
Abgespaltet zu werden wäre demnach eine „Kritik“, noch dazu eine, die man sich „gefallen lassen“ muss. Eine Frage hätte ich da noch zur zeitlichen Reihenfolge: Das kritikwürdige Verhalten zeigte sich ja schon seit „Jahren“ – ab wann genau? Gilt jemand, der noch bis vor Kurzem den offiziellen Verlautbarungen Glauben geschenkt hat, dass es keine Impfpflicht geben würde und sich darauf eingestellt hat, auch schon als unsolidarisch?
Ab wann wäre die rote Linie überschritten, nach dem ein gutmütiges Vertrauen in die Obrigkeit zu einem kritikwürdigen und unsolidarischen Verhalten wird? Okay: Ich ziehe die Frage zurück (ich rechne nicht mit einer Antwort).
Bosetti will reden. Bosetti will doch nicht reden
Nein, nein, nein, Kritik ist das nicht, ganz und gar nicht. Wer kritisiert, hat etwas anderes im Sinn als jemand, der eine Abspaltung befürwortet. Nach einer Kritik soll etwas besser werden, nach einer Abspaltung geht der abgespaltene Teil verloren. Das ist der Unterschied.
Wer kritisiert, redet mit denen, von denen erwartet wird, dass sie sich mit der Kritik auseinandersetzen. Doch Sarah Bosetti redet nicht. Ihre Videos heißen zwar „Bosetti will reden“, aber sie hat es bereits deutlich gesagt: Sie redet nicht mit jedem. Nicht mit „rechten Hetzern“, nicht mit „absichtlichen Falschversteherinnen“.
Wie löst man am besten einen Shitstorm aus?
Denn die sind böse. Die haben nicht etwa ihrerseits Kritik geäußert, die sich jemand, der so unbedacht daherredet, wie sie es tut, gefallen lassen muss; diese bösen Männer mit den Innen-Schwänzen haben etwas anderes getan; und zwar etwas, was sie „am besten können“ (woher sie das weiß?): Sie haben einen Shitstorm ausgelöst. Dabei ist das gar nicht so leicht.
Doch manche schaffen das: Sie provozieren gezielt (manchmal auch versehentlich), sogleich schwappt eine Welle der Empörung durch das Netz. Bei Sarah Bosetti war es anders. Sie hat kein Wässerchen getrübt. Da war kein „Aufreger“, der von ihr ausging. Das Video mit dem Blinddarm-Vergleich hat sie einfach nur „geteilt“. Und dann? „Leute fanden es lustig, alles war gut.“
Alles war gut
Aber nicht lange. Dann kam Rainer Meyer, alias Don Alphonso, ein „Aufwiegler“, der „gegen Journalistinnen“ hetzt, und der hat zusammen mit anderen absichtlichen Falschversteherinnen einen Shitstorm losgetreten.
Also: Nicht sie war der Auslöser. Auslöser waren die kritischen Kommentare. Auslöser war die Resonanz. Die erst hat den Shitstorm hervorgebracht, getreu dem Motto: Es fing damit an, dass er zurückgeschlagen hat. Ein weiterer Bosetti-Salto. Applaus, Applaus.
Wie war das in Wien im Jahre 1950?
Zeitsprung. Ortswechsel. Nun etwas ganz anderes. Oder doch nicht?
Zu guter Letzt ein Auszug aus dem Tagebuch von Günther Anders: Er besucht Wien im Jahr 1950 und erklärt einem der dortigen Hausbesitzer, dass London, Warschau oder Rotterdam viel stärker zerstört worden sind.
Darauf zeigt der angesprochene Wiener mit einer Handbewegung auf die Zerstörung, die man schon durch das offene Fenster sehen kann und sagt: „Die, die das getan haben, denen ist Warschau und Rotterdam zu gönnen. Sie haben es nicht besser verdient.“
Es tut nicht weh
Er ist kostenlos, tut nicht weh – und es sind keine Nebenwirkungen bekannt. Er ist freiwillig. Niemand wird gezwungen. Es handelt sich um einen denkbar einfachen Schnelltest, den Sie zu jeder Tageszeit an jedem Ort ohne ärztliche Betreuung und ohne zusätzliche Hilfsmittel selbst durchführen können.
Er zeigt sofort an, worum es bei der gendergerechten Sprache im Kern geht. Sie können die Infektion leicht erkennen und isolieren und ebenso leicht behandeln, ohne dass Sie weitere Hilfen benötigen.
Der Test kann sich positiv auf das Allgemeinbefinden auswirken und Sie dazu motivieren, zukünftig nur noch das sagen, was Sie auch so meinen.
Risiken und Nebenwirkungen
Eine Warnung muss ich allerdings vorausschicken: Bei einigen Nutzern der deutschen Sprache, die durch vorauseilenden Gehorsam und durch eine gewisse Herdenmentalität vorbelastet sind, kann es zu einer kurzfristigen Trübung des Wohlbefindens und zu Abwehrreaktionen führen. Besonders bei Gesprächsteilnehmern, die sich bisher kaum Gedanken darüber gemacht haben, was sie mit dem, was sie so daherreden, eigentlich für Aussagen tätigen.
Am besten führen Sie den Test ohne Hilfsmittel durch und nutzen dazu nur das Wissen, das Sie bereits haben. Sie brauchen nicht einmal Blatt und Bleistift. Eine gewisse Warnung muss ich noch für die Benutzung von Google abgeben, doch dazu später mehr. Verlassen Sie sich einfach auf ihre Sprachkenntnisse und ihr Sprachgefühl. Beides muss nur ein wenig aufgefrischt werden. Es ist ganz leicht. Sie werden es schaffen.
Double-checking
Die Test-Methode, die hier angewendet wird, ist harmlos und umweltfreundlich. Es handelt sich um das vielfach bewährte Double-checking durch Übersetzen-mit-Rückfahrkarte: Wir übersetzen einen Satz in eine Fremdsprache, die wir kennen (Englisch bietet sich an) – und werden den Satz dann wieder zurückübersetzen.
Es kann sogar lustig werden. Sie kennen womöglich die Scherze, die bei der Hin-und-her-Übersetzung des Satzes „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ entstanden sind: „Der eine glaubt, er dürfe alles essen; wer aber schwach ist, der isst kein Fleisch.“
Vermutlich haben Sie auch schon von Ai Weiwei gehört, der bei der dritten Biennale in Shanghai mit der Kunstaktion „Fuck Off“ die Gemüter erregt hat. Was sollte das bedeuten? Was wollte er uns damit sagen? Vermutlich hatten Sie gerade keinen guten Freund aus China in Ihrem Bekanntenkreis, den Sie um eine Übersetzung und Rückübersetzung bitten konnten. Sie mussten auf Google ausweichen. Google erledigte das blitzschnell ohne zu zucken. Vom Englischen ins Chinesische und von da aus ins Deutsche übersetzt, heißt „Fuck Off“ einfach nur: „nicht kooperative Einstellung“.
Erkennen Sie den Unterscheid? Es geht nicht nur um Nuancen. Wir gehen der Sache damit auf den Grund. Wir verstehen durch unser kleines Hin und Her viel besser, was überhaupt ausgesagt wurde. Was ist der Kern der Botschaft? Was sind die Nebengeräusche? Was ist die Ladung, was die Beiladung?
Noch eine kurze Vorbemerkung, eh es losgeht. Sie mögen denken, dass es sich bei dem Gegenstand des Testes um einen alten Hut handelt und dass wir es momentan mit ganz anderen Problemen rund um die gendergerechte Sprache zu tun haben. Richtig: Es handelt sich bei dem Beispiel um so etwas wie den „Patienten Nummer Eins“, der noch aus der ersten Welle stammt. Es wird sich aber schnell zeigen, dass die aktuellen Erscheinungen (Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich …) lediglich Mutanten sind, die sich ebenfalls mit dem Test identifizieren lassen.
Ready? Here we go
Übersetzen Sie ins Englische: „Die Studenten sind glücklich“. „The students are happy.“ Sehr gut. Nun wieder zurück. „Die Studenten sind glücklich.“ Na, bitte. Sie sind genau da, wo Sie gestartet waren. Passt genau. Ich sagte ja, dass es leicht ist.
Nun brauchen wir allerdings noch einen zweiten Test, um einen Vergleich zu haben. Übersetzen Sie den Satz: „Die Studentinnen und Studenten sind glücklich.“ Auch leicht, werden Sie denken. „The female and male students are happy.“ Nun wieder zurück: „Die weiblichen und die männlichen Studenten sind glücklich.“ Äh, sorry, nein: Das war nicht unsere Ausgangsbasis. Wir sind woanders angekommen. Soviel haben wir jetzt allein mit Bordmitteln herausgefunden. Und? Was bedeutet das nun?
Versuchen wir es mit Google. Das Ergebnis ist erstaunlich: Egal ob wir eingeben „Die Studenten sind glücklich“ oder „Die Studentinnen und Studenten sind glücklich“, wir erhalten in beiden Fällen die Übersetzung „The students are happy“, als gäbe es da gar keinen Unterschied. Das gibt einem zu denken: Worum geht es denn dann bei der gendergerechten Sprache? Gibt es da wirklich keinen Unterschied? Ist etwa gendergerecht und nicht-gendergerecht problemlos austauschbar?
Google ist dem Problem nicht gewachsen und schafft sogar – wie wir später sehen werden – zusätzliche Unsicherheiten. Wir müssen auf unsere eigene Urteilskraft zurückgreifen. Das können wir auch. Die Rückfahrkarte hatte uns den Satz „Die weiblichen und männlichen Studenten sind glücklich“ beschert – und wir waren nicht glücklich mit dem Ergebnis. Es hat uns nicht zur Ausgangsposition zurückgeführt. Es ist außerdem ein Satz, den ich schon lange nicht mehr gehört habe – vielleicht sogar noch nie. So redet einfach keiner.
Das Virus wird isoliert
Hier hilft die Mengenlehre weiter. Der Unterschied zwischen dem ersten Testsatz (mit „Studenten“) und dem zweiten (mit „Studentinnen und Studenten“) liegt darin, dass einmal von einer Gruppe die Rede ist und einmal von zwei Gruppen. Damit haben wir das Virus isoliert und identifiziert. Damit haben wir erkannt, worum es bei der gendergerechten Sprache geht.
Es geht darum, eine Spaltung zu behaupten und aus einer zusammenhängenden Gruppe zwei voneinander getrennte zu machen und obendrein einen möglichen Zusammenhalt abzustreiten und so die Trennung zu verewigen. Das ist der Inhalt. Das ist die Aussage. Das ist die message der gendergerechten Sprache.
Die Empfehlungen tarnen sich als moralisches Gebot und als reine Form- und Höflichkeitsfrage, die keine inhaltliche Konsequenzen hat. Hat sie aber. Wenn wir den Empfehlungen folgen, übernehmen wir die Kernaussage und fangen unmerklich an, selber so zu denken. Wir machen besinnungslos mit. Wir verbreiten die Botschaft weiter und weiter, auf dass unsere Gesellschaft unerbittlich in zwei Lager gespalten werde. In weiblich und in männlich.
Ein kleiner Schnitt für die Sprache, ein großer Schnitt für die Menschheit
Die konsequent durchgezogene Trennung der Geschlechter macht uns zu Königskindern, die niemals zusammenfinden können, weil der Graben viel zu tief ist und noch weiter vertieft werden soll. Das ist die Vor-Annahme. Sie wird einfach vorausgesetzt. Entsprechend sollen wir die Geschlechterfrage sehen: Wir sollen uns verabschieden von einer morphologischen Betrachtung (wie man sie bei Goethe findet), die eine ganzheitliche Sichtweise annimmt und Mann und Frau als unzertrennliche Einheit ansieht, die nur überleben kann, wenn sie zusammenhält.
Vergangen, vergessen, vorüber. Heute sollen wir das nicht mehr so sehen. Im Gegenteil. Wir sollen ausschließlich das Trennende im Blick haben, es bei jeder Gelegenheit hervorheben und als unüberbrückbar darstellen. Das ist das Dogma der gendergerechten Sprache, das keinesfalls angezweifelt werden darf. Es findet seinen idealen Ausdruck im Lesbenfriedhof, wo das Versprechen einer Ehe zwischen Mann und Frau (Bis dass der Tod euch scheidet) in das Gegenteil verkehrt wird: Scheidung über den Tod hinaus.
Liebe, Verbundenheit oder gar Vereinigung der Geschlechter (aus der dann Kinder entstehen), werden bei der Anwendung der gendergerechten Sprache nicht nur in den Hintergrund gerückt und vernachlässigt, sie werden geleugnet und finden keine sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten mehr.
Der Sprachfeminismus schafft ein Gedankengefängnis, aus dem man nicht leicht herauskommt. In so einem engen, fensterlosen Gedanken-Raum ist keine glückliche Bezogenheit der Geschlechter aufeinander denkbar, keine fruchtbare Ergänzung, nicht einmal ein friedliches Nebeneinander. Nur noch ein Gegeneinander. Es findet ständig ein sinnloser Vergleichs- und Konkurrenz-Kampf auf allen möglichen Gebieten statt, und es wird die grundfalsche Unterstellung vorausgesetzt, dass die Männer (als Gruppe) die Frauen (als Gruppe) unterdrücken, ausbeuten, ausgrenzen und zum Feind erklärt haben.
Auf dem Weg zur Besserung
Wenn Sie sich als Fackelträger so einer Botschaft zu erkennen geben wollen – nur zu! Jeder blamiert sich eben, so gut er kann. Wenn nicht, dann nicht. Wenn es nicht Ihren Überzeugungen entspricht oder wenn Sie sich noch nicht sicher sind, dann sollten Sie auch nicht so reden und sollten Doppelnennungen in allen Erscheinungsformen meiden.
Zumal Sie nicht länger damit rechnen können, dass andere die Hintergründe der Gendersprache nicht durchschaut haben. Es ist gut möglich, dass andere den Schnelltest schon gemacht haben, aber auch ohne Test sehr wohl verstehen, was mit den sperrigen Doppelnennungen ausgesagt werden soll. Es gibt sie noch, die Gesprächsteilnehmer, die den Unterschied kennen zwischen der Vorstellung von einer Gruppe, die zusammenhält, und der Vorstellung von zwei Gruppen, die sich missgünstig und feindselig gegenüberstehen. Gerade das ist die Vorstellung, die uns die Doppelnennung aufdrängen will.
Es tut gut, keine zu benutzen. Es erleichtert, als würde eine Last von einem abfallen. Sie spüren es sofort. Sie können wieder frei durchatmen; Sie sind nicht länger eingeschränkt in Ihren Möglichkeiten, genau das auszudrücken, was Sie wirklich sagen wollen. Sie werden entdecken, wie kreativ man mit Sprache umgehen kann, wenn man die Leitplanken der Gendersprache als ungültig ansieht. Treten Sie ins Offene. Es könnte sogar dazu führen, dass Sie anfangen, die deutsche Sprache mit ihren erstaunlichen Möglichkeiten und gelegentlichen Schönheiten irgendwie zu mögen.
Doch sie sollten sich schützen. Wann immer Sie den lästigen Doppelnennungen begegnen, die ständig Unruhe stiften wollen, dann lesen Sie so schnell wie möglich darüber hinweg. Sie haben bereits verstanden, was damit gesagt werden soll, Sie müssen sich nicht immer wieder neu damit auseinandersetzen. Es ist ermüdend, ständig mit diesen bösartigen Sticheleien behelligt zu werden. Stärken Sie Ihre Abwehrkräfte. Wenn Sie Erholung brauchen und Linderung suchen, hören Sie gute Musik, lesen Sie ein gutes Buch und nehmen Sie Ihre Liebsten in den Arm. Das hilft.
Der alte Hut und die neue Politik
Die Doppelnennung ist tatsächlich ein alter Hut. Zuerst zeigte sich dieser seltsame, nicht gerade ansehliche Hut, den man fälschlicherweise für eine vorübergehende Modeerscheinung gehalten hat, in den siebziger Jahren im deutschen Sprachraum. Er gehörte zu den Bestrebungen der damaligen Frauenbewegung (die später in die Frauenpolitik einging), alle Männer aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit pauschal auszuschließen – aus Buchläden, Bibliotheken, Gewaltschutzhäusern – sowie von Vergünstigungen und Förderungen auf den unterschiedlichsten Gebieten. Der Hut der Doppelnennung war damals der passende sprachliche Ausdruck dieser feministischen Trennungs-Wütigkeit. Er wurde nach und nach zum Geßlerhut, vor dem sich heute jeder Mann verbeugen muss.
Was wir gerade erleben, ist der Kampf gegen das generische Maskulinum, von dem Sie bestimmt schon gehört haben (hier nur ein Beispiel für die erregte Debatte, die gerade tobt; es hagelt geradezu Stellungnahmen zu dem schon etwas länger andauernden „Krieg der Sterne“). Es reicht den Vorkämpfer*innen der gendergerechten Sprache nämlich nicht, permanent das Trennende zu betonen und voranzustellen, es muss auch noch jedes mögliche Gemeinsame bekämpft werden – zum Beispiel das generische Maskulinum. Das soll weg.
Soweit sind wir heute. Die aktuellen Empfehlungen sind als Ersatzformen für das generische Maskulinum gedacht (Studentinnen und Studenten, Student*innen, Student_innen, Student:innen, Student(innen), Student/innen, StudentInnen, Studiersxs, Studierende), über deren Gebrauch allerdings keine Einigkeit besteht, was dazu führt, dass an deutschen Universitäten Schilder hochgehalten werden mit der Inschrift „students against racism“, weil die Schilder-Hochhaltenden selber nicht wissen, wie sie sich selbst bezeichnen sollen und so einen Satz gar nicht mehr auf Deutsch formulieren können. So neuartig, hilflos und peinlich solche Versuche auch sind, bei all diesen Bemühungen liegt stets dieselbe Botschaft zugrunde; dieselbe Vorannahme über den fehlenden Zusammenhalt der Geschlechter.
Totalitäres Sprechen und Denken
Natürlich soll sich jeder (und natürlich auch jede) so einer Vorannahme anschließen dürfen, wenn er (oder sie) das unbedingt will. Er (oder sie) soll dann auch freimütig die Botschaft weitergeben dürfen, wenn er denn davon überzeugt ist. Warum nicht? Jedem seine Meinung. Aber! Da ist noch etwas.
Da ist noch dieser lästige totalitäre Anspruch, der hinter dem Bemühen der Gender-Aktivist*innen lauert. Totalitär bedeutet, dass eine Ideologie in möglichst alle Lebensbereiche eindringt und sich da festsetzt. Nichts soll verschont bleiben. Es soll keine Rückzugsräume mehr geben. Totalitär heißt: immer und überall.
Wie wird so eine totalitäre Durchdringung erreicht? Durch regelmäßige Anwendung. Das heißt: Wir sollen die erwähnte Vorannahme nicht nur übernehmen und selber aussprechen – wir sollen es auch bei jeder Gelegenheit tun, selbst dann, wenn wir eigentlich über etwas anderes sprechen wollen. Pech gehabt. Wir können dann gar nicht mehr über etwas anderes sprechen. Mit der Implementierung der Vorannahme in die Schreibweise und Grammatik werden alle unsere sprachlichen Äußerungen kontaminiert.
Es ist fast geschafft. Wir stehen heute vor einer beinah vollständigen Durchseuchung. Vollständig erreicht wird sie jedoch erst mit einer radikalen Zero-generisches-Maskulinum-Politik und bei einer konsequenten Anwendung aller Empfehlungen zur gendergerechten Sprache ohne Ausnahme. Dazu müsste man allerdings auch Zuwiderhandelnde strenger bestrafen.
Vorschlag zur Güte
Mir gefällt das gar nicht. Ich finde, man sollte das Gender-Sprachen-Projekt beenden, eh es weitere Schäden anrichtet. Es kann nicht gut gehen. Sollen wir etwa alle so reden wie Tim Kellner, der in seinen Videos, in denen er Nachrichten kommentiert, immer wieder dazwischenruft „Sternchen-Innen, verdammt nochmal“ – eine Redewendung, die sich inzwischen verselbstständigt hat (wie auch „Hey, Geschlechter spielen doch keine Rolle mehr“ und „Sie hat mich geschubst, sie hat mich zerkratzt“). Auf dem Wochenmarkt in Berlin kann man es erleben, dass arglosen Käufern, die von „Anbietern“ oder „Lieferanten“ reden, ein herzhaftes „Sternchen-Innen, verdammt nochmal“ entgegenschallt. Berliner Schnauze. Wie soll das nur enden?
Man kann das generische Maskulinum nicht ausrotten. Man kann auch Viren nicht ausrotten. Man muss lernen, damit zu leben. Vielleicht hat sich das noch nicht herumgesprochen. Ich habe jedenfalls einen Vorschlag zur Güte, was die Sprachhygiene betrifft: Ich habe nichts dagegen, wenn jemand Auffassungen, wie sie die Gendersprache impliziert, übernimmt, für sich als richtig ansieht und unbedingt verkünden möchte.
Aber muss er das immer und überall tun? Nein, das muss nicht sein. Es geht auch anders. Er könnte beispielsweise jedes Mal am Ende einer Rede den Satz anfügen: „Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Geschlechter stets als getrennt voneinander zu betrachten sind.“
Er könnte so einen Satz auch auf dem Briefkopf, im Impressum oder in der Signatur seiner E-Mail-Vorlage festschreiben. Dann hätte er sich deutlich bekannt und müsste es nicht bei jeder Gelegenheit wiederholen und den Eindruck machen, er hätte einen Vertrag unterschrieben, den er nicht mehr kündigen kann.
Die Finnen mal wieder
Zum Schluss möchte ich noch mal auf Google zurückkommen und dabei den Blick nach Finnland lenken (Aber Sie wissen ja: Die spinnen, die Finnen). Die finnische Sprache hat die Besonderheit, dass das Pronomen in der dritten Person keinen Hinweis auf das Geschlecht enthält, es heißt einfach nur „hän“, und nicht etwa „er“, „sie“, „es“. Eigentlich ein Traum für alle, die vollkommene Neutralität anstreben.
Nun geben Sie mal bei Google ein: Hän on ruma = Er ist hässlich. Hän on väkivaltainen = Er ist gewalttätig. Hän on etuoikeutettu = Er ist privilegiert. Hän on viehättävä = Sie ist charmant. Hä?
Liegt es an Google, an den Finnen oder an den Ansprüchen der gendergerechten Sprache? Irgendwie passt das alles nicht zusammen.
Winnetou
An einem sonnigen Tag ritt Old Shatterhand auf seinem treuen Pferd Hatatitla über die Prärie und traf an verabredeter Stelle Winnetou, der ihm sein Leid klagte. „Mein weißer Bruder“, sagte sein rothäutiger Freund mit belegter Stimme, „ich muss etwas gestehen: Ich bin nicht länger der Häuptling der Apachen.“
„Uff“, entgegnete Old Shatterhand, der die Sprechweise von den Indianern übernommen hatte, um sich ein wenig den Sitten und Gebräuchen anzupassen. „Was ist passiert? Haben die Komantschen den edlen Stamm der Apachen besiegt?“
Winnetou winkte ab: „Nein, das nicht. Doch ich darf mich nicht länger Häuptling der Apachen nennen.“
„Wie denn sonst?“, wollte Old Shatterhand wissen.
Winnetou blickte zu Boden, so sehr schämte er sich vor seinem weißen Bruder. „Häuptling der Apachinnen und Apachen“.
„Verstehe …“, sagte Old Shatterhand. Aber das sagte er nur so. Er tat gerne so, als würde er nicht nur alles wissen, sondern auch noch alles besser wissen, „die rote Frau spricht mit gespaltener Zunge.“
„Nicht nur das“, entgegnete Winnetou, „sie spalten alles. Die Zungen sind gespalten. Die Herzen sind gebrochen. Die Zelte sind zerrissen. Wir haben jetzt sogar getrennte Pfähle, an die wir – hier – die Stuten und – da – Hengste anbinden.“ Winnetou untermalte seine Rede mit kräftigen Handbewegungen. „Ich weiß nicht, ob wir jemals wieder zusammenfinden, auch die Friedenspfeife ist zerbrochen.“
„Ich dachte immer“, überlegte Old Shatterhand, „die roten Frauen wären sowieso Nichtraucher …“
„Nichtraucherinnen“, verbesserte Winnetou.
Da erkannte Old Shatterhand den Ernst der Lage. Er war sprachlos, er konnte nicht einmal mehr ein leises „Uff“ hervorbringen. Er musste in Ruhe nachdenken und unterließ es, vorschnell „verstehe“ zu sagen.
Die Makkabäerinnen
Mir geht es auch so. Ich verstehe es nicht. Früher wurde in der Bibel „Das Buch der Makkabäer“ erwähnt, doch in der Bibelübersetzung in gerechter Sprache heißt es neuerdings das „Buch der Makkabäerinnen und Makkabäer“.
Makkabäerinnen? Was sind das für Leute? Ich hatte mir nie Gedanken über diese Personengruppe gemacht. Nun schon. Was ist dabei herausgekommen?
Ich gestehe es offen: Ich mag sie nicht. Ich würde natürlich nicht sagen, dass ich sie hasse. Das wird heute viel zu leichtfertig unterstellt. Das tue ich nicht. Ich hasse die Makkabäerinnen nicht. Doch sie sind mir unsympathisch.
Das war jedenfalls mein erster Reflex. Dann fiel mir auf, dass die Makkabäerinnen nichts dafür können. Sie können sich nicht mehr dagegen wehren, wie sie dargestellt werden. Mein Unmut richtete sich daraufhin auf diejenigen, die die Bibel in gerechter Sprache verfasst und die Makkabäerinnen speziell hervorgehoben haben.
Wie werden sie dargestellt? Als übermäßig geltungssüchtig, eitel und wichtigtuerisch, als wollten sie gegenüber den Männern ohne Angabe von Gründen hervorgehoben werden. Dieser Wunsch wird ihnen nun nach Jahrhunderten erfüllt.
Sie werden uns als Querulanten präsentiert – Querulantinnen, besser gesagt –, die per einstweiliger Verfügung darauf bestehen, dass sie gesondert im Abspann eines historischen Films erwähnt werden, auch wenn sie darin gar keine Rolle gespielt haben, und die Zuschauer längst das Kino verlassen haben. Denn womit – bitte schön! – haben die Makkabäerinnen die besondere Aufmerksamkeit verdient, die sie beanspruchen? Was haben sie getan? Haben sie überhaupt etwas getan?
Vermutlich schon – jedoch nichts Gutes! Sie haben die Gemeinschaft der Makkabäer zerstört. Sie haben aus einer guten Gruppe zwei schlechte Gruppen gemacht.
Bisher hatte ich mir eine einheitliche Bevölkerungsgruppe vorgestellt, die von gemeinsamen Interessen zusammengehalten war und im Notfall mit vereinten Kräften einem äußeren Feind entgegengetreten ist. Doch die Bibelübersetzung in gerechter Sprache sagt mir: Stopp! So war das nicht.
Wie war es denn? Es muss da irgendeinen Dissens gegeben haben, irgendeinen Widerspruch, von dem ich bisher nichts gewusst habe, und der mir auch nicht erklärt wird. Doch es muss da was gegeben haben. Warum sonst legen die Übersetzerinnen und Übersetzer der Bibel in gerechter Sprache Wert darauf, die Makkabäerinnen als schwierige, nicht integrierbare Minderheit zu präsentieren, über die man nichts Gutes zu sagen weiß, aber Schlechtes vermuten darf?
Warum wird so viel Aufhebens davon gemacht, dass man sie extra erwähnt, aber nicht begründet, warum man es tut? Die Übersetzerinnen und Übersetzer kommen mir vor wie Teenager, die sich darin gefallen zu sagen: „Ich habe ein kleines, süßes Geheimnis, aber ich verrate es nicht, Ätschi Bätschi.“
Wollen uns diese Übersetzerinnen und Übersetzer, die sich auf dem evangelischen Kirchentag feiern ließen, wirklich etwas über die Makkabäerinnen sagen – oder vielmehr etwas über sich? Wie heißt es doch: „Was ihr den Geist der Zeiten heißt/
Das ist im Grund der Herren eigner Geist/
In dem die Zeiten sich bespiegeln.“
Wer es noch nicht wusste: Die Makkabäerinnen waren die Vorkämpferinnen des Feminismus.
Korrektur: Es muss heißen: „Was ihr den Geist der Zeiten heißt/
Das ist im Grund der Herrinnen eigner Geist.“
Weiter geht es:
„Da ist’s dann wahrlich oft ein Jammer!
Man läuft euch bei dem ersten Blick davon.
Ein Kehrichtfass und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion,
Mit trefflichen, pragmatischen Maximen,
Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!
Verstehe: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Die gerechte Sprache kennt keinen Scherz.
Howgh, ich habe gesprochen.
Über den Hass und über die Hassenden
Wir stehen vor großen Veränderungen. Unsere Sprache steht vor einer schweren Operation. Ich fürchte … nein, ich bin mir sicher, dass sie nicht gut ausgehen wird. Die Sprache wird danach hässlich und missgestaltet sein – wie nach einer missglückten Operation.
Man kann sich kaum vorstellen, dass so eine Operation überhaupt möglich ist, sie wird aber ernsthaft angestrebt. Es soll eine Art Geschlechtsumwandlung der Sprache stattfinden. Das ist etwas Neues, bisher nie Dagewesenes.
Bisher haben sich Veränderungen in der Sprache hauptsächlich auf den Wortschatz beschränkt. Modeworte kamen und gingen; die Bewertung bestimmter Begriffe änderte sich. So weit, so gut. Doch nun soll in die Struktur eingegriffen werden, in die Grammatik, in das Regelwerk. Das geht zu weit, das ist nicht gut.
Es wird verordnet. Die Gleichstellungspolitik hat es vorgemacht. Sie wurde bekanntlich, so wird es immer gesagt, als Querschnittsaufgabe – Achtung: nun kommt das verräterische Wort – „implantiert“. Nun soll auch die Sprache ein Implantat kriegen: die Innen-Form. Damit sie „geschlechtergerecht“ wird. So heißt es. In Wirklichkeit wird damit der Sexismus in den Sprachkörper eingesetzt wie bei einer Organtransplantation.
Das Ansinnen ist nicht neu. Mit der Innen-Form müssen wir uns schon seit mehr als dreißig Jahren herumquälen. Neu ist, dass die Vorschläge als Vorschriften auftreten. Ich hatte das lange für eine Modetorheit gehalten. Inzwischen habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass sich der Krampf von alleine legt und der Spuk wieder verschwindet. Es ist schlimmer geworden. Hinter den Handreichungen und Ratschlägen stecken offene Drohungen gegen alle, die sich nicht beugen wollen. Es ist schon soweit, dass es als Vorwurf gilt, wenn jemand „bewusst nicht gendert“.
Kirchen, Gewerkschaften, Rundfunkanstalten, Parteien, Universitäten, Gemeinden – ja, man hat den Eindruck, dass jeder Alpen- und Tierschutzverein mitmacht – sie alle geben neue Anleitungen heraus, wie man „gendern“ soll, wie eine „geschlechtergerechte Sprache“ im Alltag umgesetzt werden kann.
Da erfährt man, wie man mit dem beweglichen Unterstrich, mit dem steil aufragenden Binnen-I, mit Doppelnennungen und mit dem hoch gestellten Sternchen umgehen soll, um nicht als rechtspopulistisch erkannt und verdammt zu werden. In Baden-Württemberg sollen die Vorgaben sogar in den Bildungsplan einfließen. Damit soll ein von Hass vergiftetes Sexismus-Modul fest in die Sprache implantiert werden. Was dann dabei herauskommt, soll künftig als neue Hochsprache gelehrt werden. Die Schwaben meinen es offenbar ernst mit ihrem Slogan: „Wir können alles, außer Hochdeutsch“.
Warum das? Ist es nötig? Ist es wichtig? Was steckt dahinter?
Bezeichnungen wie „die Studenten“, „die Wähler“ oder „die Schriftsteller“ werden von denen, die so eine Umgestaltung einfordern, (fälschlicherweise) als rein männlich angesehen, sie streiten den bisher gebräuchlichen Pluralbildungen grundsätzlich die Möglichkeit ab, übergeschlechtliche Bedeutung anzunehmen und erschaffen durch ihre hartnäckige und durchaus böswillige Fehlinterpretation ein Problem, das sie nun irgendwie lösen müssen (aber nicht können – um das vorwegzunehmen. Sie werden bei jeder Pluralbildung Schwierigkeiten haben. Für Gemeinsamkeiten wird es keinen Ausdruck mehr geben. Gemeinsamkeiten werden abgeschafft).
Aber warum? Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Eine bloße Mode wird es nicht sein – selbst wenn es so wäre: Dann wäre so eine Mode erklärungsbedürftig. Glaubt denn wirklich jemand, dass damit Frauen oder verkannten Transsexuellen ein Gefallen getan und ihre Situation spürbar verbessert wird? Hand aufs Herz – weiter links –, also: Wer glaubt das?
Was also steckt dahinter?
Am Anfang der Misere stand die Misandrie – auf deutsch gesagt: Die Triebkraft dahinter ist ein tief sitzender Männerhass. Wir mögen diesen Hass nicht zur Kenntnis nehmen. Auf keinen Fall: Wir gucken nicht hin, hören nicht zu, lesen nicht nach. Dennoch. Es gibt ihn – und es ist dieser tief sitzender Hass, der die Fehlinterpretation hervorgebracht hat, dass wir es mit einer „männlich dominierten“ Sprache zu tun haben.
Seit sich der Hass flächendeckend ausgebreitet hat, gelten alle bisher unverdächtigen Begriffe, die jedoch neuerdings als „männlich“ angesehen werden, als kontaminiert und müssen ausgemerzt werden. Ihnen soll kein weiteres Bleiberecht in der politisch korrekten Sprache zugebilligt werden.
Eine männliche Form irgendwo zu identifizieren, heißt bereits, sie zum Abschuss frei zu geben. Keinesfalls sagt man: „Na gut, dann ist es eben eine männliche Form, das soll es geben; männliche Formen gehören dazu“. So könnte man ja denken – gerade wenn man es mit der geforderten Gleichbehandlung ernst meint. Mit Gerechtigkeit. Mit Sensibilität. Aber nein. Männliche Formen soll es nicht geben. Nicht mehr. Die müssen weg. Dringend.
Alles, was auch nur entfernt nach „Männern“ aussieht, soll ausgemistet werden. Daher müssen aus „Feuerwehrmännern“ unbedingt „Feuerwehrleute“ gemacht werden, als wäre es bereits ein Unrecht, Männer überhaupt zu erwähnen. Es spricht ja nichts gegen die Feuerwehrmänner an sich – nur dass es eben Männer sind.
Die männliche Form wird „voldemortisiert“, wie ich es in Anlehnung an den Gegenspieler von Harry Potter nenne – den gefürchteten Lord Voldemort, der die Verkörperung des namenlos Bösen darstellt und der derartig böse ist, dass man nicht mal seinen Namen nennen darf. Er ist „Du weißt schon wer“.
Es wird ganz offen von „toxischer Männlichkeit“ gesprochen. Der von Frauen gefürchtete „Männersprech“ gilt als zutiefst „inhuman“. Deshalb kommt es zu solchen Umbenennungen, wie sie der Verband der Schriftsteller jüngst vorgenommen hat, der sich in Verband der „Schreibenden“ umbenannt hat. Das muss sein.
Deshalb kommt es dazu, dass aus dem Studentenheim ein „Studierendenheim“ werden muss. Auch das muss sein. Diese Maßnahmen gehören zu einem groß angelegten Entgiftungs-Programm zum Nutzen der feministischen Volkshygiene. Da mitzumachen bedeutet anzuerkennen, dass Männlichkeit in allen seinen Erscheinungsformen schädlich ist und überwunden werden muss.
„Fußgänger“
Weg mit ihm! Der Fußgänger ist männlich. Ein „Gänger“ ist offensichtlich männlich, womöglich ist damit ein „Wiedergänger“ – auch „Widergänger“ geschrieben – gemeint, ein Untoter also, ein Zombie, eine Schreckensgestalt. Das kann nicht länger geduldet werden. Es muss „zu Fuß Gehende“ heißen. Das ist Vorschrift.
„Schneemann“
Oh, nein! Mustert sie aus, die bösen, patriarchalischen Begriffe, da kommt ja schon dieses scheußlich „-mann“ vor! Damit werden Frauen unsichtbar gemacht. Damit soll gesagt werden, dass Frauen nicht genauso durch und durch aus Schnee sein können wie Männer. Das ist Diskriminierung. Es muss „Schneeperson“ heißen.
„Teilnehmer“, „Mitarbeiter“
Hilfe! Bitte demnächst eine Trigger-Warnung, damit in Zukunft keine zartfühlende Frau mehr dem Überangebot von Männlichkeit hilflos ausgeliefert wird. Die männerdominierte Welt ersäuft ja förmlich in Testosteron. „Mitarbeitende“, „Teilnehmende“, muss es heißen. Da merkt man die Männlichkeit nicht so doll.
„Autofahrer“
Oh, nein. Ich kriege Atemnot. Wo geht es hier zum nächsten Schutzraum? Frauen sind die besseren Autofahrerinnen und Autofahrer, das ist statistisch erwiesen. Ich dachte sogar eine Schrecksekunde lang, da hätte jemand „Autobahn“ gesagt.
„Gäste“
Ich halte es nicht mehr aus. Ich kozze ab mit zwei Zett.
So leiden sie. Und wenn Frauen leiden, nehmen Männer reflexartig Rücksicht: Bitte sehr, gern geschehen. Sie wollen keinesfalls, dass ihnen mit der furchtbaren Männersprache, die früher verharmlosend „Muttersprache“ genannt wurde, Gewalt angetan wird, und so ersetzen sie bereitwillig und wohl auch ein bisschen verschämt das böse Wort „Schriftsteller“ oder das böse Wort „Student“.
Wie macht man das? Entweder durch die Doppelnennung „Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ oder „Studentinnen und Studenten“ (wirklich ersetzt wird das Gift damit nicht, aber die männliche Form wird zwangsweise verpartnert und die schädliche Auswirkung wird dadurch eingehegt und etwas abgemildert) oder eben durch die (vermeintlich) neutrale Form „Schreibender“ oder „Studierender“. Beides ist falsch und hat riesige Nebenwirkungen. Das ist den Sprachsexisten aber scheißegal. Entschuldigen Sie bitte die Ausdrucksweise. Es ist sonst nicht meine Art.
Nun denken Sie – liebe Leser – womöglich, ich hätte bei den vorhin beschriebenen Reaktionen ein wenig übertrieben und den Hass und die Dummdreistigkeit, mit der er sich zu erkennen gibt, zu dick aufgetragen. Dann wissen Sie nicht, wie sich Senta Trömel-Plötz zu dem Thema äußert, sie schreibt über ‚Gewalt durch Sprache’, so der Titel ihres Buches und berichtet darin, ‚Wie Frauen in Gesprächen vergewaltigt werden’, so der Untertitel.
Noch mal langsam: Männer „vergewaltigen“ Frauen durch „Gespräche“. So lautet der Vorwurf. Michael Gwosdz, der Vize der Hamburger Grünen, der nach den Vorfällen in Köln mit der Bemerkung auftrumpfte, „Als Mann weiß ich, jeder noch so gut erzogene und tolerante Mann ist ein potenzieller Vergewaltiger. Auch ich“, sollte unter diesen Umständen am besten gar nichts mehr sagen. In seinem Fall wäre das auch angebracht.
Senta Trömel-Plötz kann späte Triumphe feiern: Ihre Forderungen fließen nun – wenn auch mit gewisser Verspätung – in die Politik ein und werden zu Vorschriften für alle Duckmäuser, die sich nicht schon allein durch ihren Sprachgebrauch als Gegner des Gender-Mainstreamings zu erkennen geben wollen. „Frauen kommen langsam, aber gewaltig“, hieß es in einem Lied von Ina Deter, falls sich noch jemand erinnert. So sieht es aus. Frau Senta Trömel-Plötz klagte schon in den siebziger Jahren, dass Frauen unter der Männersprache zu leiden hätten. Nun wird endlich etwas dagegen gemacht.
Ich wiederum meine, dass unsere Muttersprache unter Frauen wie Senta Trömel-Plötz zu leiden hat. Sie kennen Senta Trömel-Plötz nicht? Sie zählt neben Luise F. Pusch zu den führenden Theoretikerinnen der feministischen Linguistik, ihre Vorgaben werden nun besinnungslos nachgebabbelt. Ihre Bücher sind „Bestsellerinnen“, wie sie selber scherzhaft sagen; denn die beiden haben nicht nur ein besonderes Verhältnis zu Vergewaltigungen (dazu sage ich lieber nichts), sie haben auch einen speziellen Humor (dazu könnte ich was sagen, tue es aber nicht).
Dennoch. Die Schriften dieser beiden Vordenkerinnen sind weitgehend unbekannt. Viele denken womöglich, die Namen Senta Trömel-Plötz und Luise F. Pusch kämen in einem der beliebten Sketche von Loriot vor, die jeder kennt und jeder mag. Aber nein. Sie kommen vielmehr in ungeliebten Propaganda-Texten vor, die kaum jemand kennt. Die so genannten Bestsellerinnen sind gar nicht so weit verbreitet, wie man das von Bestsellern erwartet. Das macht nichts. Die Anhängerinnen der geschlechtergerechten Sprache folgen ihren Vordenkerinnen blind und blöd. Sie sind wie Gefolgsleute des Kommunismus, die so tun, als wären sie hundertprozentig überzeugt, aber noch nie was von Marx und Engels gehört haben.
So sind sie, die besinnungslosen Anhängerinnen, Nachbeterinnen und Dummschwätzerinnen. Sie sind nicht informiert. Sie sind nicht neugierig. Sie wissen alles. Sie kennen die Welt: Ihre Welt ist streng in zwei übersichtliche Lager geteilt: weiblich/männlich, gut/böse. Das reicht ihnen als Weltanschauung. Schließlich gehören sie zu den Guten. Das wollen sie möglichst in jedem Satz zum Ausdruck bringen.
Sie sind bigotte Frömmler. Sie sind wie Leute, denen es beim Beten einzig darum geht, dass alle sehen, dass sie brav die Hände gefaltet haben. Viele von denen, die treudoof … Ja, ich schreibe das mit voller Absicht und wiederhole es noch einmal für die, die ich meine und nicht nur mitmeine, also: Viele von denen, die treudoof den sprachfeministischen Vorgaben folgen und vor lauter Begeisterung über ihre Kriecherei im Brustton der Überzeugung verkünden, dass sie mit den Sprachvorschriften „keine Probleme“ hätten, würden womöglich welche bekommen, wenn sie einen flüchtigen Blick in eines der Bücher werfen und nachlesen, wie hasserfüllt da die Zersetzung der Sprache begründet wird. Wer nach Sätzen sucht, die für totalitäres Denken typisch sind – da werden Sie geholfen.
Luise F. Pusch empfiehlt, Jungs, die sich in der Schule nicht dem Sprachfeminismus beugen wollen, zu schlagen (das schade ihnen nicht, meint sie); grundsätzlich tue es Männern gut, wenn sie leiden müssen. Schließlich haben Männer – und zwar grundsätzlich alle! – Schrecken und Elend verbreitet. Deshalb sollen nun auch die Jungen in Sippenhaft genommen werden und büßen … Zwischenfrage: Sollen sie etwa wegen der vielen Vergewaltigungen durch Sprache büßen? Klar. Doch das ist nicht alles. Luise F. Pusch spricht von einem „Gynozid“.
Wer es nicht auf Anhieb verstanden hat, hier noch mal in Zeitlupe: Gy-no-zid! Es ist ein Wortspiel. Es ist zusammengesetzt aus den Bestandteilen „Genozid“ und „Gynäkologie“ und soll verdeutlichen, wie sehr Frauen unter der „Männersprache“ zu leiden haben. Es ist einfach unfassbar. Mit Worten kann man das nicht beschrieben. So schlimm ist das. Es sprengt unser Vorstellungsvermögen. Womöglich ist Luise F. Pusch von ihrer Heldin Mary Daly inspiriert, die ebenfalls gerne Wortspiele machte – wie das, in dem aus dem ahnungslosen Therapeuten (therapist) der Vergewaltiger (the rapist) wird. Mary Daly wurde mit ihrem Buch mit dem bemerkenswerten Schrägstrich-Titel ‚Gyn/ökologie’ berühmt.
Solche Geschmacklosigkeiten sind keine Ausrutscher. Sie sind das besondere Kennzeichen des Feminismus. Sie sind das Alleinstellungsmerkmal. Sie sind nicht vom Feminismus zu trennen. Sie sind auch nicht zu übersehen, selbst wenn sich viele angestrengt darüber hinwegtäuschen wollen. Es gibt immer noch Zeitgenossen, die sich freudig dazu bekennen, Feministen zu sein, Radikalfeministen sogar – so genannte Radfems –, doch wenn man sie fragt, was sie von Kate Millet, Mary Daly, Germaine Greer, Shulamith Firestone, Valeri Solanas, Andrea Dworkin, Sally Miller Gearhart und anderen Klassikern des Feminismus halten und wie sie zu den Vernichtungsfantasien stehen, die sich da offenbaren, dann … äh, ja … dann tun sie so, als würden deren Schriften und Forderungen (falls sie ihnen überhaupt bekannt sind) irgendwie nicht gelten und sie gucken einen an, als würde sie die Frage, ob sie schon mal auf den Gedanken gekommen sind, dass ‚Mein Kampf’ irgendwas mit Faschismus zu tun haben könnte, intellektuell überfordern.
Sage keiner: „Das war einmal!“ Sage keiner, dass es heute besser ist. Die Newcomer sind nicht besser als die Oldtimer. Sie sind schlimmer. Jedenfalls peinlicher. Da malen sich junge Frauen Hakenkreuze auf die nackten Brüste oder den Spruch „Thanks Bomber Harris“. Sie tuschen sich ein neckisches Bärtchen unter das Näschen und stellen sich breitbeinig vor das Barbie-Haus oder vor die Herbertstraße und rufen „Arbeit macht frei!“ Sie setzen den Hashtag #killallmen in die Welt und die Femithestin (so nennt sie sich wirklich) greift die Forderung, das männliche Geschlecht auf zehn Prozent zu reduzieren, zum soundsovielten Male neu auf. So sieht er heute aus – der real existierende Feminismus, wie er gehätschelt und getätschelt wird.
Nicht zu vergessen: die Femen – sind sie nicht entzückend?! Sie posieren barbusig mit einem abgeschnittenen Hodensack in der ausgestreckten Hand und mit einer blutigen Sichel in der anderen und erklären, dass das Blut (und zwar das der Männer) fließen wird. Noch Fragen?
Die Vorschriften zur „geschlechtergerechten“ Sprache, wie sie scheinheilig genannt wird, kommen direkt aus der Hexen-Küche des radikalen Feminismus, aus dem Herz der Finsternis, dem Zentrum des Bösen. Da wurde schon seit Jahrzehnten gezündelt, um die „Entseuchung der Erde“ durch Reduktion der männlichen Population vorzubereiten und den Weg dahin durch Sprachmanipulation zu ebnen.
Die Hass-Sprache der Radfems soll nun die neue Hochsprache werden. Der Feminismus hat immer noch viele Anhänger. Aber das sind, wie der Name schon sagt, lediglich Anhänger. Die müssen wir nicht befragen. Die wissen nichts. Ausschlaggebend sind die Lokomotiven. Das sind Kräfte wie Daly, Pusch und Trömel-Plötz. Sie sind die Dampfloks des Feminismus. Sie stehen voll unter Dampf. Voll unter Druck. Denn es muss eine Energie geben, die das ganze in Bewegung bringt, die das ganze pusht. Das ist der Hass. Nun sollen wir alle mit der Pusch-Pusch-Eisenbahn fahren (um auch mal ein kleines Wortspiel zu machen).
Luise F. Pusch hat keine Hemmungen, Männer zu verdammen. Die Nazi-Keule ermöglicht ihr den großen Rundumschlag (Achtung: Es folgt ein Zitat, in dem drei „die“ hintereinander kommen, was irgendwie musikalisch, aber auch wie Gestammel wirkt): „Männer, die sich angesichts der Verbrechen ihrer Geschlechtsgenossen nicht schämen, gehören in dieselbe Sparte wie die, die die Verbrechen der Nazis leugnen.“
Also: Nazis raus aus der Sprache, damit wenigstens da keine Verweise mehr auf irgendetwas Männliches verbleiben. Dabei ist Luise F. Pusch noch vergleichsweise nett; sie ist so etwas wie die Provinz-Ausgabe von Mary Daly, die sich das Ziel gesetzt hat, eine Sprache für Frauen zu entwickeln, die Frauen „hymnisch“ feiert und frei von „Patriarchalismen“ ist. Sie steht ganz offen zu ihrem bodenlosen Hass. Mary Daly verabscheut allein schon das Wort „Mann“, wie sie selber sagt, aufs „Äußerste“.
Alles klar?
Mary Daly posiert mit ihrem Markenzeichen: der Doppelaxt
Femen mit abgeschnittenem Hodensack und blutiger Sichel
„Wozu sind Männer gut? (…) Wir Frauen wissen nicht so genau, warum die Männer da sind. Ehrlich gesagt, haben wir uns die Frage wohl auch kaum je gestellt. Sie sind halt da, und das ist schlimm genug. Wir fragen uns wohl, wie wir ihnen am besten entkommen und sie überleben können, aber nicht, wozu sie eigentlich gut sind.“
Luise F. Pusch
Also muss alles mit „-mann“ weg, selbst das unschuldige, klein geschriebene „man“ mit kleinem n. Die evangelische Kirche in Deutschland EKD befasst sich in ihren Handreichungen für eine „geschlechtergerechte Sprache“ ebenfalls mit diesem „man“. Zunächst erklärt die EKD in ihrer Broschüre, dass dieses „man“ womöglich von „mana“ kommt, was „die Mutter aller“ heißt, da es aber identisch klingt wie „Mann“, wird es leicht verwechselt.
Da zucken die evangelischen Frauen zusammen. Da hat doch tatsächlich jemand „Mann“ gesagt. Furchtbar! Da stellt sich die Frage: Kann man evangelischen Frauen so etwas zumuten? Nein. Nicht in der Kirche. Da sollen sich die Frauen wohl fühlen. Diesen bescheidenen Wunsch kann man ihnen leicht erfüllen, so raunen es jedenfalls die evangelischen Frauenflüsterer, man muss nur dieses bedrohliche „man“ durch eine Umschreibungen im Passiv ersetzen (Ah … jetzt habe ich nicht aufgepasst und das Schreckenswort selber benutzt).
Was ist los? Die evangelische Kirche schlägt ernsthaft vor, das Wort „man“ nicht mehr zu benutzen. Ich fasse es nicht. Aber so ist es. Wegen Verwechslungsgefahr. Ich denke mir das nicht aus. Warum macht der evangelische Wächterrat einen verzeihlichen Irrtum (die Verwechslung von „Mann“ und „man“) zum neuen Gebot, nach dem man sich richten soll?
Die EKD setzt sich nicht mit der Sache selbst auseinander, sondern mit einer anderen, die nur rein äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit damit hat, so wie man einst Gottfried Benn böswillig eine jüdische Herkunft unterstellte, weil sein Name – trotz der beiden „n“ – irgendwie den Eindruck machte, als wäre er jüdisch.
„Benn“ und „Ben“ kann man leicht verwechseln. Wie „Mann“ und „man“. So weit war es bei den Nazis gekommen. Man kann es als deutliches Zeichen dafür sehen, dass sich ihr Rassenwahn zu diesem Zeitpunkt bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befand.
Die Bezeichnung „Gender-Wahn“ ist umstritten – sie scheint mir gerechtfertigt. Auch hier ist längst ein fortgeschrittenes Stadium erreicht. Die Vollstrecker der Gender-Lehre legen inzwischen einen Fanatismus und eine Unerbittlichkeit an den Tag, die einen gruseln lassen.
Die neuen Angriffe der Sprachkontrolleure, die sich als „Vorschläge“, „Anregungen“ und „Empfehlungen“ tarnen, wirken wie ein einziger Aufschrei, als wollten sie fragen: „Wie deutlich müssen wir eigentlich noch werden, damit ihr verstockten Männer und elenden Frauenversteher endlich merkt, was hier los ist?! Wir hassen euch! Nehmt uns endlich ernst! Wie oft müssen wir noch wiederholen, dass es Hass ist, der uns leitet?!“
Was machen die Männer? Sie kuschen. Die Politiker in den etablierten Parteien würden eher auf Diätenerhöhungen verzichten als darauf, von „Bürgerinnen und Bürgern“ zu sprechen. Eine aktuelle Umfrage unter deutschen Professoren hat ergeben, dass sich über neunzig Prozent von ihnen heute nicht mehr trauen, das Wort „Studenten“ auszusprechen, aber kein Problem damit haben, das Wort „Ficken“ in ihren Vorlesungen zu verwenden.
So wird die feministische Hass-Rede zum offiziellen Sprachgebrauch. Es ist verrückt. Denn andererseits soll die so genannte „hate-speech“ strafrechtlich verfolgt und in den sozialen Medien gelöscht werden. Aber es passt auch: Wenn der Hass zur Amtssprache wird, dann muss der Hass von Amts wegen an anderer Stelle gesucht und gefunden werden.
So kommt es zu einer Schieflage in der Wahrnehmung links- oder rechtsradikaler Sprüche. So kommt es zu einer unterschiedlichen Bewertung der Äußerungen von Männern und von Frauen. So kommt es, dass Sprüche wie – ich entschuldige mich im Voraus für die kommenden Zitate – „Deutschland verrecke, du mieses Stück Scheiße“ oder „Ficken für den Volkstod – anal“ lässig durchwinkt werden, aber Empörung ausbricht, wenn jemand eine nationale Identität für wünschenswert hält. So kommt es, dass man jungen Frauen, die von „sexistischer Kackscheiße“ sprechen, freudig applaudiert und sie bittet, das noch einmal zu wiederholen, aber andererseits eifrig nach Masku-Trollen sucht, die man sperren muss.
In den Broschüren der Amadeu Antonio Stiftung findet sich ein neuer Ausdruck für den Hassenden, nämlich: „Hater“. Groß geschrieben, englisch ausgesprochen, rein männlich. Es gibt keine „Haterinnen und Hater“, es gibt nur „Hater“. Nicht zu verwechseln mit „Heten“ – eine abfällige Bezeichnung für Heterosexuelle, auch „Heteros“ genannt. Nicht zu verwechseln mit „Hereros“– ein Hirtenvolk im Süden Afrikas, das während der deutschen Kolonialzeit fast vollständig ausgerottet wurde (ca. 80% der Hereros kamen um). Doch genug der Wortspiele und der möglichen Verwechslungen:
Wir haben hier ein Musterbeispiel für die Kindergarten-Weisheit: „Wer es sagt, isses selber, das wissen alle Kälber!“ Projektion pur. Diejenigen, die von Hass vergiftet sind, wollen andere dafür bestrafen, weil sie (angeblich) das tun, was sie selber (tatsächlich) tun.
Hier dazu ein aktuelles Video – in Englisch. Es geht darum, Lager für Männer einzurichten. Da war doch was. Hat es nicht mal einen Skandal gegeben, als jemand sagte, leider gäbe es keine Lager mehr … (oder so ähnlich)?
Lager für Männer
Ach, früher … ich weiß nicht, wie lange es schon her ist, doch ich erinnere mich, als wäre es vorgestern gewesen: Ich kam übermüdet mit der Bahn in der Statione di Venezia Santa Lucia an. Da sah ich es. Nicht weit davon auf der anderen Seite des Canal Grande liegt das große Parkhaus für die, die mit dem Auto gekommen sind. Da war es. Da hing ein riesiger Werbebanner mit der Aufschrift: „CinZano“.
Für mich war es ein gutes Omen, ein heiterer Willkommensgruß, das Zeichen eines gütigen Gottes, der Beweis, dass ein besseres Leben möglich ist, ein Schimmer vom Goldstaub des Paradieses.
Na, gut – ich übertreibe. Aber das tun viele, die von Venedig schwärmen. Was war da los? Ich glaube, dass das, was mich so stark beeindruckt hat, das herausragende Z mitten in dem Zauberwort CinZano war. Ich entdeckte dieses steile Z in dem verheißungsvollen Wort „CinZano“ auch hier und da auf dreieckigen Aschenbechern in den Bars von Venedig. Toll. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
Doch. Hatte ich. Ich kannte so etwas. Ich kannte den herausragenden Großbuchstaben, den es eigentlich nur am Anfang eines Wortes geben darf – und nur bei Hauptwörtern oder nach einem Punkt – auch aus Deutschland. Ich kannte das von der Abkürzung „GmbH“.
Zumindest in meiner Erinnerung waren „GmbH“ und „CinZano“ lange Zeit die einzigen Beispiele für einen herausragenden Grußbuchstaben mitten im Wort. Zwei sehr unterschiedliche Beispiele, wie ich sagen muss. Der Unterschied könnte kaum größer sein: Das eine steht für eine lockere Lebensart, das andere für bürokratische Rechthaberei, das eine steht für einen italienischen Wermut, das andere für deutsche Wehmut.
Ich erinnere mich, dass damals in Deutschland eine generelle Kleinschreibung zur Diskussion stand. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft GEW propagierte das für den Unterricht, um die Sprache zu vereinfachen, die Fehlerquote bei Diktaten zu senken und so den Notendurchschnitt für schlechte Schüler zu verbessern. Die Gewerkschaft ging selber mit gutem Beispiel voran: in ihren mitteilungsblättern wurde die kleinschreibung vorgemacht, da konnte jeder mit eigenen augen sehen, ob es wirklich eine erleichterung mit sich brachte oder am ende doch nur zu mehr missverständnissen und zu mehr verwirrung führte.
Aber dann. Dann kamen sie, die Großbuchstaben
Man fand die Kleinschreibung auch in zeitgenössischer Lyrik und bei der Bahn, die damals die Parole ausgab: „fahr lieber mit der bundesbahn“ (alles klein geschrieben, das „fahr“ am Anfang des Satzes und die „bundesbahn“ am Ende).
Aber dann. Dann kamen sie, die Großbuchstaben. Sie kamen an Stellen, wo sie nicht hingehörten. Ich glaube „interRent“ war der Wegbereiter dieser Mode. Das Wort fiel auf: Obwohl es ein Hauptwort war, fing es lässig mit einem kleinen Buchstaben an, überraschte dann aber mit einem großen R in der Mitte. So kam der Großbuchstabe auf die Räder – oder unter die Räder. Noch lange vor der „BahnCard“.
Die Mode breitete sich fix aus. Verschiedene Kleinkunstbühnen boten nun ein neues „ProGramm“, das nicht etwa eine Alternative zur Diät sein sollte (nach dem Motto: Sie können getrost ein paar Gramm zunehmen), das Programmangebot sollte damit allein von der graphischen Anmutung her irgendwie interessanter wirken – und an der falschen Stelle zum Nachdenken anzuregen.
Das Binnen-I kam wenig später. Zunächst galt die Doppelnennung: „Leserinnen und Leser“. Die Doppelnennung machte den Eindruck, als ginge es lediglich um eine Ausweitung der Höflichkeitsform „Damen und Herren“. Viele verstehen das immer noch so. Sie haben nicht erkannt, dass die feministische Forderung nicht etwa darauf abzielte, männliche Höflichkeit, die es sowieso schon gibt, einzufordern und zu strapazieren, sondern etwas Neues einzuführen.
Die „Leserinnen und Leser“ sind schon alt. Die Formulierung wurde allerdings nicht durchgehend verwendet. Sie findet sich in frühen Publikationen, die man unabhängig von der aktuellen Währung als „Groschenromane“ bezeichnet. Es gibt sie nicht in der Hochkultur, sondern da, wo speziell eine weibliche Leserschaft angesprochen werden soll; eine Leserschaft, der man, so gut es ging, Honig um den Bart schmieren wollte. Offenbar war das erfolgreich. Auch wenn die Leserrinnen keinen Bart haben.
Die „Leserinnen und Leser“ wurden nur einmal aufgerufen. Nur am Anfang. Das reichte. Wenn man eine Doppelnennung konsequent durchführen will, wird es anstrengend. Dann verliert die Sprache Geschmeidigkeit und Eleganz.
So dachte man noch in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Deshalb wurde die Doppelnennung nicht durchgängig angewendet und nach Möglichkeit abgekürzt, indem man Klammern verwendete wie in „Leser(innen)“. Klammern waren aber nicht sehr bliebt, weil Frauen nicht nur in Klammern erwähnt werden wollten, als wären sie nicht so wichtig. Es gab ersatzweise die Version mit einem Schrägstrich: „Leser/innen“. Doch die Version war ebenfalls unbeliebt, weil Frauen, wie sie selber sagten „nicht auf den Schrägstrich geschickt werden“ wollten.
Da wirkte das Binnen-I – wie in „LeserInnen“ – als idealer Kompromiss, auch wenn es Klagen gab, dass dieses I irgendwie „phallisch“ in die Höhe ragt (wenn Sigmund Freud das erleben könnte, er würde noch im Grab eine Erektion kriegen). Dennoch verbreitete sich das Binnen–I wie eine Seuche. Es wurde zum Fähnlein der aufrechten Frauenfreunde.
Es schien alle Vorteile auf sich zu vereinen: Es war praktisch, leicht anzuwenden, gut zu verstehen und es tat so, als wären damit keinerlei Risiken und Nebenwirkungen verbunden, nach denen man sich bei einem Arzt oder bei einem Apotheker erkundigen müsste. Damit kamen gleich die nächsten Probleme: Müsste es nicht „Ärztin und Arzt“ und „Apothekerin und Apotheker“ heißen?
Viele dachten noch, dass es nur eine Höflichkeitsformel ist, die man zur Begrüßung aufsagt. Damit hätte man dann seine Pflicht und Schuldigkeit getan und könnte weiterreden wie bisher. Pustekuchen. Mehr und mehr wurde deutlich, dass es kein Halten gibt, wenn man sich auf den Sprachfeminismus einlässt.
Auf Schönheit und Eleganz kam es inzwischen auch nicht mehr an. Schön musste die Sprache längst nicht mehr sein. Die neue Frauenbewegung kämpfte gegen Schönheitsfarmen, protestierte gegen Miss-Wahlen und gegen repressive Schönheitsideale. Später sollten noch Schlampen-Paraden das Bild abrunden. Unter solchen Umständen waren Geschmeidigkeit und Anmut bei der Sprache auch nicht mehr nötig. Die Sprache durfte – jedenfalls wenn es nach Feministen geht – getrost verunstaltet werden.
Wir kriegten es nun mit „BürgerInnenmeisterInnenkandidatInnen“ zu tun. Die Marotte, einen Großbuchstaben zu verwenden, um so die Geschlechterperspektive in die Sprache zu zwingen, machte das Schriftbild flächendeckend hässlich. Doch das verstand nicht jedeR, oft bemerkte es keineR und insgesamt hatte man oder frau oder mensch (klein geschrieben) den Eindruck, dass es sowieso keineR mochte. Damit wurde nebenbei bemerkt auch der Schreibfluss verdorben, den eine gepflegte Handschrift braucht und auch die Musikalität der Sprache ging flöten.
Verständigungsprobleme bei Pornos
Verständnisprobleme gab es auch bei der „PorNO-Kampagne“ der späten achtziger Jahre. Da reichte es nicht, wenn man irgendwie mal was davon gehört hatte. Um richtig zu verstehen, wie die Kampagne der ‚Emma’ gemeint war, musste man schon ganz genau hingucken. Hier zeigte sich wieder, dass man Pornographie schlecht definieren kann, sie aber sofort erkennt, wenn man sie sieht. Wenn sie sich nur durch Hörensagen verbreitet hätte, hätte die Kampagne leicht das falsche Publikum erreicht und falsche Unterstützer angelockt. Das ist eben das Problem bei so einer Schreibweise: Großbuchstaben sind wie schlafende Hunde. Sie geben nicht Laut. Sie sehen nur gut aus. Man hört sie nicht.
Heute gibt es einen „Sex positiven“ Feminismus, der ein entspanntes Verhältnis zur Pornographie hat, solange Frauen nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera stehen, sitzen oder liegen. Man spricht auch von „Porn“, statt von „Porno“, so dass sich eine Kampagne, die feministische Pornofilme bewerben will, „PornOh!“ nennen könnte – mit Ausrufezeichen. Tatsächlich nennt sie sich „PorYes“. Wer nicht weiß, worum es geht und jemanden fragen hört „Wie wäre es zur Abwechslung mit ein bisschen Poryes?“, denkt womöglich, es handele sich um eine vegane Delikatesse oder um eine Entspannungsübung.
Es ist also, wie wir sehen, nicht so einfach. Das arme, kleine i ist mit den neuen Aufgaben oft genug überfordert. Das große auch. Nicht nur, dass man den Unterschied, den ein hervorragender Großbuchstabe markieren soll, nicht hört, man sieht ihn auch schlecht.
Man kann ein großes I (ih) oft nicht von einem kleinen l (el) unterscheiden, bei einem kleinen i (ih) muss man schon sehr genau hingucken, ob es wirklich ein kleines oder nicht vielmehr großes I (ih) sein soll oder eben doch ein l (el). Zwei kleine i (ih) hintereinander, sehen aus wie ein ü (üh). Vielleicht haben wir deshalb noch nie von einem Yeti und einer Yetiin (Yetün) gehört, was aber auch daran liegt, dass beide nur selten anzutreffen sind und es kaum einen Anlass gibt, sie zu erwähnen.
Die iranische Revolution von 1978/79 wurde erwähnt. Allerdings. Darüber wurde ausführlich berichtet und die Berichterstattung dazu brachte so manchen Fachausdruck in die Printmedien. Da sich die Korrekturleser (vielleicht waren es auch damals schon Korrekturprogramme) nicht so schnell auf die neuen Begriffe einstellen konnten, wurde gelegentlich noch vom „Schlittenführer“ Ajatollah Chomeini berichtet. Wenn auch selten. Das kann passieren. Das i wird leicht zum Stolperstein. Es wird leicht missverstanden.
Facebook veranstaltet ein bescheuertes Wischiwaschi
Auf facebook ist das Stolpern Pflicht. Das Binnen-I ist vorgegeben. Wenn sich ein Lokalpolitiker eine eigene Seite einrichten will, damit jeder sehen kann, was er für Bücher und Filme mag, wird er als „PolitikerIn“ geführt, egal ob er männlich oder weiblich ist, obwohl es leicht möglich wäre, einen Seitenbetreiber in die Lage zu versetzen, eine korrekte Angabe über sein Geschlecht zu machen. Nicht bei facebook. Bei einer Politikerin ist das phallisch herausragende I nicht gerade grob falsch, es ist jedoch überflüssig und fehl am Platz. Ein kleines i reichte. Bei einem Politiker ist es falsch.
Das große I geht unter
Facebook macht solchen Quatsch. Facebook veranstaltet – warum auch immer – ein bescheuertes Wischi-Waschi mit der Geschlechtszughörigkeit seiner UserInnen, was sich auch daran zeigt, dass man neuerdings zwischen 60 verschiedenen sexuellen Identitäten wählen kann, in England zwischen 58, in den USA zwischen 76 (die Zahlen variieren je nach Tageslaune), als ginge es bei der Frage nach der Sexualität um Geschmacksrichtungen bei Eiscreme. Da ist, wenn man Glück hat, die Bandbreite des Angebotes manchmal erstaunlich groß (zum Beispiel bei der einen Eisdiele in meiner unmittelbaren Nähe).
Nun kommen neue Probleme auf das Binnen-I zu: Unterstrich und Gender-Star machen das große I wieder klein, es heißt neuerdings „Wähler_innen“; es heißt auch „Leser*innen“ oder „Teilnehmer_innen“. Auch „Jüdinnen_Juden“ gibt es heute. Jeweils mit kleinem i. Das große I hat bei solchen Schreibweisen ausgedient. Mit dem Unterstrich oder mit dem Sternchen sollen Menschen berücksichtigt werden, die transsexuell sind. Speziell für diese Leute, sowie für alle Menschen, die sich nicht eindeutig einer der beiden Geschlechter (weiblich oder männlich) zuordnen können und die unter der Zwangsheterosexualität leiden, soll damit „Platz geschaffen“ werden.
Wie kam es dazu? Ein Transsexueller, der womöglich in Bielefeld lebt (vielleicht auch in Karlsruhe), der seinen Namen lieber nicht nennen will, hat die Fraktionen der Piraten, der Grünen, der Linken und auch der SPD angeschrieben und ihnen sein Leid geklagt: Er fühle sich nicht genug beachtet und möchte anregen, dass man ihm, sowie allen anderen missachteten Transsexuellen, einen Platz in der politischen Sprache schaffen möge. Nach Möglichkeit in jedem Satz. Sonst wäre er sehr, sehr traurig.
Die Grünen, die schon lange überlegt haben, wie man die Sprachzerstörung noch weiter vorantreiben kann, haben den Vorschlag begeistert aufgegriffen und beschlossen, bei allen zukünftigen Treffen auf Bundes- und auf Landesebene zuerst gemeinsam das Lied ‚Ein Stern, der deinen Namen trägt’ anzustimmen. Der Gender-Stern soll damit ganz groß rauskommen, er soll verpflichtend werden und in seinem Glanz sollen alle erstrahlen, die bisher im Schatten standen.
Der Bundesvorstand der Grünen begründet seinen Vorstoß so: „Transsexuelle, transgender und intersexuelle Personen werden so nicht mehr unsichtbar gemacht und diskriminiert.“ Gesine Agena, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen erklärt: „Wir halten den Gender-Star für geeignet, weil er das gesamte Spektrum von Geschlechtern und Identitäten berücksichtigt.“ Na dann. Hoffentlich wird der Gender-Stern nicht so verstanden, dass damit das gesamte Spektrum von Geschlechtern und Identitäten zur bloßen Fußnote gemacht wird.
Ein Genderstar am grünen Horizont
Doch es muss dringend aufgeräumt werden. Deshalb haben die Grünen bei der letzten Bundesdelegiertenkonferenz im November 2015 folgendes beschlossen: „Wir gendern, indem wir im Regelfall den Gender-Star verwenden (Bürger*innen, Student*innen …)“ und „die weibliche Form explizit mit nennen (Bürgerinnen und Bürger, Studentinnen und Studenten …)“
Damit lichtet sich der Nebel, den die Grünen selbst geschaffen haben. Im Jahre 2013 schrieben sie noch von „BildungsverliererInnen“ und „StromverbraucherInnen“, im Jahre 2014 machten sich aber schon die „Miesmacher*innen“ und „Überwacher*innen“ bemerkbar. Der Stern setzte sich schließlich durch. Die Großschreibung wurde gekippt.
Damit war das Aus gekommen für den _Unterstrich – auch „gender-gap“ genannt – („mind the gap“). Es war auch das Aus für das Binnen-I. Traurig bin ich nicht. Mir hat das Binnen-I nie gefallen. Ich empfehle weiterhin den Browser ‚Binnen-I-be-gone’. Damit wird das lästige und überflüssige Binnen-I beseitigt. Aus der BenutzerInnenoberfläche wird wieder eine Benutzeroberfläche. Es ist aber nicht besser geworden. Mir geht es übrigens auch so, dass ich immer, wenn ich aufgeräumt habe, anschließend erst rechts nichts wiederfinde.
So auch hier. Es wurde aufgeräumt – und damit wurde gleich ein neues Chaos erschaffen. Denn die allseits gefürchtete „-innen“-Form ist geblieben. Doch jetzt wird sie nicht mehr durch ein steil aufragendes, großes I als Neuerung kenntlich gemacht. Damit ist die ursprünglich exklusiv für das Weibliche vorgesehene „-innen“-Form unauffällig zur Grundform geworden, die alles umfasst, wie das bei den berühmten Professorinnen von Leipzig, die in Wirklichkeit Männer sind, der Fall ist.
Neulich habe ich gehört, dass die „Wählerinnenschaft der AfD hauptsächlich aus Männern besteht“. Ich habe auch schon von Rechtspopulistinnen, Wutbürgerinnen und Rassisten gehört, wenn ausschließlich alte, weiß, heterosexuelle Männer gemeint waren. Anton Hofreiter erzählt stolz von seinen „weiblichen Freundinnen“, die er hoffentlich gut von seinen männlichen Freundinnen unterscheiden kann. Aber womöglich kommt es darauf längst nicht mehr an.
Bei den Studentinnen kommt es drauf an. Die können ein „Studentenwerk“ nicht länger ertragen und bestehen auf der „neutralen“ Form „Studierendenwerk“.
Für mich hat das immer die Tristesse von GmbH, nie den Charme von CinZano.
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