zu einem neuen Miteinander
„Das Wahre ist das Ganze.“ G.W.F. Hegel in der Vorrede zur ‚Phänomenologie des Geistes’
„Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge.“ Volksmund
Wenn man Miteinander der Geschlechter betont, wirkt auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit – eine harmlose, gut gemeinte Forderung von netten Menschen. In der gegenwärtigen Situation jedoch, in der Geschlechter als „unabhängig“ und als „getrennt“ voneinander gesehen werden, wird der Gedanke des Miteinanders zu einer starken Opposition gegen das künstliche Nebeneinander, das uns aufgedrängt wird und das sich schon beim zweiten Blick als bösartiges Gegeneinander erweist.
Der Ansatz, Probleme miteinander zu lösen und sie von Anfang an so darzustellen, dass dabei deutlich wird, dass es sich nicht um eine simple Gut-und-Böse-Szenerie handelt, ermöglicht es erst, faire und zukunftsfähige Lösungen zu finden. Polarisierungen können das nicht. Die Bestandsaufnahme muss verantwortlich sein und darf nicht auf der Basis von „gefährlichem Halbwissen“ erfolgen.
Man darf gar nicht erst in den Geschlechterkrieg ziehen und zu einem absurden Vergleichskampf antreten, man muss die Versuchsanordnung eines erzwungenen Gegeneinanders in Frage stellen und die Geschlechter-Apartheid unterlaufen: Wegen Unbespielbarkeit des Platzes fällt das angekündigte Qualifikationsspiel DER Frauen gegen DIE Männer aus.
Stattdessen soll man versuchen, die verschiedenen Kräfte konstruktiv zusammenzuführen und auf eine neue Grundlage zu stellen, nämlich auf die eines verständnisvollen Miteinanders. Ein „ganzheitliches“ Denken, das schon bei der Wahrnehmung und Beschreibung der Probleme anfängt, ist jedem anderen Denken überlegen, das meint, man könne die Probleme isolieren, ohne dabei die Risiken und Nebenwirkungen zu berücksichtigen.
Zwei Beispiele:
Erstens: Die Gewalt-Diskussion
Wenn man Gewalt als reine Männergewalt darstellt – nur als „Gewalt gegen Frauen“-, ist das nur eine Seite, die vielen sogleich als die „einzige“ und zugleich als die „einzig wahre“ erscheint; sie sind dann völlig überrascht, wenn man ihnen erklärt, dass häusliche Gewalt tatsächlich zu 25% von Männern, zu 25% von Frauen und zu 50% von beiden ausgeht.
Wenn man nun eines der vielen Programme, die sich gegen „Gewalt gegen Frauen“ richten, ergänzt um ein Programm, das „Gewalt gegen Männer“ thematisiert, hat man zwar einen richtigen, aber auch nur ersten Schritt getan. Dann stehen sich zwei Seiten gegenüber, die sich den Spiegel vorhalten und sich gegenseitig vorwerfen, die Opferzahlen falsch einzuschätzen.
Immerhin ist man von einer nur 25%tigen Wahrnehmung zu einer 50%tigen gekommen. Weiter nicht. Die Ursachen sind noch nicht in Sicht. Erst wenn man die getrennte Betrachtung überwindet, kommt man der Wahrheit näher, und kann sich fragen, was Frauen und Männer jeweils dazu beitragen, dass sie schlagen – beziehungsweise geschlagen werden.
Es ist immer noch kein vollständiges Bild. Es kommt noch die psychische Gewalt hinzu, die passive Aggressivität und die delegierte Gewalt.
Zweitens: Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere
Die Diskussion darüber wird so geführt, als handele es sich dabei lediglich um eine Angelegenheit von Frauen, von der ausschließlich sie selbst betroffen sind. Da ist vom „Karriereknick“ die Rede, von einer „gläsernen Decke“ und von geheimnisvollen „Männerbünden“, die dem Aufstieg einer Frau in obere Etagen im Wege stehen.
Um hier nicht bei der halben Wahrheit zu bleiben, sollte man ebenso – und zwar möglichst mit denselben Begriffen – die Situation der Männer beschreiben, außerdem die Auswirkungen auf die betroffenen Kinder und darüber hinaus die Folgen für die gesamte Gesellschaft. Sonst behält man einen Tunnelblick und versteht nicht mal, dass eine Karriere, die zu Spitzenpositionen führt, für Männer genauso schwierig ist und dass es dabei auch um andere Dinge geht als um Geschlechtszugehörigkeit.
Der große „Karriereknick“ für Männer liegt in der Scheidung und ist für sie weitaus weniger vorhersehbar, beherrschbar oder gar vermeidbar als eine Schwangerschaft, hat aber dramatische Auswirkungen, nicht nur für den betroffenen Mann selber, der danach oft nur noch zum Fensterputzer der gläsernen Decken taugt, in denen sich die Frauen der F-Klasse spiegeln.
Ein anderer Karriereknick liegt vor, wenn ein Mann Opfer einer Quote wird, was man genauso mit Empathie beschreiben und als echtes Problem thematisieren muss wie das Imageproblem einer Frau, die von der Quote profitieren will.
Man muss sich außerdem fragen, was eine Karrierefrau für Kinder und für die Gesellschaft leistet im Vergleich zu einem Karrieremann.