Wie würden Nazis heute reden?

 

Mit der Sprache fängt es an. Sie ist ein Frühwarnsystem, das leicht nachvollziehbar herannahende Fehlentwicklungen in einer Sprachgemeinschaft anzeigt. Hier, ganz besonders hier, ist die Parole „Wehret den Anfängen“ angebracht.

 

Es gibt einen Vorteil: Wenn es um Sprache geht, dann können wir alle mitreden und müssen nicht vor Experten kuschen. Wir sollten auch mitreden. Es geht uns schließlich alle an.

Die Anfänge haben wir längst hinter uns, wie weit wir schon vorangeschritten sind, zeigt sich beispielhaft an der Ausdrucksweise der Fernseh-Berühmtheit Sarah Bosetti, die zuletzt zum Ende des Jahres zusammen mit Christian Drosten ein paar Späßchen gemacht hat.

 

Vorhang auf für den Bosetti-Salto

Ich habe ab und zu mal Videos von ihr angesehen und mehr und mehr ist mir deutlich geworden, dass sich an ihrem Sprachgebrauch die Misere, in der wir gerade stecken, besonders gut ablesen lässt. Hier spürt man, wie sehr die Stimmung im Lande verdorben ist.

Sarah Bosetti zeigt, wie das Gendern die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt, obwohl es vorgibt, eine Sprechweise zu sein, die diskriminierungsfrei und daher „gerecht“, „sensibel“ und moralisch überlegen ist. Doch das Gegenteil trifft zu.

Sie ist eine erstaunliche Sprachkünstlerin. Sehen Sie selber, staunen Sie, wundern Sie sich – Trommelwirbel, Vorhang auf: Sie wird uns nun den rasanten Bosetti-Salto vorführen. Sogar doppelt.

Doch zuvor etwas über Elche.

 

Was man über Elche wissen sollte

„Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“ Diesen Merkspruch verdanken wir F.W. Bernstein. Bei Sarah Bosetti liegt der Fall anders, hier könnte man sagen: Die schärfste Kritikerin der Elche hat sich wenig später selbst als Elch erwiesen (oder muss es Elchin heißen?).

Sarah Bosetti ist bekannt für besonders scharfe Kritik an allem, was als „rechts“ gilt, was „irgendwie nazi“ ist. Doch nun ist es passiert, sie hat „Autobahn“ gesagt … nein, „Eskimo“ … nein, „Indianerhäuptling“ … nein, „Zigeunerschnitzel“ … auch nicht; sie hat „Blinddarm“ gesagt. Nicht so schlimm. Das darf man sagen. Es kommt allerdings auf den Zusammenhang an.

Sie hat von der Spaltung der Gesellschaft gesprochen (ab Minute 4, Kommentar dazu hier), die ihrer Meinung nach nicht so schlimm ist, wenn dabei nur ein kleiner Teil abgespaltet wird, nämlich ein Teil „weit rechts unten“.

 

Der Blinddarm kann weg

Damit hatte sie die Ungeimpften gemeint („wir alle wissen, wer Schuld an dieser vierten Welle trägt“ …), also alle, die sowohl ungeimpft und zugleich „rechts unten“ sind. Diese neu entdeckte Bevölkerungsgruppe mit den beiden Merkmalen „ungeimpft“ und „rechts unten“ betrachtet sie als „Blinddarm“: „Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essenziell für das Überleben des Gesamtkomplexes.”

Für sich genommen ist der Satz richtig. Blinddarmoperationen sind recht häufig. Der Legende nach können die zur Not von einem Kapitän auf hoher See bei Windstärke Neun durchgeführt werden – der Matrose kann dann überleben.

 

Das böse Teil und das gute Ganze

Doch worum geht es hier? Was ist mit „Gesamtkomplex“ gemeint? Der menschliche Körper – etwa der eines Matrosen – oder im übertragenen Sinne der Körper der gesamten Gesellschaft? Und was ist mit „Blinddarm“ gemeint?

Der SS-Arzt Dr. Fritz Klein nannte den Gesamtkomplex „Menschheit“, und die Juden waren für ihn der entzündete „Blinddarm“. Er schrieb seinerzeit: „Aus Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben würde ich einen eiternden Blinddarm aus einem kranken Körper entfernen. Der Jude ist der eiternde Blinddarm im Körper der Menschheit.“

Einige aufmerksame Beobachter wie zum Beispiel Don Alphonso, Reitschuster, Tichy, Danisch, Klonovsky (auch auf indubio wurde es erwähnt …) sind hellhörig geworden und haben eine bemerkenswerte Übereinstimmung festgestellt: Sarah Bosetti und der SS-Arzt Klein gebrauchen dieselbe Metaphorik.

 

Aus der Tiefe des Herzens

Daraufhin hat Sarah Bosetti ein Video nachgelegt (Kommentar dazu hier), um sich „ehrlich“ zu entschuldigen, nicht nur ehrlich, sondern auch „aus tiefstem Herzen“.

Allerdings ist mir die Tiefe ihres Herzens nicht geheuer. Mir haben von Anfang an die Untertöne zugeflüstert, dass sie sich nicht entschuldigen würde. Ich höre nicht nur mit den Ohren.

So kam es auch. Sie entschuldigt sich nicht. Sie rüstet auf. Ich habe ihr den falschen Zungenschlag sofort angemerkt. Merken Sie es auch? Testen Sie sich selbst: hören Sie kurz rein.

 

Männer mit angehängten Innen-Schwänzen 

Was sagt sie? Zunächst überzieht sie ihre Kritiker mit übler Nachrede, stellt sie als Zeitgenossen mit menschlichen Makeln dar und erklärt unmissverständlich, dass sie mit diesen „absichtlichen Falschversteherinnen“ grundsätzlich nicht redet.

Wer von denen, die sie gerade erst namentlich erwähnt hatte, damit gemeint ist, bleibt allerdings ihr Geheimnis. Denn es sind alle keine „absichtlichen Falschversteherinnen“ – „-innen“ schon mal gar nicht.

Es sind Männer. Doch ohne Innen-Schwänze macht es Sarah Bosetti nicht, egal ob sie angebracht sind oder nicht. Wenn keine Innen-Schwänze da sind, bringt sie kurzerhand selber welche an.

 

Sie geht mit schlechtem Beispiel voran

Falschbezeichnungen und Falschbeschuldigungen gehören zu den herausragenden Kennzeichen der feministischen Rhetorik – und zur Gender-Sprache. Und damit sind wir an dem Punkt angelangt, an dem ich mit ihr überkreuz bin.

Ich halte das Gendern für ein einziges Unglück. Ich sehe darin den Versuch, ein in sich geschlossenes Lügengebäude zu konstruieren, bei dem es immer schwerer und vielleicht sogar unmöglich wird, das Gebäude wieder zu verlassen und frei zu reden – und zu denken.

Sarah Bosetti wiederum gehört zu denen, die besonders heftig für das Gendern trommeln und trompeten. Sie geht mit schlechtem Beispiel voran, gendert selber und zeigt uns anhand der sprachlichen Unfälle, die sie dabei verursacht, wohin das führt.

 

Zwei verfeindete Lager

Bei ihr spürt man deutlich die Aggression, die auch bei anderen Befürwortern des Genderns vorzufinden ist. Sobald ich ein Video von ihr öffne, sinkt die Raumtemperatur um mindestens vier Grad. So sehr wirkt sich der Kältestrom aus, der von ihr ausgeht.

Sie wirkt genervt, klagt an, beschuldigt und schimpft über die deutschen, weißen, heterosexuellen Cis-Männer ohne Behinderung, die uns den ganzen Ärger überhaupt erst eingebrockt haben. Sie lästert über alle, die geistig träge, unflexibel oder einfach nur rückständig sind, oder aus anderen niederen Motiven nicht mitmachen wollen, wenn es darum geht, sich zu unterwerfen, endlich auch so zu gendern, wie sie es vormacht und damit die Gesellschaft zu spalten.

 

Erst spalten, dann …

Denn genau das passiert: Gendern spaltet. Eine „tiefer werdende Spaltung der Sprache“, hatte Wolfgang Thierse im April 2021 beklagt. Zu recht. Man hätte es auch schon früher merken können, viel früher. Spalten ist das erste Gebot des Genderns.

Zunächst wird ein Keil zwischen dem guten „Weiblichen“ und dem bösen „Männlichen“ geschlagen. Außerdem kommt es zu einer Spaltung zwischen denen, die gendern und denen, die es nicht tun. Der Spalt wird immer tiefer. Die Königskinder kommen nicht mehr zusammen, das Wasser ist zu tief geworden.

Es haben sich zwei Lager gebildet. Bei jeder Pluralbildung geben sie sich zu erkennen und bestätigen durch ihren Sprachgebrauch, dass sie die Spaltung anerkennen und für unüberwindlich halten. Oh weh, jetzt habe ich gerade „Lager“ gesagt.

 

… was dann?

Mit der Sprache fängt es an. Sie ist, wie gesagt, ein Frühwarnsystem, um Fehlentwicklungen in der Sprachgemeinschaft zu erkennen. Wohin ein forciertes Befürworten von Spaltungen führt, war mir auch ohne ein Fundstück aus der NS-Zeit klar:

Die ständige Beschwörung einer Spaltung führt zu einem unerbittlichen Gegeneinander, führt zur Feindschaft. Am Ende heißt es nur noch: Weg damit! Sie haben es nicht besser verdient.

Man wird doch wohl noch „Blinddarm“ sagen dürfen

Sarah Bosetti verteidigt sich wacker. Die einzige Gemeinsamkeit von ihr und diesem SS-Arzt, so meint sie, bestünde darin, dass sie beide „Blinddarm“ gesagt hätten, und „Blinddarm“ wäre für sich genommen kein N-Wort. Stimmt.

Um es zu einem Nazi-Wort zu machen, müsse man es auch wie ein Nazi benutzen, und das, meint sie, hätte sie nicht getan, während ihre Kritiker der Ansicht sind, dass sie es eben doch getan hat. „Nazi-Rhetorik wird es da, wo man Menschen als zu entfernende und zu vernichtende Krankheit degradiert“, sagt sie. Eben.

In ihrem Entschuldigungs-Video wiederholt sie in voller Länge, was sie gesagt hat und bestätigt (vermutlich ohne es selbst zu merken) die Übereinstimmungen, die ihr vorgehalten werden und fügt ihnen noch ein Ausrufezeichen hinzu: Der kranke Blinddarm soll weg, damit der Körper überlebt. Das ist die Botschaft.

 

Blinddarm hier, Blinddarm da

Es sind Menschengruppen, die durch den Vergleich mit einem Blinddarm als Krankheit gesehen werden.

Ihre Entschuldigung ist in Wahrheit eine Eskalation, die mit den Worten schließt: „Aber, okay, ihr habt mich soweit, ich gebe auf, ich möchte mich hiermit in aller Form für meine Worte entschuldigen. Es tut mir leid, liebe Blinddarme dieser Welt: diesen Vergleich hattet ihr wirklich nicht verdient.“

Was zeigen Vergleiche?

Vergleiche zeigen Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Es gibt Gemeinsamkeiten in der Wortwahl, die ins Auge springen. Es gibt aber auch Unterschiede: Der SS-Arzt Klein spricht davon, dass er – er ist schließlich Arzt – den schmerzhaften Eingriff selber vornehmen und den eiternden Blinddarm entfernen würde.

Das sagt Sarah Bosetti nicht: Sie stellt noch einmal ausführlich klar, was sie gesagt hat, na, ja, okay, nicht wörtlich, so hatte sie es nicht gesagt … aber so hätte sie es eigentlich sagen wollen, so will sie es jedenfalls verstanden wissen, also:

„Ich habe gesagt: Ihr, die ihr die Spaltung wollt, die ihr euch abspalten wollt, macht doch, wir kommen auch ohne euch klar.“

Ich verstehe das so: Der Matrose lebt weiter. Der Blinddarm geht über Bord.

 

Der Blinddarm will das so

Haben Sie den Unterschied bemerkt? Mal wird ein Blinddarm operativ entfernt, mal geht er von alleine, weil er das will. So kennen wir den Blinddarm – oder? Der geht einfach. Der macht, was er will, Tschüß Blinddarm, time to say goodbye. Wohin mag er gehen? Egal. Er wollte es. Soll er doch sehen, wo er bleibt.

Was sie damit sagt, kann man so übersetzen: Selber schuld. Alle, die ihr heute ausgegrenzt, geschädigt, drangsaliert, ruiniert, verfolgt, bestraft, genötigt, erpresst, angeklagt, beschimpft, bedroht, eingesperrt und abgetrennt werdet: selber schuld. Ihr habt es nicht besser verdient. Außerdem: Ihr wolltet es ja selber so. Wir richten uns da nur nach euren Wünschen.

Da haben wir sie: die Aktiv-Passiv-Verdrehung, die gefürchtete Täter-Opfer-Umkehrung, wie wir sie von Feministinnen kennen. Ein eindrucksvoller Bosetti-Salto war das: Applaus!

 

Kritik ist Kritik. Spaltung ist Spaltung

Sarah Bosetti findet es nicht schlimm: „Das ist kein Aufreger“, meint sie. An die Adresse der Blinddarme gerichtet, erklärt sie: „Das ist nach eurem unsolidarischen Verhalten der vergangenen Monate bis Jahre eine Kritik, die ihr euch gefallen lassen müsst.“

Abgespaltet zu werden wäre demnach eine „Kritik“, noch dazu eine, die man sich „gefallen lassen“ muss. Eine Frage hätte ich da noch zur zeitlichen Reihenfolge: Das kritikwürdige Verhalten zeigte sich ja schon seit „Jahren“ – ab wann genau? Gilt jemand, der noch bis vor Kurzem den offiziellen Verlautbarungen Glauben geschenkt hat, dass es keine Impfpflicht geben würde und sich darauf eingestellt hat, auch schon als unsolidarisch?

Ab wann wäre die rote Linie überschritten, nach dem ein gutmütiges Vertrauen in die Obrigkeit zu einem kritikwürdigen und unsolidarischen Verhalten wird? Okay: Ich ziehe die Frage zurück (ich rechne nicht mit einer Antwort).

 

Bosetti will reden. Bosetti will doch nicht reden 

Nein, nein, nein, Kritik ist das nicht, ganz und gar nicht. Wer kritisiert, hat etwas anderes im Sinn als jemand, der eine Abspaltung befürwortet. Nach einer Kritik soll etwas besser werden, nach einer Abspaltung geht der abgespaltene Teil verloren. Das ist der Unterschied.

Wer kritisiert, redet mit denen, von denen erwartet wird, dass sie sich mit der Kritik auseinandersetzen. Doch Sarah Bosetti redet nicht. Ihre Videos heißen zwar „Bosetti will reden“, aber sie hat es bereits deutlich gesagt: Sie redet nicht mit jedem. Nicht mit „rechten Hetzern“, nicht mit „absichtlichen Falschversteherinnen“.

 

Wie löst man am besten einen Shitstorm aus?

Denn die sind böse. Die haben nicht etwa ihrerseits Kritik geäußert, die sich jemand, der so unbedacht daherredet, wie sie es tut, gefallen lassen muss; diese bösen Männer mit den Innen-Schwänzen haben etwas anderes getan; und zwar etwas, was sie „am besten können“ (woher sie das weiß?): Sie haben einen Shitstorm ausgelöst. Dabei ist das gar nicht so leicht.

Doch manche schaffen das: Sie provozieren gezielt (manchmal auch versehentlich), sogleich schwappt eine Welle der Empörung durch das Netz. Bei Sarah Bosetti war es anders. Sie hat kein Wässerchen getrübt. Da war kein „Aufreger“, der von ihr ausging. Das Video mit dem Blinddarm-Vergleich hat sie einfach nur „geteilt“. Und dann? „Leute fanden es lustig, alles war gut.“

 

Alles war gut

Aber nicht lange. Dann kam Rainer Meyer, alias Don Alphonso, ein „Aufwiegler“, der „gegen Journalistinnen“ hetzt, und der hat zusammen mit anderen absichtlichen Falschversteherinnen einen Shitstorm losgetreten.

Also: Nicht sie war der Auslöser. Auslöser waren die kritischen Kommentare. Auslöser war die Resonanz. Die erst hat den Shitstorm hervorgebracht, getreu dem Motto: Es fing damit an, dass er zurückgeschlagen hat. Ein weiterer Bosetti-Salto. Applaus, Applaus.

 

Wie war das in Wien im Jahre 1950?

Zeitsprung. Ortswechsel. Nun etwas ganz anderes. Oder doch nicht?

Zu guter Letzt ein Auszug aus dem Tagebuch von Günther Anders: Er besucht Wien im Jahr 1950 und erklärt einem der dortigen Hausbesitzer, dass London, Warschau oder Rotterdam viel stärker zerstört worden sind.

Darauf zeigt der angesprochene Wiener mit einer Handbewegung auf die Zerstörung, die man schon durch das offene Fenster sehen kann und sagt: „Die, die das getan haben, denen ist Warschau und Rotterdam zu gönnen. Sie haben es nicht besser verdient.“