Fünfter Brief

Briefmarke

Bericht von der Heimatfront

 Liebe Frauen

Doch. Es gibt Krieg. Bei uns. Einen Krieg der besonderen Art.

Ich habe nach meiner Rückkehr aus Vietnam einen Vortrag über die Bedeutung der Familie gehalten, wie ich sie da kennengelernt hatte. Mein Eindruck war, dass die vietnamesische Großfamilie mit der besonderen Würdigung der Ahnen und der starken Tradition des Tet-Festes dem Sozialismus widerstanden hat und womöglich auch dem Kapitalismus widersteht. Der Kinderreichtum hat mich gerührt. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich bin auf einer Kinderparty. Das habe ich gesagt.  

Das hat mir heftige Feindschaft eingebracht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Jedenfalls nicht in dem Ausmaß. Sie, liebe Leser, werden sich womöglich ebenfalls wundern, wenn Sie weiterlesen und von den Aggressionen erfahren, die inzwischen vor unseren Haustüren wüten.

Wir werden nicht mehr in Ruhe gelassen. Wir sind mitten in einer neuen Art von Civil War, mitten in einem Krieg gegen die Familie und damit auch gegen das Kind. Es trifft uns alle: Wir alle kommen aus Familien. Wir können alle mitreden. Mehr noch als bei anderen Themen. Aber tun wir das? Trauen wir uns das überhaupt noch? Vielleicht glauben Sie, dass wir in einem Land leben, in dem ein freier Meinungsaustausch nicht nur grundsätzlich möglich, sondern auch ausdrücklich erwünscht ist. Aber so ist es nicht. Nicht mehr.

Vielleicht haben Sie es schon mitgekriegt: Das Meinungsklima ist überreizt*. Es weht ein eisiger Wind. Nun da wir keine Gestapo und keine Stasi mehr haben, haben wir eine Stimmung im Land, als hätten wir doch eine Gestapo oder eine Stasi. Wieder sind Denunzianten, Falschbeschuldiger und Scharfmacher am Werk, die vorsätzlich Schaden anrichten wollen und nicht etwa Meinungen angreifen, sondern Personen.

Nun. Ich sagte es schon. Ich bin Kinderbuchautor. Nicht nur. Aber auch. Ich habe ein Kind. Da kann man sich denken, dass mich Kinder nicht nur als Endverbraucher von Spielsachen interessieren. Ich bin selber jahrelang Kind gewesen; ich weiß, wie sich das anfühlt.

Außerdem habe ich einen pädagogischen Hintergrund: Ich bin bei meinem Vater in die Schule gegangen – und außerdem bei meiner Mutter. Damals gab es noch Dorfschulen. Da ging das. Schließlich habe ich – wen wundert es? – Erziehungswissenschaften studiert.

Natürlich liebe ich Kinder. Aber – das sagt auch Paul Maar – nicht alle. Es ist wie bei Frauen. Ich sehe da große Unterschiede. Es ist gerade die Liebe, die diese Unterschiede macht. Die will ich mir nicht austreiben lassen. Ich wäre vermutlich ein schlechter Lehrer, weil ich manche Kinder so sehr mag, dass ich sie hemmungslos bevorzugen würde. Ich weiß auch nicht, was ich tun müsste, um mir das nicht anmerken zu lassen. Am meisten würde ich mein eigenes Kind bevorzugen.

Ich habe immer noch den Kinderblick. Den möchte ich nicht ablegen und vorschnell in die Altkleidersammlung geben. Wenn ich die Welt durch meine Kinderaugen betrachte und nicht die verordnete feministische Brille aufsetze – was sehe ich dann?

Dann sehe ich, dass es den Familien schlecht geht. Nicht nur, dass es einer Familie heute schwer gemacht wird, einigermaßen über die Runden zu kommen, sie hat obendrein Feinde, die es vorher noch nicht gab.

Auf dem Plakat steht:

EURE FAMILIE KOTZT UNS AN

Was sind das für Leute? Wogegen kämpfen sie? Was treibt sie an? Was treibt sie um? Was macht sie so wütend? Was macht sie so böse?**

Mich macht es ratlos. Ich kann mich nicht darüber freuen, dass heutzutage – wohin man auch blickt – die Familien scheitern und sich auflösen. Mich macht es traurig.

Das Kind in mir weint, wenn ich sehen muss, dass sich Eltern als Konkurrenten empfinden und so tun, als würden sie verfeindeten Lagern angehören; wenn sich die geliebten Eltern streiten und hilflos nach Anwälten und Beratern rufen, damit die für sie die Probleme lösen, die sie selbst nicht lösen können. Wieso nicht? Was sind das überhaupt für Probleme?

Als Kind wünsche ich mir Eltern, die nicht nur groß und stark aussehen, sondern so groß und stark sind; so stark, dass sie zumindest die Probleme des täglichen Zusammenlebens selber lösen können. Was soll denn erst werden, wenn ersthafte Probleme auftauchen und womöglich ein Krieg kommt ohne anzuklopfen. Aber „Elter 1“ und „Elter 2“ (wie man sie neuerdings nennt) sind Dummköpfe, die nicht verstanden haben, dass der Staat ihre Probleme nicht löst, sondern vergrößert und sich an ihrem Unglück und dem Unglück, das sie den Kindern zufügen, auch noch bereichert.

So denke ich. Das schimmert immer wieder in meinen Texten durch. Das reicht. Damit gelte ich als Rechter. Als Frauenfeind. Als Männerrechtler. Als Hetzer. Als angry white man. Und neuerdings als homophob. Wenn das homophob ist, dann frage ich mich: wie krank ist das denn?

Gute Besserung wünscht

Bernhard Lassahn

Willkommen zu den Fußnoten!

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Denken Sie an den Fall Tim Hunt. An dem Beispiel erkennt man gut, was wir für eine Schieflage haben.

  ** shoes-89037_640

Bei einer Konferenz in Leipzig zur „Zukunft der Familie“ im November 2013 hatten sich Demonstranten eingefunden mit der Parole: „EURE FAMILIE KOTZT UNS AN!“ Da habe ich mich gefragt: Welche Familie meinen sie? Ihre eigene offenbar nicht, sonst würde es nicht „eure Familie“ heißen. Aber andere Familien kennen sie nicht. Warum lassen sie fremde Familien nicht in Ruhe? Den Familien in Deutschland geht es schlecht, sie liegen darnieder. Die Demonstranten, von denen einige, wie man inzwischen weiß, bezahlt wurden, bespeien einen Schwachen, der bereits am Boden liegt und Hilfe benötigt. Ich finde das widerwärtig. Auf dem Transparent ist eine junge, dynamisch wirkende Familie zu erkennen – wie aus einer Werbung für eine Lebensversicherung. Mutter und Tochter tragen kein Kopftuch. Es sieht aus, als wäre es eine Familie ohne Migrationshintergrund. Stellen wir uns vor, die Demonstranten, die sich der Linken und der Antifa zurechnen, hätten ein Familienbild mit Kopftüchern gewählt und wären mit der Parole „Eure Familie kotzt uns an“ durch ein Wohnviertel gezogen, in dem überwiegend Migranten leben. Welchen Eindruck hätten die von der Fremden- und Kinderfreundlichkeit in Deutschland? „REFUGEES WECLCOME“, hieß es zuerst. Wenn nun wenig später die Familien der Flüchtlinge nachkommen, werden die dann mit der Parole „EURE FAMILIE KOTZT UNS AN“ begrüßt?

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