XY ungelöst

Auf der Suche nach dem Täter im Nebel der geschlechtergerechten Sprache

 

Elter 1 und Elter 2, Studierende, Erlebende.

 

So sieht sie aus. Die geschlechtergerechte Sprache. Es ist wie mit Pornografie. Man muss nicht lange über eine Definition streiten – man erkennt sie sofort, wenn man sie sieht.

 

Die Beispiele habe ich mir ausgesucht, damit wir uns vor Augen halten können, worüber wir eigentlich reden. Wer redet? Wann? Wo? Im Rahmen des evangelischen Kirchentages hat es eine Genderdebatte gegeben unter dem Titel „Für eine sanfte Revolution der Sprache“ (siehe unten). Da ging es um „geschlechter- und gendergerechte“ Sprache.

Okay. Wir können die „geschlechter- und gendergerechte“ Sprache leicht erkennen.

 

Wie wirkt sie sich aus? Sie hat Wirkungen und Nebenwirkungen. Eine der Wirkungen besteht darin, dass die Täter versteckt werden. Wir lesen einen Krimi, aber dürfen ihn nicht bis zum Schluss lesen. Die Frage „who did it?“ bleibt unbeantwortet. Nicht nur die Geschlechtszugehörigkeit verschwindet im Nebel, auch die Täter verstecken sich in einer neu geschaffenen Grauzone zwischen Aktiv und Passiv.

 

Schauen wir mal. Auch diesmal will ich ein Zitat voranstellen. Ich halte der geschlechtergerechten Sprache vor, dass sie, wie Paulus gesagt hat, „undeutlich“ (Korinther 14.9) ist. Sie schafft vorsätzlich Unklarheiten, als würden sie einer Anweisung folgen, die man gelegentlich in den Drehbüchern von Federico Fellini findet – da heißt es: „Nebbia qui, nebbia là” (Nebel hier, Nebel dort).

 

Elter 1 und Elter 2

 

Inzwischen sind in Formularen bei Behörden die vertrauten Begriffe „Vater“ und „Mutter“, die noch aus einer Zeit stammen, als eine gerechte Sprache unbekannt war und keiner wusste, was „gender“ ist, durch „Elter 1“ und „Elter 2“ ersetzen worden, um damit eine neue Art von Gerechtigkeit zu schaffen.

 

Nun kann man einwenden … äh, wieso? Damit ändert sich doch nichts in Sachen Aktiv und Passiv. Ein Elter ist doch genauso eine aktive Person, wie es eine Mutter oder wie es ein Vater wäre. Wir wissen nach wie vor, wer die Täter sind. Ja, ja. Schon. Aber was tut so ein Elter?

 

Mit der Umbenennung verschwindet unsere Vorstellung von der Tätigkeit, die sich derjenige oder diejenige, der oder die sich heute „Elter“ nennt, ausübt … Oh weh, das war ein komplizierter Satz. Mit Vater oder Mutter wäre das nicht passiert. Das haben wir davon. Wir wissen nicht, was für ein Geschlecht derjenige oder diejenige hat. Wir wissen auch sonst nichts.

 

Auch die Kriminalkommissarinnen sind ratlos: Sie können einen Täter nicht mehr so leicht auf die Spur kommen. Elter 1 und Elter 2 hinterlassen keine Spuren. Wir haben keine Vorstellung davon, was sie tun. Wenn wir an eine Mutter denken, haben wir sofort eine Vorstellung davon, welche Aktivität sie aufgebracht hat, ein Kind in die Welt zu setzen und was es für ein Aufwand ist, das Alltagsleben mit einem quengelndem Kind zu meistern. Bei einem Vater haben wir ebenfalls gewisse Vorstellungen. Bei Elter nicht.

 

Wir wissen nicht, ob sie etwas gemeinsam haben – abgesehen von der Bezeichnung, die man ihnen verpasst hat. Wir wissen auch nicht, was sie für eine Beziehung zueinander haben. Wir wissen auch nicht, ob sich ein Elter überhaupt um ein Kind kümmert oder sich gerade auf der Flucht befindet.

 

Früher konnten wir uns vielfältige, die Fantasie anregende Unterschiede vorstellen zwischen einem Vater und einer Mutter. Zwischen Elter und Elter sehen wir keine. Bei Vätern und Müttern waren uns auch die verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen bekannt, die man beim Umgang mit Kindern beachten musste. Bei Elter und Elter ist nichts bekannt.

 

 

 

Studierende

 

Wir sehen keine Unterschiede mehr. Keine Täter. Auch bei Studenten nicht. Differenzieren wird vorschnell mit Diskriminieren gleichgesetzt, also sollte man damit gar nicht erst damit anfangen: Da ist jemand, der nur pro forma Student ist, sein Studentenausweis ist noch nicht abgelaufen, er lässt sich längst nicht mehr an der Uni sehen. Der ist noch jemand, der sich gerne Vorlesungen anhört, aber den Status eines Rentners hat. Sie sollen nicht unterschieden werden. Sonst könnte sich einer der beiden ausgegrenzt und diskriminiert fühlen. Beide sind Studierende.

 

Ich war auch mal Student, mir ist das klar. Dass sich die Studenten von heute so gerne „Studierende“ nennen, hat einen einfachen Grund: Es ist die Prüfungsangst, die Angst vor dem Ende des Studiums. Denn was wird sein, so lautet die bange Frage, wenn sie eines Tages keine Studenten mehr sind? Was dann? Dann sind sie ehemalige Studenten.

 

Das darf nicht sein. Zum Glück gibt es keine ehemaligen Studierenden. Ein Studierender ist man immer. Jetzt und immerdar. Deshalb wollen sie gerne Studierende sein. Dann sind sie geschützt davor, jemals Ehemalige zu werden. The show must go on. The party shall not be over.

 

Die Party geht auch bei den Alleinerziehenden immer weiter, bei den Kunstschaffenden, den Arbeitssuchenden und Auszubildenden. Und auch den Rauchenden. Sie sind immer im Dienst, sie sind allzeit bereit. Wir wissen doch, wie das ist: Eine alleinziehende Mutter wird vom Kind aus dem Schlaf gerissen, just in dem Moment, als sie so schön davon geträumt hat, dass sie an der gläsernen Decke ein neues Reinigungsmittel ausprobiert. Ein Künstler ist immer ein Künstler, auch wenn es so aussieht, als würde er gerade über ein neues Werk nachdenken und es würde ihm partout nichts einfallen. Alle sind so sehr in Beschlag gelegt, dass sie nichts anderes mehr tun können. Sie haben immer Schicht. Sie sind rund um die Uhr das, was sie tun.

 

Es sieht auf den ersten Blick so aus, als wären das keine guten Beispiele dafür, wie durch eine geschlechtergerechte Sprache Täter versteckt und aus der Verantwortung genommen werden. Schließlich sind die Studierenden und die Alleinerziehenden deutlich als Täter benannt. Sie tun etwas. Sie tun es sogar rund um die Uhr. Eben. Das ist das Problem.

 

Es kann genauso gut sein, dass sie nichts tun. Gar nichts. Gerade Alleinerziehende geben ihre Kinder besonders häufig in Fremdbetreuung. Ein Studierender hat gerade Semesterferien und arbeitet als Taxifahrer. Künstler lassen ihr Werk bewusst unvollendet; denn der Prozess des Kunstschaffens selber gilt bereits als Kunst, auf das Ergebnis kommt es nicht an. Die Mitglieder im Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller sehen sich neuerdings als „Schreibende“ und falls sie jemals etwas zu Ende gebracht und dann Urheberrechte zu verwalten haben, dann sehen sie sich als „Urhebende“.

 

Wir sind immer gerade dabei, etwas zu tun. Bei McDonald heißt es: „I’m loving it“ statt „I love it“, wir werden nie fertig, wir verbleiben in der Verlaufsform, in der Tun und Nichtstun verschwimmen und sich die Zeitenfolge (consecutio temporum) auflöst.

 

Wenn es heißt, dass die „Teilnehmenden“ anschließend eine Erklärung unterschrieben haben, müsste es eigentlich die Teilgenommen-Habenden heißen, für Teilnehmende gibt es kein „anschließend“. Egal. Die allumfassende Gegenwart – das angestrengte Nirwana auf Hochtouren – überschreitet sogar die Grenze von Leben und Tod. Denken wir an die bei einem Massaker an der Uni sterbenden Studierenden. In vorauseilendem Gehorsam passen sich die Leute an und schreiben: „… heute Vormittag ist es erneut zu einem tödlichen Unfall gekommen … eine Radfahrerin wurde direkt am Unfallort getötet. Der Volksentscheid Fahrrad wird 16 Grablichter aufstellen – für jede und jeden getöteten Radfahrenden eines.“

 

Wir sollten gleich noch eine Kerze aufstellen: für die Sprache. Die ist kaputt.

Emma Watson, die Hermine aus der Harry-Potter-Verfilmung hat vor den Vereinten Nationen die Kampagne „He for She“ vorgestellt, die eigentlich „He for Her“ heißen müsste. So viel Englisch kann ich auch. Bei der deutschen Übersetzung „Er für Sie“ fällt der Fehler nicht auf, er tut es erst, wenn wir die Formulierung in die erste Person übertragen, dann hieße es: „Ich für Du“ – nicht etwa „Ich für dich“. Das Aktiv wird hier mit dem Passiv gleichgesetzt, der Nominativ mit dem Akkusativ. Derjenige, der etwas tut – also he – ist gleichrangig mit derjenigen – also she – für die etwas getan wird.

 

Erlebende

 

 So auch bei Vergewaltigungen. Mithu Sanyal, die für diverse Rundfunkanstalten und für die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt, stellt im ‚Spiegel’ ihr neues Buch vor und erklärt, dass sie sich von Opfer-Täter-Zuschreibung verabschiedet hat und grundsätzlich in Frage stellt, dass eine vergewaltigte Frau das Opfer und der vergewaltigende Mann der Täter sei.

 

Sie meint, dass es das Wort „Opfer“ in diesem Zusammenhang gar nicht mehr geben solle. Vielmehr solle man in Zukunft bei vergewaltigten Personen, aber genauso beim Vergewaltiger von „Erlebenden“ sprechen. Das sei neutral und wertfrei und würde die klassische, genderproblematische Rollenverteilung – aktiver Mann hier, passive Frau da – aufbrechen.

 

Die anderen Diskussionsteilnehmer, die von der evangelischen Kirche eingeladen wurden, standen der geschlechter- oder gendergerechten Sprache ausnahmslos positiv gegenüber. Ich war der einzige, der die Diskussion interessant gemacht hat. Ich sage es deutlich: Ich bin gegen eine gendergerechte Sprache. Sie ist schädlich.

 

Über die drei Beispiele wurde nicht gesprochen. Gesprochen wurde nur allgemein – insbesondere über die Bibelübersetzung in gerechter Sprache, die von allen gelobt wurde. Bei den drei Beispielen ist es mir so gegangen, dass Leute, denen ich davon erzählt habe, mir nicht glauben wollten und misstrauisch nach Belegen gefragt haben. Die Belege gibt es. Die kann jeder selber googlen. Ich weiß nicht, worauf die Leute noch warten. Auf eine Schrift an der Wand? Auf einen brennenden Busch? Darauf dass ihnen jemand den Balken aus dem Auge nimmt?

 

Im Englischen spricht man vom „elefant in the room“, also vom Elefanten im Zimmer, den alle angestrengt übersehen. Wittgenstein hat einst mit Bertram Russel eine Stunde lange über die Frage diskutiert, ob es möglich ist, theoretisch zu beweisen, dass sich gerade kein Rhinozeros im Zimmer befindet.

 

Für die Genderdebatte waren zwei Stunden angesetzt. Einschließlich einer Schweigeminute für die Ertrinkenden im Mittelmeer, außerdem wurden zwei Lieder in geschlechtergerechter Sprache gesungen, für die jeweils 5 Minuten eingeplant waren. Ich hatte gefühlte 6 Minuten Zeit, kritische Anmerkungen zu machen. Ich hätte die anderen gerne zu den drei Beispielen gefragt. Dazu kam es nicht.

 

Es wirkten mit: Gesine Agena (Frauenpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen), René_Hornstein (Vorstand Bundesverband Trans* (in dem Fall weist das Sternchen nicht auf eine Fußnote hin, sondern auf eine Besonderheit in der Frage der Geschlechtszugehörigkeit)), Prof. Dr. Martin Leutzsch (der über die Bibel in gerechter Sprache sprechen wird), Dr. Andrea Lassalle (GenderKompetenzZentrum – Netzwerker_innen).

 

Die Veranstaltung leitete Dr. Franz Ferdinand Kaern-Biederstedt. Er hat sie auch vorbereitet hatte. Sie fand am Freitag dem 26. Mai um 11.oo Uhr statt, im „Kosmos“, Saal 10, Karl-Marx-Allee 131A in Berlin Friedrichshain statt. Sie hat den Titel: „Für eine sanfte Revolution der Sprache“. Einladende Impulse für die Genderdebatte. Zentrum Regenbogen. Wer keine Dauerkarte für den Kirchentag hatte, hätte 33,– Euro Eintritt zahlen müssen. Deshalb sind einige von denen ich weiß, dass sie durchaus interessiert gewesen wären, nicht gekommen.

 

 

 

Das Ende der Menschenrecht

Wie hat sich unsere Sprache verändert?

 

Wir sind weit gekommen. Wie haben wir das geschafft? In zwei Schritten.Zuerst sind wir mit Vollgas in die falsche Richtung gesaust und haben die Doppelnennung und das Binnen-I eingeführt. Dann ging es weiter … Vom Regen in den Starkregen.

 

Der erste Schritt forderte eine „geschlechtergerechte“ Sprache, der zweite eine „gendergerechte“. Das ist nicht dasselbe. Im ersten Schritt haben wir uns abgewöhnt, uns weiterhin eine Zusammengehörigkeit von Frauen und Männern vorzustellen. Stattdessen sollten wir Frauen und Männer als grundsätzlich getrennt voneinander ansehen. Im zweiten Schritt sollen wir das Geschlecht grundsätzlich in Frage stellen und neu denken. Darum geht es in diesem Teil.

 

Wir sollen gendern. Was steckt dahinter?

Das geheimnisvolle „gender“ kam mit der Weltfrauenkonferenz im Jahre 1995 in Peking in die Welt. Da trafen sich Nichtregierungsorganisationen, so genannte NGOs, also non-governmental organisations, die ihre Autorität daraus beziehen, dass sie als unabhängig gelten und so etwas wie das gute Gewissen der Welt verkörpern, weil sie Basisgruppen repräsentieren. Sie haben lediglich Beraterstatus, sie geben Empfehlungen an die Vereinten Nationen. Mehr nicht. Das wirkt harmlos.

 

Doch sowohl beim Stichwort „unabhängig“ als auch bei den „Empfehlungen“ wurde gemogelt. Die Teilnehmer waren keineswegs unabhängig, sie vertraten keine Bewegungen, die „von unten“ kommen – im Gegenteil: Man nennt sie auch das „gender establishment“. Ihre Vorgaben sollen „top down“ durchgeführt werden, von oben nach unten. Man sollte auch deshalb nicht von einer „Revolution“ sprechen, wie es im Titel der Genderdebatte heißt, sondern von einem Putsch.

 

Die großen Parteien haben längst Quoten. So ist sichergestellt, dass Aktivistinnen gefördert werden, die zwar als unabhängig gelten, aber der Regierung zuarbeiten. Damit haben sich die Spielregeln der westlichen Demokratien grundlegend verändert. Es gibt keine Diskussion mehr über Frauenthemen, die sind grundsätzlich abgesegnet und werden vom Steuerzahler finanziert. Die Quotenfrauen halten die Türen sperrangelweit auf; ihre Aufgabe ist es, alles, was von weitem so aussieht, als wäre es irgendwie gut für Frauen und schlecht für Männer, besinnungslos durchzuwinken. Wir haben längst eine Allparteien-Frauen-Regierung.

 

Claudia Nolte von der CDU bezahlte seinerzeit „ihre“ Leute und schickte sie zu einem Luxusurlaub nach Peking, wo sie sich als unabhängige Basisbewegung tarnten. Später wurden bei den Verträgen, die in Amsterdam beschlossen wurden, aus den Empfehlungen „Verpflichtungen“ gemacht, und die Frauen von Rot/Grün übernahmen begeistert, was „ihre“ Leute von langer Hand vorbereitet hatten. Egal von welcher Partei sie waren. Sie waren Frauen.

 

In Peking fand eine brausende Applaus-Veranstaltung statt. Die Weichen dazu waren schon bei Vorbereitungstreffen in New York gestellt worden. Die Journalistin Dale O’Leary hat an mehreren solcher „PrepComs“ teilgenommen und verraten, wie man da getrickst und getäuscht hat, wie Vereinbarungen gebrochen und wie Vertreter aus armen Ländern erpresst wurden.

 

 

Die Weltfrauenkonferenz war eine Halbweltfrauenkonferenz

 

Die Machtverhältnisse hatten sich verschoben: Ursprünglich sollten NGOs den politischen Vertretern der Vereinten Nationen Hilfestellungen bieten, inzwischen dominieren sie die. Frauenverbände aus reichen, westlichen Ländern sind um ein Vielfaches besser ausgestattet als die Regierungen armer Länder und nutzen schamlos ihren Standortvorteil, um Vertreter aus kleinen Ländern zu bloßen Statisten zu degradieren. Dale O’Leary beschreibt diesen neuen „Kolonialismus der weißen Frau“ in ihrem Buch ‚The Gender Agenda’.

Natürlich herrschte in Peking ein männerfeindliches Klima. Was denn sonst? Es wurden pauschal alle Männer außen vor gelassen: „Männer raus!“, hieß die Parole. Das war die conditio sine qua non. Daran hatten wir uns gewöhnt, seit wir die Trennungs-Propaganda-Sprache übernommen hatten, die ich in beschrieben habe, als ich von dem ersten Schritt gesprochen habe ­– dem ersten Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit.

 

Streng genommen gibt es gar keine Frauenthemen, die nicht ebenso für Männer von Belang sind. Doch die Aktivistinnen der Weltfrauenkonferenz entziehen sich jedem Dialog; sie glauben offenbar selber nicht, dass sich ihre Argumente in einer offenen und fairen Diskussion bewähren würden. Sie sind feige Despoten. Zuerst werden Beschlüsse ohne eine Möglichkeit der Mitwirkung von Männern gefasst, dann wird ihnen das Ergebnis vorgesetzt wie einem Verlierer, der bedingungslos kapituliert hat.

 

Frauen und Männer – das sagt man heute nur noch so

 

Die bekannteste Vordenkerin ist Judith Butler, die sich als Lesbin bezeichnet. Sie gehört zur Führungsspitze der IGLHR (International Gay and Lesbian Human Rights Commission), einer internationalen Homosexuellenorganisation und war aktiv an der Vorbereitung für die Weltfrauenkonferenz in Peking beteiligt. Ihr erklärtes Ziel ist die Dekonstruktion, also die Auflösung des Mann- und Frauseins.

 

Sie behauptet ausdrücklich, dass das soziale Geschlecht und der Körper „diskursiv“ hervorgebracht, also sozial konstruiert seien. Damit wird dem so genannten Diskurs eine überverhältnismäßige Bedeutung verleihen. In ihren Augen ist der Diskus sogar entscheidend. Im Rahmen historisch gewachsener „Sprache“, so meint sie, seien Bezeichnungen herausgebildet worden, welche aufgrund ständiger Wiederholungen den Charakter des „Unhinterfragbaren“ und „Natürlichen“ gewinnen würden.

 

Erst durch Sprache würde also etwas Natürliches geschaffen, zumindest etwas, das so aussieht und den Charakter des Natürlichen hat. Es sei folglich, so meint sie, nur eine Art Gewöhnung, dass wir unseren Körper und seine Anatomie aus einer zweigeschlechtlichen Perspektive als männlich oder weiblich bezeichnen.

 

Diese äußerst kühne These, für die es keine Begründung gibt, die aber mit Nachdruck vertreten wird, hat sich erfolgreich durchgesetzt. Nun verstehen wir auch, weshalb die Vertreter der Gender-Theorie so großen Wert auf Sprache legen und darauf bestehen, uns einen Sprachgebrauch vorzuschreiben, der zu der Erschaffung eines neuen Verständnisses von Mann und Frau führen soll.

 

Der Mensch kommt in die Bio-Tonne

 

Das Zauberwort „gender“ kommt in einer der Erklärungen von New York mehr als 200 Mal vor, doch kaum einer der angereisten Delegierten konnte damit etwas anfangen. Ihnen ging es nicht besser als uns. Viele dachten, „gender“ wäre nur ein vornehmes Wort für „sex“, das man aus Rücksicht auf Teilnehmerinnen, die sich durch das Wort „Sex“ abgeschreckt fühlen könnten, eingeführt hätte.

 

Die Delegierten mussten im Wörterbuch nachgucken. Da stand etwas vom „sozialen“ und vom „grammatischen“ Geschlecht. Sie konnten nicht ahnen, was sich da zusammenbraute: Die Gender-Perspektive sollte an die Stelle eines Blickes auf die Biologie treten; die sozialen Faktoren sollten nicht etwa als Ergänzung, sondern als Ersatz für die natürlichen Einflüsse gesehen werden. Sonst wäre es auch nichts Neues; Soziologie gibt es schon lange. Neu war die vollständige Absage an die Natur, wie wir sie schon früh bei Simone de Beauvoir und – auf die Spitze getrieben – bei Judith Butler formuliert finden. Demnach haben wir nicht etwa ein natürliches und ein soziales Geschlecht, sondern nur noch ein soziales. Das stand so nicht im Wörterbuch. Da stand auch nicht, dass Lesben, Schwule und Transsexuelle neuerdings als eigenständige Geschlechter gelten.

 

Wie gelähmt haben wir die Ziele dieser „Pekinger Aktionsplattform“ über uns ergehen lassen, vorbei am Bundesrat, abseits jeder öffentlichen Diskussion. Erst so langsam wird deutlich, was wir uns da eingefangen haben und wie sehr es in unser Leben eingreift. Vorgesehen sind die Förderung von Homosexualität sowie die sexuelle Früherziehung in Schulen. Es ist außerdem vorgesehen, dass fünfzig Prozent aller Arbeitsplätze in allen Berufssparten mit Frauen zu besetzen sind, notfalls zwangsweise. Dieser Zwang gilt als die neue Gerechtigkeit.

 

 

Fußnoten:

Gender bringt uns das Ende der Geschlechter, wie wir sie kennen. Nach dem ersten Schritt kommt der zweite. Wir haben A gesagt, nun sollen wir B sagen. Die Stimme im Navi, die uns unablässig ermahnt hatte „Bei der nächsten Gelegenheit, bitte wenden“, haben wir überhört. Wir sind weiter gefahren, die geschlechtergerechte Sprache war eine Zwischenstation. Nun geht es weiter in Richtung gendergerechte Sprache.

 

Nun soll gegendert werden mit Rücksicht auf diejenigen, die sich nicht eindeutig dem einen oder anderen Geschlecht zuordnen können und die sich unwohl fühlen, wenn sie als männlich oder weiblich angesprochen werden. Diese Entwicklung wurde von der Weltfrauenkonferenz eingeleitet, bei der die Trennung von Frauen und Männern schon vorausgesetzt war; sie steht im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Homophobie und Transphobie und der Einführung von sexueller Vielfalt in die Bildungspläne für die Schulen.

 

Die Sprachvorgaben des zweiten Schritts fordern das Partizip als – angeblich – neutrale Form, also zum Beispiel die Umbenennung des Studentenheimes in „Studierendenheim“, sie verlangen den Unterstrich, der symbolisch Platz bieten soll für die, die sich nicht als weiblich oder männlich verstehen, oder das Gender-Sternchen. Also: „Schriftsteller_innen“, „Schriftsteller*innen“ oder „Schreibende“. 

 

Die Doppelnennungen, die im ersten Schritt gefordert wurden, ist nicht mehr nötig. Das macht die Forderung nach gerechter Sprache unglaubwürdig und erklärt die Forderungen des Sprachfeminismus im Nachhinein für ungültig. Kaum haben wir uns an die Formulierung „Studentinnen und Studenten“ gewöhnt, kommt die neue Parole: Es soll jetzt „Studierende“ heißen. Hier offenbart sich, wie zeitgebunden und unzuverlässig das Ideal der Gerechtigkeit ist, hinter dem alle herlaufen sollen.

 

Als wir „Studentinnen und Studenten“ sagten, sind wir den Frauen gerecht geworden (besser gesagt den Feministen), aber nicht denen, die sich keinem Geschlecht zuordnen können. Denen sollen wir jetzt gerecht werden. Aber: Wenn wir nun „Studierende“ sagen, stellt sich die Frage: Gilt plötzlich das Argument nicht mehr, dass Frauen unterdrückt und ausgegrenzt werden, wenn man nicht die Innen-Form verwendet? Wieso sind die Vertreter der gerechten Sprache einverstanden, wenn man „die Studierenden“ sagt, machen einem aber einen moralisierenden Vorwurf, wenn man „die Studenten“ sagt? Das sollten sie mal erklären.

 

Hinter den Handreichungen und Ratschlägen stecken offene Drohungen gegen alle, die sich nicht beugen wollen. Es ist längst soweit, dass es als Vorwurf gilt, wenn jemand „bewusst nicht gendert“. Immer mehr Universitäten verweigern inzwischen die Annahme von Arbeiten, die nicht gegendert sind.

 

Wir sollen alle gendern. Kirchen, Gewerkschaften, Rundfunkanstalten, Parteien, Universitäten, Gemeinden – ja, man hat den Eindruck, dass jeder Alpen- und Tierschutzverein mitmacht – alle geben Anleitungen heraus, wie man gendern soll, wie eine „geschlechtergerechte Sprache“ im Alltag umgesetzt werden kann, um nicht als rechtspopulistisch erkannt und verdammt zu werden. Der Ton ist rau geworden. Wer nicht gendern will, gilt als Nazi. Es drohen Strafen.

 

 

 

 

 

 

Mit Vollgas in die falsche Richtung

Wie – und warum – hat sich unsere Sprache verändert?

 

Gute Frage. Darüber soll auch im Rahmen des evangelischen Kirchentages gesprochen werden. Bei einer Genderdebatte unter dem Titel „Für eine sanfte Revolution der Sprache“, an der ich teilgenommen habe, sollten wir uns fragen, wie weit wir schon gekommen sind mit der Entwicklung einer „geschlechter- und gendergerechten Sprache“.

 

Das wollte ich immer schon mal wissen. Ich möchte hier kurz die Entwicklung aus meiner Sicht beschreiben. Doch zunächst will ich ein Zitat voranstellen: Konfuzius wurde einmal gefragt, was er als erstes machen würde, wenn er ein Land zu regieren hätte.

 

„Ich würde vor allem die Sprache verbessern. Wenn die Sprache nicht einwandfrei ist, sagt man nicht, was man meint. Wenn das Gesagte aber nicht das ist, was man meint, bleibt ungetan, was getan werden soll. Wenn es ungetan bleibt, verfallen die Sitten und Künste und das Recht geht in die Irre. Wenn das Recht in die Irre geht, ist das Volk hilflos und unsicher. Deshalb darf in dem, was gesagt, nichts Willkürliches sein. Es gibt nichts Wichtigeres.“

 

So ist es. Unsere Sprache ist verdorben und wir gehen in die Irre. Wie konnte es dazu kommen? In zwei Schritten: im ersten haben wir uns abgewöhnt, uns weiterhin eine Zusammengehörigkeit von Frauen und Männern vorzustellen. Stattdessen sollten wir Frauen und Männer als grundsätzlich getrennt voneinander ansehen, als lebten sie nicht miteinander, sondern gegeneinander. Im zweiten Schritt sollen wir das Geschlecht grundsätzlich in Frage stellen und ganz neu denken. Ich will in diesem Teil zunächst nur den ersten Schritt vorstellen.

 

 

Mit Vollgas in die falsche Richtung

Wer A sagt, muss auch B sagen. Sagt der Volksmund. Bertholt Brecht ist da anderer Meinung. Er findet, wer A gesagt hat, muss nicht B sagen, er kann auch einsehen, dass A falsch gewesen ist. Doch wer mag schon zugeben, dass er bisher etwas falsch gemacht hat? Mark Twain hat es so zusammengefasst: Es ist leichter die Menschen zu täuschen, als ihnen klar zu machen, dass sie getäuscht worden sind.

 

Wir sind getäuscht und schrittweise in die falsche Richtung gedrängt worden und können uns nicht mehr erinnern, wann wir angefangen haben, A zu sagen, obwohl wir es gar nicht sagen wollten und damals schon als falsch empfunden haben. 

 

Friedrich Schiller meinte: „Wie menschlich Menschen sind, zeigt ihr Umgang mit der Muttersprache.“ Das ist lange her. Die feministischen Sprachforscherinnen sehen unsere Muttersprache als böse „Männersprache“, die Frauen unterdrückt. Sie muss dringend menschlicher gemacht werden, indem man sie weniger männlich macht – je weniger Mann, desto mehr Mensch, lautet die Parole. Sie behaupten sogar, dass Frauen durch die Sprache, wie sie bisher war, vergewaltigt würden.

 

Die wollen bestimmt nur spielen

Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz sind die lautesten Wortführerinnen. Auch wenn ihre Namen so klingen, als hätte Loriot sie ausgedacht, sie haben keinen Humor. Sie sind nicht bloß unfreundlich, sie sind feindselig. Sie gefallen sich in Sticheleien.

 

Luise F. Pusch findet, dass man Frauenfußball lieber „Fußball“ nennen sollte und das, was wir bisher unter „Fußball“ verstanden haben, als Männerfußball bezeichnen sollten; denn nur Frauenfußball sei richtiger Fußball. Vielleicht hat so ein Auftreten dazu beigetragen, dass man solche Stimmen nicht ernst genommen hat. Man hat nur müde gelächelt, wenn man ein Schreiben an die „Mitgliederinnen und Mitglieder“ erhielt. Man hat das als Kuriosität durchgehen lassen. Linke Tagesszeitungen wie die ‚taz’ und ‚Woz’ haben das umso begeisterter aufgegriffen und das so genannte Binnen-I – wie in LeserInnen – kreiert, um damit zu betonen, dass sie Frauenanliegen in jeder Hinsicht unterstützen.

 

Erst sollten wir Innen-Schwänzchen anhängen

Wir haben seit den siebziger Jahren eine regelrechte Innen-Invasion erlebt. Schriftsteller hießen nun: „SchriftstellerInnen“, „Schriftsteller(innen)“, „Schriftsteller/innen“, „Schriftsteller-innen“ oder „Schriftstellerinnen und Schriftsteller“. Wir wurden überschwemmt mit Innen-Formen, mit Doppelnennungen, Schrägstrichen und Klammern, die dazu führten, dass die Sprache unaussprechlich wurde und dass unser Computer eine BenutzerInnenoberfläche hat. Viele Männer haben das als Gebot der Höflichkeit missverstanden. Darum ging es nicht. Es ging darum, die Geschlechter-Apartheid einzuführen.

 

Die Kluft zwischen Männern und Frauen sollte vertieft werden. Die feministische Parole „Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad“ beschreibt die grundsätzliche Unversöhnlichkeit der Geschlechter, sie beschreibt eine Dissoziation (im Gegensatz zur Assoziation). Männer und Frauen leben demnach in verschiedenen Sphären; dass sie jemals etwas miteinander zu tun haben könnten, liegt außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Feministen wollen keine Vereinigung der Geschlechter. Sie wollen die Scheidung, die seit der Reform des Scheidungsrechtes von 1976 zu einem Massenphänomen geworden ist.

 

Dabei ist die Innen-Form überflüssig; wir konnten uns bisher sehr gut ohne Innen-Schwänze verständigen. Ich bin so alt, ich kann mich noch erinnern. Wenn ich sagen wollte, dass beispielsweise eine Gruppe von Schriftstellern ausschließlich aus Frauen besteht und ich das gesondert hervorheben wollte – was meistens nicht der Fall war –, dann konnte ich sagen „weibliche Schriftsteller“. Man konnte das sogar differenzieren und von „überwiegend weiblichen“ oder „ausschließlich weiblichen“ Schriftstellern reden. Voraussetzung ist dabei, dass die Bezugsgruppe als einheitliche Gruppe erhalten bleibt und dass es einen gemeinsam genutzten Begriff für diese Gruppe gibt – nämlich die „Schriftsteller“.

 

Die Formulierung „weibliche Schriftsteller“ erscheint uns deshalb so ungewöhnlich, weil wir sie (fast) nie benutzt haben. Es gab dafür keinen Anlass. Es gibt auch heute keinen. Wir brauchen keine Innen-Form. Die Innen-Form ist das „Willkürliche“, von dem Konfuzius meint, dass es so etwas in der Sprache nicht geben dürfe. Sie beruht auf dem Missverständnis, dass das grammatische Geschlecht eine Aussage über das natürliche Geschlecht mache.

 

Politisch korrekt, sachlich falsch

Exklusiven Frauengruppen wurden damals überhaupt erst erschaffen oder einfach behauptet. In der Zeit entstanden Frauenhäuser, Frauenbuchläden, Frauenparkplätze, Frauentaxen, Frauencafés und schließlich mit Rita Süssmuth erstmalig ein Ministerium für „Frauen“. Damit wurde der Sprachfeminismus amtlich und in der Politik hörte man von nun an Doppelnennungen.

 

Wenn Ursula von der Leyen über die gefallenen deutschen „Soldatinnen und Soldaten“ spricht, tut sie das aus Prinzip, nicht etwa, weil tatsächlich ein weiblicher deutscher Soldat in Afghanistan gefallen wäre. Die „gerechte“ Ausdrucksweise ist wichtiger geworden als die angemessene. Ideologie triumphiert über Wirklichkeit. Die Sprache wird unwahrhaftig.

 

Arthur Brühlmeier hatte schon früh vor den Risiken und Nebenwirkungen der Doppelnennung und der Innen-Form gewarnt, unter dem Titel „Sprachfeminismus in der Sackgasse“ kann man das nachlesen. Was ist das Problem? Es geht uns mehr und mehr der Begriff für das Gemeinsame verloren und damit verlieren wir auch eine Vorstellung von dem Gemeinsamen. Wir erleiden, wie es Arthur Brühlmeier sagt, den „Verlust des wichtigsten Oberbegriffs der deutschen Sprache, nämlich des allgemeinen, nicht unter geschlechtlichem Aspekt ins Auge gefassten Menschen.“ Friedrich Schiller dreht sich im Grabe um (aber das tut vermutlich sowieso).

 

Ein Bruch ohne gemeinsamen Nenner

Am Wahlabend wird nur noch von „Wählerinnen und Wählern“ gesprochen. Bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg wird von „Baden-Württembergerinnen und Baden-Württembergern“ gesprochen, als hätten wir es mit einem Bundesland zu tun, das aus zwei Landesteilen zusammensetzt ist und einen gemeinsamen Namen führt – nämlich Baden-Württemberg –, allerdings unter einer Wählerschaft leidet, die aus zwei Gruppen besteht, die sich auf keinen gemeinsamen Namen einigen konnten: „Wähler“ empfinden sie nicht als richtige Bezeichnung und reden von „Wählerinnen und Wähler“.

 

Was uns zunächst als unbedeutende Verrücktheit erschien, ist inzwischen zur Norm geworden. Aus dem Abseitigen wurde das Gängige. Wie konnte soweit kommen? Schritt für Schritt. Erst sagten wir A, dann sagten wir B. Wir haben erst eine Kröte geschluckt, dann unser Geschmacksempfinden verloren und schlucken nun eine Kröte nach der anderen.

 

Idiotinnen und Idioten durch Trennung

Eine weitere Station auf dem Weg in die falsche Richtung war die Bibelübersetzung in „gerechter“ Sprache. Da lesen wir von „Makkabäerinnen und Makkabäern“, als hätte es damals schon eine bisher verschwiegene Geschlechtertrennung gegeben. Wir nehmen das hin, auch wenn wir wissen, dass es falsch ist. Es gab auch keine „Jüngerinnen“. Die Bibelübersetzung ist sowieso keine „Übersetzung“, also eine Übertragung von einer Sprache in eine andere, sondern eine Interpretation – was eine Übersetzung nicht sein darf.

 

Eine „gerechte“ Sprache gibt es nicht. Gerechtigkeit kann man nicht beanspruchen, sie wird einem zuteil. Von einer neutralen Instanz. Wer aber sollte in dem Fall als neutrale Instanz Gerechtigkeit schaffen und ein gerechtes Urteil fällen? Wenn sich die Klägerin selbst zum Richter macht, entsteht eine Tyrannen-Gerechtigkeit, besser gesagt: eine Tyranninnen-Gerechtigkeit.

 

Egal. Wir Leserinnen und Leser haben uns daran gewöhnt wie die Idiotinnen und Idioten. Wir nehmen die Falschheiten hin. Nun reden wir so: „Frauen sind die besseren Autofahrerinnen und Autofahrer“. „Der Kantonstierarzt beziehungsweise die Kantonstierärztin oder der beziehungsweise die an seiner beziehungsweise ihrer Stelle eingesetzte Tierarzt beziehungsweise Tierärztin …“ Wir reden tatsächlich so. Ich hätte es vor Jahren nicht geglaubt, dass es dazu kommen würde.

 

Fußnoten:

 

Geschlechtertrennung, Verlust der Gemeinsamkeit:
Erst hatten wir den Sprachfeminismus, der uns die so genannte „gerechte“, „geschlechtergerechte“ oder auch „geschlechtersensible“ Sprache gebracht hat. Von „gender“ war in den siebziger Jahren noch nicht die Rede, „gender“ war noch ein Fremdwort. Wir sollten zunächst Frauen bei jeder Gelegenheit explizit benennen, weil sie sich sonst – angeblich – diskriminiert fühlen. Tatsächlich sollte damit eine Männerfeindlichkeit zum Ausdruck gebracht und eine Geschlechterapartheid eingeführt werden. Die erste Phase steht im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Ministeriums für Frauen und exklusiven Räumen für Frauen wie etwa den Frauenparkplätzen.

 

Die Sprachvorgaben in der ersten Phase verlangten die Innen-Form bei der Pluralbildung, die Doppelnennungen , das Binnen-I und die Abschaffung von Begriffen, in denen Frauen und Männer gemeinsam Platz finden. Wir sagten also: „SchriftstellerInnen“, „Schriftsteller(innen)“, „Schriftsteller/innen“, „Schriftsteller-innen“ oder „Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ – keinesfalls: „Schriftsteller“. Diese Form, die bisher als übergeschlechtliche Pluralform galt, wird nun trotz des weiblichen Artikels als „männliche Form“ gesehen, als „generisches Maskulinum“ und muss deshalb gemieden und bekämpft werden.

Viele halten die geschlechtergerechte Sprache für eine Politikersprache, die wir nicht ernst nehmen müssen. Der Amtsschimmel wiehert eben gerne. Doch mir fällt etwas auf. Die Sprache der Verwaltung und der Bürokratie war früher eine beliebte Zielscheibe für Hechelscherz und Spottlob (diese Begriffe hatte einst Joachim Heinrich Campe vorgeschlagen als Ersatz für „Ironie“). Über die feministische Sprache wird selten gespottet. Hier hört der Spaß auf. Vielleicht liegt es daran, dass die Auseinandersetzung über den Sprachfeminismus jenseits von Ernsthaftigkeit und Humor liegt – d.h. man kann nicht ernsthaft darüber diskutieren und auch nicht darüber lachen. Die Scharfmacherinnen sind humorfern, sie stehen voll unter Dampf. Sie sind diejenigen, bei denen wir nachschauen sollten, was sie über die Sprache sagen. Alle anderen sind nur Mitläuferinnen, sie sind nur die Anhänger. Wer aber sind die Lokomotiven?

 

Soldatinnen und Soldaten

Wie verkrampft sich das anhört, sieht – und hört – man hier.

 

Arthur Brühmeier

hat mir geschrieben, dass sein Eintrag bei Wikipedia immer wieder verschwindet. Seinen hier zitierter Text, auf den ich immer wieder gerne hinweise, halte ich für einen Schlüsseltext: er ist kurz, sachlich und in einem überaus freundlichem Ton geschrieben. Sprachfeminismus in der Sackgasse.

 

 

 

 

Siebenter Brief

 

 

Briefmarke

 

Das gefährliche Halb-Wissen-Wollen

 

 

Liebe Frauen

Ich war also mit einem „Doppelherz“ bei der Friedensbewegung. Das kann man auch aus dem Buch Auf dem schwarzen Schiff   herauslesen. Worum ging es da? Was wollten die Helden des Buches?Sie wollten auf Segelschiffen verbotene Bücher nach Afrika bringen. Es sollte eine künstlerische und zugleich eine politische Aktion sein; eine, die symbolisch und zugleich konkret ist. Sie wollten damit Frieden nach Afrika bringen.

 

Bücher bringen Frieden. Das haben die Aktivisten wirklich gedacht. Es ist nicht so naiv, wie es auf den ersten Blick erscheint. Bücher können Türen zu anderen Welten öffnen, können Verständnis für das, was man noch nicht kennt, ermöglichen. Bücher können die Leser in der Kunst einüben, sich dem anderen anzunähern und über den Tellerrand der Ichbezogenheit hinauszugucken.

 

Auch Malala Yousafzai, die mit 18 die bisher jüngste Friedensnobelpreisträgerin ist, fragt in aller Unschuld: „Wieso ist es so leicht, Waffen zu geben, aber so schwer, Bücher zu geben? Wieso ist es so einfach Panzer zu bauen, aber so schwer Schulen zu errichten?“ Auch sie teilt diesen zerbrechlichen Traum: „Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und Stift können die Welt verändern.“

 

Die Hippies gingen sogar noch weiter. Sie wollten nicht nur, dass die Menschen lesen, Musik hören und sich besser verstehen, sie sollten sich obendrein lieben:

 

Make Love. Not War.

 

Remember? So lautete die berühmte Hippie-Parole. Ob man Liebe tatsächlich „machen“ kann, lasse ich jetzt dahingestellt sein. Ich hatte da von Anfang an meine Zweifel, ich war aber andererseits auch schwer beeindruckt von der praktischen Art der Amerikaner, die kurzerhand die Milch in Cornflakes-Packungen schütteten und die Turnschuhe zu den T-shirts mit der Aufschrift „Just do it“ in die Waschmaschine steckten.

 

Sei’s drum. Ich nehme zur Kenntnis, dass wir das heute so handhaben: Liebe „macht“ man, Sex dagegen „hat“ man. Na dann: viel Spaß auch. Für mich klingt es schon wieder nach einem Open-Air-Festival bei freiem Eintritt und mit Musik, bei der sich am Ende alle in den Armen liegen. Es kommt mir viel zu schön vor, um wahr zu sein, aber vielleicht bin ich ein schwieriger Fall mit ungewöhnlich trägem Herzen. Ich sollte mich einfach nicht so anstellen und nicht immer so kritisch aus der Wäsche gucken.

 

Das tue ich aber – und ich werfe weiterhin einen kritischen Blick auf die Feministen. Die haben den alten Hippie-Spruch umgedreht und ins Gegenteil verwandelt: Sie wollen keine Liebe zwischen den Geschlechtern – das meinen sie wirklich so, wir sollten uns darüber nicht hinwegtäuschen. Sie sind gegen die Liebe. Ausdrücklich. Sie sagen es offen. Es gibt viele Zitate, die das belegen und außerdem Taten, die es beweisen. Sie haben stattdessen den Geschlechter-Krieg erklärt:

 

Make Sex War. Do Not Make Love.

 

So ein Krieg geht notwendigerweise gegen alles, was gegen den Krieg arbeitet und einen Krieg vermeiden will. Also: gegen eine Kultur, in der das Gemeinsame betont wird. Gegen den Dialog, der eine gewalttätige Auseinandersetzung verhindern hilft. Gegen jede Möglichkeiten einer Verständigung. Gegen die Wertschätzung des anderen.

 

Es ist keine Überraschung: Der Feminismus bringt Bücherverbote mit sich. Neue Formen der Zensur. Neue Denkverbote. Neue Verständigungsverbote. Boykott von Diskussionsveranstaltungen. Offene Gewaltdrohungen gegen Männer, die sich für ihre Interessen einsetzen wollen. Das Niederbrüllen von Rednern. Das ist keine Randerscheinung, die man ignorieren könnte, es gehört zum Wesen des Feminismus.

 

Deswegen ist auch der ständige Angriff auf die Sprache von Seiten der Feministen keine Kleinigkeit. Auch wenn es auf manche so wirkt. Ich nehme das ernst. Und das tue ich nicht etwa, weil ich – wie man leichtfertig sagen könnte ­– Sprache liebe. Ich liebe die Sprache nicht, ich liebe Menschen.

 

Ich habe nichts gegen Veränderungen. Erst recht nicht gegen kreative Neuerungen. Auch nicht in der Sprache. Aber was uns heute mit der „geschlechtergerechten“ Sprache zugemutet wird, ist nicht nur eine Verhunzung, wie oft gesagt wird, es ist eine vorsätzliche Beschädigung, mit der das Miteinanderreden beendet wird. Es wird die Grammatik ausgehebelt. Es werden Begriffe umgedeutet. Es werden die Menschen verwirrt.

 

Alle, die sich frei von der Leber weg äußern wollen, werden gedemütigt, weil man sie nötigt, etwas zu sagen, das sie nicht sagen wollen. Die feministische Auffassung, dass bei jeder Gelegenheit die Unversöhnlichkeit der Geschlechter betont und grundsätzlich alles, was irgendwie „männlich“ wirkt, als böse anzusehen ist und wie Unkraut ausgerottet werden muss, wird als gegeben vorausgesetzt. Mit jeder Formulierung sollen wir uns dazu bekennen.

 

So können wir nicht mehr miteinander reden.

Doch genau das möchte ich weiterhin tun.

Deshalb diese Seite.

 

Deshalb wurde auch der Versuch zur „Rettung der Liebe“, wie es im Untertitel zu den drei Frau-ohne-Welt-Büchern heißt, gestartet. Ich weiß selber, dass es pathetisch klingt. Doch darum geht es. Was ist denn nun Liebe? What is love anyway? Liebe ist ein Versprechen. Liebe ist ein guter Plan. Liebe vergrößert.

 

Sie beginnt mit dem Verstehen, mit dem Erkennen, wie es schon Adam und Eva geschafft haben. Deshalb ist es auch so schädlich, wenn man nicht mehr neugierig ist, wenn man etwas gar nicht erst erkennen will (weil man glaubt, schon alles zu wissen), wenn man den anderen ignoriert; wenn an ihn ausschließt und seinen Blick mit Vorverurteilungen verstellt. Wie es die Feministen mit ihrer aufgesetzten Halbblindheit tun. Doch ich will nicht länger über den Schaden jammern, sondern den Nutzen betonen.

 

Der Nutzen liegt in der Möglichkeit, die Zukunft zu gewinnen, sich an einer „dritten Sache“ zu beteiligen, die größer ist als man selber.

 

Damit endet der siebente Brief

Mit herzlichen Grüßen

von

Bernhard Lassahn

 

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Ringo in der Regionalbahn

 

 

KleineZone

 

 

Heute können wir drüber lachen, weil wir inzwischen wissen, dass damals nichts passiert ist. Doch bei ihrem letzten Konzert 1966 in San Francisco mussten die Beatles um ihr Leben fürchten. Es gab ernst zu nehmende Hinweise auf geplante Anschläge. Zur Sicherheit ließ man eine leere Luxuslimousine mit getönten Scheiben am Konzertort vorfahren, während sich die Beatles selbst in einem unscheinbaren Auto versteckt hielten. Außerdem wurde extra ein Polizist abbestellt, der sich stets in der Nähe vom Schlagzeug aufhalten musste.

 

Ringo erinnert sich – wenn auch ungern –, er hatte sich die bange Frage gestellt, was dieser Polizist wohl täte, wenn auf ihn oder die anderen Beatles geschossen würde. Würde er aufspringen und die Kugeln wie ein Baseball-Spieler auffangen? Die verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen verschafftem ihm nicht etwa ein gutes Gefühl, sondern ein schlechtes. Sie stärkten nicht sein Sicherheitsgefühl, sondern sein Unwohlsein. Ringo ist nicht dumm. Ihm war klar, dass sein persönlicher Schutzmann, den er nicht wollte und auch nicht bestellt hatte, keinen Schutz bieten konnte. Er machte ihm nur deutlich, wie ernst die Bedrohung genommen wurde.

 

Die Beatles hatten nach kurzer Show – ohne Zugabe – geradezu fluchtartig das Stadium im Candlestick Park verlassen. Ihnen war klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Es sollte dann auch, wenn man vom Rooftop-Konzert für den Film ‚Let It Be’ absieht, ihr letzter öffentlicher Auftritt gewesen sein.

 

Man kann Ringo verstehen. Er hatte es mit einem besonderen Gefühl zu tun: Nennen wir es – so lange mir nichts Besseres einfällt – das Ringo-Feeling. Es ist das Gefühl, hilflos einer unheimlichen Gefahr ausgesetzt zu sein, vor der man einerseits eindringlich gewarnt wird, während einem andererseits deutlich gemacht wird, dass man davor nicht geschützt ist.

 

Coach

 

 

Dieses Feeling soll nun auch Frauen geboten werden, die auf der Strecke Leipzig-Chemnitz mit der Regionalbahn fahren. Aber nur in kleiner Dosis. Das Feeling ist im Fahrpreis inbegriffen. Die Mitteldeutsche Regionalbahn richtet spezielle Abteile für Frauen ein, die zu ihrer Sicherheit nicht weit vom Dienstabteil entfernt sind. Damit soll das Sicherheitsgefühl gestärkt werden. So heißt es. Doch es wird aller Voraussicht nach kein gutes Gefühl dabei entstehen, sondern ein schlechtes – wenn auch nicht so schlecht, wie einst bei Ringo. Die Frauen in der Regionalbahn werden sich nicht sicherer fühlen, sondern unsicherer. Denn so blöd sind weder Frauen noch Schlagzeuger. Sie wissen genau, dass ihnen im Notfall kein Schutz geboten wird. Doch so ein Notfall wird heraufbeschworen, er wird als durchaus wahrscheinliche Möglichkeit vorausgesetzt. Die Einrichtung dieser Abteile beweist es ja. Sonst hätte man nicht zu solchen Maßnahmen greifen müssen.

 

So werden Ängste geschürt. Das ist nicht gut; denn das Schüren von Ängsten ist etwas, das – wie es heißt – nur Rechtspopulisten tun. Und die sollten das nicht tun, sie sollten es bleiben lassen. Doch nun ist es passiert. Frauen wird Angst gemacht. Und dann werden sie mit ihren Ängsten allein gelassen. Es liegen keine Broschüren aus, in denen in mehreren Sprachen die Risiken und Nebenwirkungen beschrieben und Verhaltensmaßregeln für die richtige Nutzung der Abteile gegeben werden.

 

Was nun? Was sollen die Frauen tun, wenn plötzlich ein privilegierter, älterer, weißer Mann auftaucht, für den Alltagssexismus bekanntlich ganz normal ist? Was sollen sie tun, wenn er anfängt, einen Herrenwitz zu erzählen? Sollen sie ihn aus dem Abteil verweisen, bevor er zur Pointe vordringt? Notfalls mit Gewalt? Sollen sie die Notbremse ziehen? Und wenn ein Mann kommt, der eine andere Sprache spricht und ein ganz anderes Frauenbild hat als der allseits gefürchtete privilegierte, ältere, weiße Mann – was dann? Wenn es ein Mann ist, der offensichtlich aus einem anderen Kulturkreis kommt, der nicht alt, nicht weiß und nicht privilegiert ist. Ist die Gefahr dann größer? Oder nicht so groß? Ist so eine Frage überhaupt noch zulässig? Oder gilt sie als rassistisch? Nächste Frage: Ist es zulässig, nachzufragen, ob so eine Frage zulässig ist? Es ist heikel. Denn wir sollen nicht verallgemeinern und pauschal beschuldigen, wir wollen aber auch die Ängste der Frauen nicht banalisieren. Also, wie ist es? Wie groß ist die Gefahr? Von wem geht sie aus?

 

Coach

 

 

Bei den Beatles war die Gefährdung konkret. Sie richtet sich nicht gegen Popgruppen im allgemeinen, sondern speziell gegen John Lennon. Man wusste auch, wodurch sie ausgelöst worden war und von wem sie ausging. Der Ku Klux Klan und andere religiöse Gruppen hatten nach der Bemerkung, dass die Beatles populärer seien als Jesus, Rache-Aktionen angekündigt, LPs verbrannt und Beatles-Puppen gekreuzigt. Bei dem Konzert in Memphis wurden Knallkörper auf die Bühne geworfen. Auf ihren Hubschrauber wurden geschossen. Wie wir heute wissen, haben die Beatles überlebt. Dass John Lennon später von einem verrückten Einzeltäter erschossen wurde, konnte keiner verhindern und hatte mit dem damaligen Aufruhr nichts zu tun. Vielleicht war die Gefahr 1966 gar nicht so groß gewesen, wie alle dachten. Vielleicht waren es nur hoch gekochte Gerüchte, von denen sie verrückt gemacht wurden. Vielleicht war es sogar eine makabere Kampagne gewesen, um den Kartenverkauf anzukurbeln.

 

Feministen sehen sich nicht mehr als Opfer, sondern als Überlebende. Sie haben es bisher geschafft, die „rape-culture“, in der sie heute leben müssen, zu überleben, allerdings nicht ohne schwere Schäden zu erleiden. Wehe, es wagt jemand zu behaupten, sie würden heillos übertreiben und das ganze Gekreische und Gejaule wäre nur eine makabere Kampagne, um die Gleichstellungspolitik zu rechtfertigen und neue Straftatbestände für Männer zu schaffen. Wehe, es wagt jemand, zu behaupten, dass Schutzräume „nur für Frauen“ in unseren Breitengraden zu Friedenszeiten ebenso überflüssig sind wie Trigger-Warnungen, die sie davor schützen, ihre traumatischen Erfahrungen noch einmal durchleben zu müssen.

 

Wir kennen das. Wir haben uns längst an Frauenparkplätze und andere Hysterie-Aufladestationen gewöhnt wie etwa an Bibliotheken, die nur Frauen nutzen dürfen. Die Grünen führen sicherheitshalber „frauenöffentliche“, politische Veranstaltungen durch – Veranstaltungen also, bei denen Männer ausgesperrt werden. Es wird etwas sensibler ausgedrückt; denn natürlich sind solche Veranstaltungen „öffentlich“, da kann grundsätzlich jeder hin, aber sie sind „frauenöffentlich“, es kann also doch nicht jeder hin, nur Frauen. Sonst können sie nicht ungestört Politik für alle machen.

 

Wenn man zum Arzt geht, sollte man zwei Fragen beantworten können: Wo genau tut es weh? Seit wann sind die Beschwerden aufgetreten? So hat der Arzt eine gewisse Chance, dem Leiden auf die Spur zu kommen und ein Gegenmittel zu finden. Sonst nicht. Sonst kann er nicht helfen. In unserem Fall können die Fragen nicht beantwortet werden. Damit haben wir schon den Sinn der Sache verstanden: Es soll überhaupt nicht geholfen werden. Es wird keine Linderung angestrebt. Es soll nur gegen Männer gehetzt werden.

 

Coach

 

 

Man könnte sich ja ernsthaft Gedanken zum Thema machen. Haben wir etwa nur auf der Strecke Leipzig-Chemnitz ein Problem? Auf allen anderen Strecken nicht? Das wäre sehr unwahrscheinlich. Es ist auch nicht so. Soeben wird gemeldet, dass auf der Strecke Osnabrück-Cloppenburg eine 22jährige Frau, die in der Nordostbahn eingeschlafen war, gegen 21 Uhr von einem Fremden flüchtig geküsst wurde. Es sieht also ganz danach aus, als hätten wir auf der Leipzig-Chemnitz-Strecke genauso wenige – oder eben auch genauso viele – Problemfälle wie auf allen anderen Strecken auch. Was nun? Müssen nun überall solche Abteile eingerichtet werden? Wir wissen, wann die erste Regionalbahn gefahren ist. Das war 1835. Sie fuhr nicht von Leipzig nach Chemnitz, sondern von Nürnberg nach Fürth. Aber ab wann haben sich da die Übergriffe gegen Frauen so gehäuft, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen? Wie bitte? Die haben sich gar nicht gehäuft? Soll das heißen, dass die Maßnahmen überflüssig sind? Sollte man dann nicht erst einmal eine gut bezahlte Studie nachschieben, die beweist wie gefährlich das Leben für Frauen heute ist? Irgendwas mit Statistiken, die keiner liest.

 

Natürlich sollte man etwas gegen echte Bedrohungen tun. Aber was? Wie? Wo? Wäre es vielleicht eine Überlegung wert, auf manchen Strecken zu bestimmten Zeiten (etwa nachts in der S-Bahn in Berlin), Security mitfahren zu lassen? Das wäre zwar aufwendig, aber so könnte man eventuell helfen. Doch wenn die Bedrohung nicht lokalisierbar ist, kann man nichts machen. Wenn die Bedrohung als allumfassend dargestellt wird und gleichzeitig nur punktuell Schutz angeboten wird, ist es so, als hätte man den Leuten eingeredet, dass jederzeit überall Kometen abstürzen können und dass deshalb zur Sicherheit an zwei Orten in Deutschland Unterstellmöglichkeiten eingerichtet werden. Eine in Chemnitz. Eine in Leipzig. Dann sollen sie doch kommen, die Kometen.

 

Die Sicherheitsmaßnahmen tarnen sich als Service, doch sie sind hinterhältig und bösartig. Sie führen dazu, dass Männer pauschal als Gefahr für Frauen hingestellt werden. Alle Männer. Leider auch der Schaffner, der sein Abteil ganz in der Nähe hat. Wenn der nämlich auch ein Mann ist, wer sagt denn, dass er nicht Teil der Bedrohung ist? Ringo hatte damals eine böse Ahnung. Er fürchtete, dass sein Polizist ihn, wenn er angeschossen am Boden läge, nicht etwa retten, sondern um ein letztes Autogramm bitten würde. Auch der Polizist war Teil des Wahnsinns, der damals um die Beatles tobte.

 

Der Wahnsinn liegt in unserem Fall nicht darin, dass alle Männer im Raum Leipzig plötzlich irre geworden sind und wahllos über Frauen herfallen, der Wahnsinn liegt bei einer infamen Frauenpolitik, die alle Männer abstrafen will, als würden sie jedem Mann in einer imaginären Kartei in Flensburg zwei Punkte verpassen. Grundsätzlich. Weil er ein Mann ist. Wenn sich dieser Mann dann etwas zu Schulden kommen lässt, was nur einen Punkt bringen würde – schon ist der Führerschein weg. Männer werden durch solche Maßnahmen behandelt, als wären sie vorbestraft. Sie sind auf Bewährung und stehen unter verschärfter Beobachtung. Das ist der Sinn der Sache.

 

Coach

 

 

In so einer Stimmung kann Heiko Maas Gesetze und Verbote durchsetzen, die das Klima noch weiter vergiften. Passend dazu gibt es als schrille Begleitmusik den Hashtag #imzugpassiert. Da wird das Verhalten von Männern im Nahverkehr als skandalös hingestellt. Als Zumutung für Frauen. Das muss man sich mal vorstellen: In Deutschland werden tatsächlich Frauen in der Regionalbahn angestarrt, beobachtet und vielleicht sogar berührt. Da liegt Vergewaltigung in der Luft. Die Zustände schreien zum Himmel. Und wenn die Zustände selber nicht schreien, dann tun es die Frauen. Deutsche Denunziantinnen muss man nicht lange bitten: Achtung, fertig, Aufschrei. Schon sind die Giftspritzen zur Stelle, schon sprudeln die kleinen, anonymen Beschuldigungen nur so hervor und tun so, als könnten sie ein Gesamtbild zeichnen. Doch ein Hashtag ist nur ein Mückenschwarm, der sich einbildet, er wäre nahrhaft wie ein kleines Steak. Ein Hashtag ist ein Sturm aus Scheiße; der sich aufspielt, als hätte er Beweiskraft und irgendeinen Aussagewert. Dabei wird nur das Lied der Klamaukgruppe mit dem bezeichnenden Namen Erste Allgemeine Verunsicherung angestimmt: „Das Böse ist immer und überall!“

 

Was passiert denn nun im Zug? Ein Mann schieb vorsichtig die Tür zu dem Sonderabteil auf, in dem zwei Frauen sitzen. „Sind die Plätze noch frei ?Darf ich … ?“, fragt er höflich und rechnet im Stillen damit, dass ihn die Frauen wie in guten, alten Zeiten anschwindeln und behaupten, sie wären besetzt, auch wenn sie es gar nicht sind. Heute kommt es noch schlimmer.

 

„Können Sie nicht lesen?!“, sagt eine der Frauen und deutet auf das Zeichen „Männerfreie Zone“, mit dem das Abteil gekennzeichnet ist.

„Die anderen Abteile sind leider alle voll“, versucht es der Mann.

„Wenn eine Regel nicht konsequent befolgt wird, braucht man sie gar nicht erst einzuführen“, erklärt ihm die andere Frau. „Nun ist die Regel eingeführt.“

„In den anderen Abteilen sitzen aber, so viel ich sehe, überall Frauen und Männer friedlich nebeneinander …“

„Hier nicht!“

„Ich habe einen Behindertenausweis. Allerdings nur vierzig Prozent.“

Die Frauen schütteln energisch ihre Köpfe.

„Ich habe noch nie einer Frau …“

„Das kann alles noch kommen“, unterbricht ihn eine der Frauen und die andere ergänzt: „Selbst in Ihrem Alter, hi, hi, hi.“

„Ich will meine kranke Mutter besuchen …“, versucht er es weiter.

Doch die Frauen unterbrechen ihn sofort. Sie seien schließlich in Deutschland. Ob er nicht wüsste, wie hier Frauen in Angst und Schrecken leben müssen.

Er versucht es mit einem letzten verzweifelten Argument: „Ich habe Migrationshintergrund.“

Doch die Frauen zeigen sich entschlossen: „Männer raus!“ skandieren sie. Als er die Glastür zuschiebt und sich zurückzieht rufen sie ihm noch hinterher: „Überprüfen Sie Ihre Privilegien!“ Eine der Frauen kann auch ein bisschen englisch, schließlich leben sie in einer weltoffenen Gegend: „Scheck juhr Priwilätsches!“

 

Dabei ist es doch so einfach. Man stellt einfach ein Schild auf, dass Monster keinen Zugang haben und schon bleiben die Monster weg:

 

Monsterneu

 

P A S

 

Das Unglück hat drei Buchstaben: PAS.

Die wiederum haben zwei Bedeutungen. Sie stehen entweder für Parental Alienation Syndrome oder für Post Abortion Syndrome.

Einmal bringen sie das Leid der Kinder, die von einem Elternteil entfremdet werden, auf eine Formel, das andere Mal das Leid einer Frau, die es bereut, dass sie abgetrieben hat.

Beide Syndrome können sich zu einem Trauma entwickeln, das lebenslänglich wirkt. Immer, wenn ich diese drei Buchstaben sehe, stelle ich mir vor, dass die Betroffenen ein Brandzeichen haben – etwas, was sie nicht wieder loswerden. Sie sind ein Leben lang gezeichnet. Man sieht es ihnen nicht an, man weiß nicht, an welcher Stelle am Körper sie dieses Geheimzeichen haben.

Das Leid lässt sich nicht fotografieren, es gibt keine Bilder, die es anschaulich machen, es gibt auch keinen Zeitpunkt, an dem man sagen kann, dass es jetzt gerade spürbar ist. Es gibt immerhin ein paar Zahlen. Der Verein agens hat ausgerechnet, dass täglich 400 Kinder durch Scheidung von ihren Vätern (es sind fast immer Väter) getrennt und so zu Halbwaisen werden. Sie leiden immer. Mehr oder weniger. Manche – zumindest äußerlich – so wenig, dass man es nicht bemerkt. Manche treibt es in den Selbstmord, auch dann weiß man nicht, ob es der einzige Grund war.

Die Zahl der Abtreibungen, die es in den letzten vierzig Jahren in Deutschland gegeben hat, wird auf circa zehn Millionen geschätzt. Fast alle Frauen sind anschließend unglücklich, fast alle sind nicht mehr mit dem Partner zusammen, fast alle geben an, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlten. Niemand weiß Genaues. Nicht nur, weil das Problem schwer zu erfassen ist und die Daten schwer zu erheben sind, sondern weil es niemand in der Politik wissen will.

Man fragt zwölfjährige Mädchen, ob sie schon mal zur Zwangsprostitution gezwungen wurden, aber nicht, ob sie sich wünschen, dass sich die Eltern wieder vertragen. Man fordert ein Grundrecht auf Abtreibung, kümmert sich aber nicht um das Leid, das damit bei den Frauen angerichtet wird. Die Frauenpolitik sorgt sich um Frauen in den Vorständen von DAX-Unternehmen und um homosexuell lebende Paare, die ein Kind adoptieren wollen.

Das Unglück, das sich hinter den Buchstaben PAS verbirgt, hat es früher in der Art nicht gegeben. Es gehört zu den Früchten, an denen man die Frauenpolitik erkennt. PAS in seinen beiden Bedeutungen ist das eigentlich Neue und das Besondere, das uns der Feminismus gebracht hat – er hat uns PAS -Früchte gebracht.

Sind diese Ergebnisse gewollt oder nicht?

Sie sind gewollt. Wären sie es nicht, würde sich die Politik um die Aufarbeitung und Begrenzung weiterer Schäden kümmern und Wiedergutmachung leisten.

Doch das geschieht nicht.

Dokumentationen, wie sie MANNdat oder das Internetprojekt Die Familie und ihre Zerstörer – abgekürzt dfuiz – zu erarbeiten versuchen, werden nicht nur nicht gefördert, sie sind ausdrücklich unerwünscht.

Die Akteure, die man mit dem unglücklichen Begriff »Männerrechtler« etikettiert, werden behandelt, als würden sie etwas Verbotenes tun.

 

 

Das Kind als Gewinnstufe

 

 

 

 

 

Ich träume jetzt mal vor mich hin: Ich stelle mir vor, dass ein Paar, das ein Kind hat, sich so verhalten muss wie ein Kandidat bei ‚Wer wird Millionär’, der eine Gewinnstufe einloggt und festschreibt – eine Gewinnstufe, unter die er nicht mehr zurückfallen kann, wenn er im Verlauf seiner Rateabenteuer abstürzt.

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Die Gewinnstufe ist das gemeinsame Kind. Die darf nicht unterlaufen werden.

Vergewaltigungen und der fünfte Mann

 

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Sind Sie für oder gegen ein Hotpants-Verbot an Schulen? Eine heiße Frage. Ein heißes Thema. Es geht um ein „gesundes Schulklima“, wie es an einer Schule hieß.

 

Aber mehr noch geht es darum – wie es an anderer Schule heißt, – gewisse „Diskrepanzen“ zu berücksichtigen, weil in der Turnhalle Asylbewerber, überwiegend sunnitische Muslime, untergebracht waren.

 

Wenn wir es richtig heiß haben wollen, müssen wir einen Blick nach Norwegen werfen: In den letzten Jahren hatten sich in Oslo Fälle von Vergewaltigungen gehäuft, bei denen nichtwestliche Ausländer als Täter identifiziert wurden. Im Jahre 2011 waren es doppelt so viele Vergewaltigungen wie im Vorjahr. Deshalb spricht man von einer regelrechten „Vergewaltigungs-Epedemie

 

Zu einhundert Prozent sind die Täter keine Norweger, weshalb die Taten auch „orientalische“ Vergewaltigungen genannt werden. Die jungen Frauen färben sich nun sicherheitshalber die Haare schwarz und trauen sich nur noch in Gruppen auf die Straße. Die politisch korrekte Berichterstattung steckt in einer Zwickmühle, weil sie sich entweder dem Vorwurf ausgesetzt sieht, zum Fremdenhass beizutragen oder das Leid der Frauen zu bagatellisieren.

 

Dass so etwas passiert, liegt nicht an der Haarfarbe, am Minirock oder an den Hotpants. Der Angriff gilt den bedauernswerten Mädchen nicht nur im Einzelfall. Sie werden zugleich als Repräsentanten des westlichen Lebensstils angegriffen. Die Verachtung der muslimischen Männer richtet sich gegen ein Gesamtbild, das sich aus vielen Mosaiksteinen zusammensetzt, zu denen Lady Gaga, Pussy Riot, die Femen und andere Heldinnen der Schamlosigkeit gehören, aber auch Feministen, die Männer hassen, Abtreibung propagieren Schlampenparaden veranstalten und sich Parolen auf die nackte Brust schreiben.

 

Man muss sich nicht in der Nähe eines Schulhofs aufhalten, um einen Eindruck von den Sitten der westlichen Frau zu erhaschen. Es genügt, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen oder das Fernsehen einzuschalten, in dem Stars wie Lady Bitch Ray gefeiert werden. Vom Internet ganz zu schweigen. Sex, Sex, Sex überall. Neuerdings auch im Kindergarten. Vergewaltigungen scheinen in unseren Breitengraden etwas Alltägliches zu sein. Feministen haben ausgerechnet, dass alle sieben Sekunden eine Frau vergewaltigt wird. Deshalb musste es auch unbedingt Frauenparkplätze geben, damit wenigstens in Parkhäusern die Vergewaltigungen zurückgehen.

 

Nein. Darum geht es nicht. Sicherheit wird auf diese Weise nicht geschaffen. Es wird die Angst vergrößert. Frauenparkplätze und andere Schutzräume, die „nur für Frauen“ eingerichtet werden, sind Hysterie-Tankstellen, die bestätigen, dass die Ängste berechtigt sind. Die Angst vor Gespenstern gilt damit als Beweis für die Existenz von Gespenstern. Es wird unwidersprochen verkündet, dass alle Männer Vergewaltiger sind, „auch die netten“, wie Alice Schwarzer extra betont hat. Von den Universitäten in Amerika hören wir, dass es da eine regelrechte „Vergewaltigungskultur“ geben soll. So ist unsere Kultur.

 

Was macht das für einen Eindruck? Der muslimische Zuwanderer spürt, was hier los ist; er bemerkt die Verlorenheit der hiesigen Frauen, die kein Vertrauen haben und die niemanden mehr – auch nicht sich selbst – respektieren. Vergewaltigt werden sie sowieso. Es gibt keinen anderen Zusammenhang mehr, in den ihre Sexualität eingebettet sein könnte. Sie sind Frauen ohne Welt. Sie haben keine Traditionen, die sie respektieren. Ehe und Familie sind ungültig geworden. Sie respektieren die Alten nicht. Sie haben keine Ehre. Keine Sitte. Keine Moral. Keinen Glauben. Keine Treue. Keine Verpflichtung. Keine Verantwortung. Keine Bindung. Keinen Bruder. Kein Kind. Keinen Mann. Keinen Vater.

 

Und damit auch keinen Schutz. Stellen wir uns den umgekehrten Fall vor: Ein norwegischer Tourist vergewaltigt eine Frau in einem islamischen Land. Vermutlich würden er noch in selbiger Nacht gelyncht werden. Wäre er in einem Land, in dem Schusswaffen frei verfügbar sind, hätte er vier Kugeln im Kopf: eine vom Vater, eine vom Bruder, eine vom Ehemann, eine vom Sohn.

 

Die westliche, weiße Frau dagegen hat sich von allen losgesagt: „Väter sind Täter“, lautet die feministische Parole. Auch die Brüder wurden ausgemustert. Nach den inzwischen verbindlich gemachten Sprachregelungen, die Luise Pusch vorgegeben hat, heißt es: „alle Menschen werden Schwestern“. Der Ehemann – falls es überhaupt jemals einen gab – ist entsorgt, ein mögliches Kind wurde abgetrieben.

 

Die Trennung ging von den Feministen aus. Männer konnten sich dagegen nicht wehren. Heute hat ein Vater keine Autorität mehr, er darf nicht einmal erfahren, ob er wirklich der Vater ist; die Frau hat heute ein – wie es heißt – Recht auf „geschützten Mehrverkehr“, womöglich darf er sich der elterlichen Wohnung nur noch bis auf fünfzig Metern nähern. Ein Ehemann hat keine Möglichkeit, eine Scheidung und den Verfall der ganzen Familie zu verhindern. Einen Bruder haben die vielen Einzelkinder sowieso nicht – Kinder auch nicht.

 

So bleibt einer Frau der fünfte Mann, der gefährliche (aber auch faszinierende) Fremde. Es bleibt ihr außerdem die Solidarität mit Feministen. Und es bleibt ihr die Sehnsucht nach einem starken Staat – nach einem totalitären Staat. Die westliche, weiße Frau hat sich dem „großen Bruder“ anvertraut, der tatsächlich mehr und mehr so geworden ist, wie ihn George Orwell beschrieben hat: ein Überwachungsstaat, der „doublethink“ eingeführt hat, und Männer in ihrem Sinne überwacht und zur Kasse bittet.

 

Der Staat ist großer Bruder und Vater zugleich. Deshalb sagt man auch, dass sich die westliche Frau „Vater Staat“ an die Brust geworfen hat. Er soll ein möglichst strenger und mächtiger Vater-Ersatz sein. Er bemüht sich ja. Er hat eine imposante Frauen-Bevorzugungs-Bürokratie aufgebaut, die sich allerdings in erster Linie darum kümmert, sich selbst zu erhalten. Vater Staat fördert alles, was die Geschlechtertrennung weiter vorantreibt und verspricht den alleinstehenden Frauen neue Karriere-Chancen, um eigenes Geld zu verdienen und auf eigenen Füßen zu stehen – bis sie im Alter merken, dass Alleinsein nicht glücklich macht und das Geld nicht reicht.

 

Es wird kein gutes Ende nehmen. Der Staat kann einer Frau die vier Männer, von denen sie sich losgesagt hat, nicht ersetzen. Er kann sie im Ernstfall nicht einmal schützen. Das merken die jungen Frauen – nicht nur in Norwegen: Polizei und Presse halten sich bedeckt, und im Schatten der Political Correctness können die orientalischen Vergewaltiger ungestraft agieren. Für die Frauen ist es ein weiterer Beweis dafür, dass die Männer auf der ganzen Linie versagt haben. Alle. Sie sind böse. Sie sind Verbrecher. Sie taugen nicht als Beschützer.

 

In Alexis Sorbas von Nikos Kazantzakis wird beschrieben, wie fremde Männer in ein Dorf kommen und die jungen Mädchen darauf mit Angstreflexen reagieren und weglaufen. Warum? Sie haben eine tief sitzende Panik geerbt, aus Zeiten, als Piraten die schutzlosen Inseln überfielen und Menschen raubten, entführten und versklavten. Das war nicht nur auf Kreta so, sondern auch in Irland und Island, wo man bis heute – um das Trauma zu verarbeiten – an Gedenktagen Szenen aus solchen Dramen nachspielt und die Verstecke aufsucht, in denen sich die Frauen einst in Sicherheit gebracht hatten. Die feministische Vergewaltigungs-Propaganda nutzt die alte Angst und benennt einen neuen – allerdings falschen – Feind: den Ehemann, den Vater. Damit stürzt die ängstliche Frau ins Bodenlose.

 

Zu einer Vergewaltigung gehören mehr als zwei. Als im Zweiten Weltkrieg Soldaten aus Russland und aus der Ukraine ins Deutsche Reich einfielen und massenhaft Frauen vergewaltigten, taten sie das nicht allein deshalb, weil sie so lüstern gewesen wären und es auf die deutsche, blonde, unschuldige Frau abgesehen hätten – so wie es die Propaganda ausgemalt hat.

 

Sie taten es, weil sie den deutschen Mann hassen gelernt hatten und alles vernichten wollten, was diesem lieb und teuer war. In Berichten aus früheren Kriegen kommt das noch deutlicher heraus: Ein Sieger, der die Frau des Besiegten vergewaltigt, siegt damit zum zweiten Mal. Gemeint ist bei so einem Verbrechen nicht nur die Frau allein, sondern auch ihr Mann, dem damit eine weitere Niederlage zugefügt wird. Die Attraktivität der Frau spielt eine untergeordnete Rolle.

 

Wichtiger als ihr Reiz ist die Verachtung, die einer Frau entgegenschlägt. Der Vergewaltiger drückt nicht etwa Zuneigung aus, sondern Ablehnung. Nicht Verehrung, sondern Geringschätzung. Was Oslo erlebt, ist nicht etwa ein Krieg des Mannes gegen die Frau, wie es uns die feministische Propaganda weismachen will, die gewohnheitsmäßig falsch verallgemeinert. So ist es nicht. Es ist ein Krieg der Kulturen: Der orientalische Vergewaltiger vergreift sich ausschließlich an westlichen Frauen, nicht an orientalischen.

 

Er kann sehr wohl unterscheiden. Er vergreift sich gezielt an dem Typus Frau, der seine Werte verlacht und bedroht; ein Typus, der, wie er meint, sowohl von Männern als auch von geschützter, exklusiver Sexualität in der Ehe nichts wissen wolle. Keusche Jungfrauen dagegen wären potentielle, schützenswerte Heiratskandidatinnen. Es ist außerdem ein Krieg des orientalischen Mannes gegen den westlichen Mann, bei dem der Vergewaltiger zum Rächer und Eroberer zugleich wird.

 

Der weiße, westliche Mann wird für Vergewaltigungen beschuldigt, die oftmals keine sind. Und denen, die wirklich welche sind, muss er tatenlos zuschauen. Er ist in einer wahrlich tragischen und traurigen Lage. Er durchleidet das, was in dem Buch Schande beschrieben wird. Dort ist der Schauplatz Südafrika. Der Held wird beschuldigt, ein Vergewaltiger zu sein. Er verliert dadurch seine berufliche Existenz, obwohl es in Wahrheit eine unbedeutende Affäre mit Einverständnis der Frau war.

 

 

Schließlich kommt es in dem Buch von John M. Coetzee doch noch zu einer richtigen Vergewaltigung: Seine Tochter fällt vor seinen Augen einem Schwarzen zum Opfer. Er selbst wird verletzt, der Vergewaltiger versengt seine Augenbrauen. Am Ende hat der schwarze Mann nicht nur die Tochter, sondern auch den Besitz des weißen Mannes erobert.

 

 

Es deutet sich an, dass wir solche Dramen auch in unseren Landen erleben werden – in anderer Besetzung, in anderen Variationen, in kleinen und in größeren Dosierungen. Mit und ohne Hotpants.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frauenfußball und gelbe Karte

 

 

 

 

Eins zu Null für Lassahn

 

 

 

Nun kicken sie wieder und ich gucke nicht hin. Es ist lange her, dass ich mir so etwas zusammen mit meiner Mutter, die damals noch lebte, angesehen habe. Sie hatte sich ziemlich geärgert, weil sie eigentlich ihre Lieblingsserie sehen wollte, aber die wurde verschoben, weil Frauenfußball vordringlich war. Pech. Nun sahen wir uns die Bescherung an.

 

Ich weiß noch, dass eine der beiden Mannschaften aus Brasilien war – hätte ich jetzt sagen müssen: eine der beiden Frauschaften oder Mannschaftinnen? Jedenfalls war eins der beiden Teams aus Brasilien. Ich weiß nicht mehr, ob sie gewonnen oder verloren haben, ich habe es nicht bis zum Schluss angeguckt; ich wollte es nicht wissen. Ich gestehe, dass mir die Brasilianerinnen herzlich unsympathisch waren. Dennoch bin ich ihnen dankbar. Sie haben mir deutlich gemacht, was das Besondere am Frauenfußball ist.

 

Es fiel mir gleich auf: Die Spielerinnen applaudierten. Immer wenn es einen einigermaßen guten Spielzug ihres Teams gab, applaudierten sie sich selbst, ganz unabhängig davon, ob die Aktion zum Erfolg geführt hatte oder nicht. Nicht das Publikum applaudierte. Die Spielerinnen taten es. Man hörte es nicht, man sah es nur. Sie spendeten sich Applaus dafür, dass sie ihrer Meinung nach gut gespielt und sich ordentlich Mühe gegeben hatten. Sie brachten sich damit in die richtige Stimmung, es sollte vermutlich so etwas wie eine positive Verstärkung sein.

 

Ich musste an die Zeit zurückdenken, als ich in Amerika Sportler war. Da wurde ein gut gemachter, wenn auch gescheiterter Wurf, als „nice try“ gelobt. Das war’s. Darin lag allerdings eine Spur von Herablassung, als sollte damit gesagt sein: Da müssen wir noch dran arbeiten, nächstes Mal machst du das besser. Letztlich zählte das Ergebnis.

 

Applaudiert wurde nicht. Der Coach klatschte nicht. Wir Spieler taten es auch nicht. Wir wären überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen. Wenn es nach einem Wettkampf im Umkleideraum ein anerkennendes Nicken von einem Teamkollegen gab, dann war’s das. Das reichte.

 

Die Sportlerinnen aus Brasilen waren großzügig. Man kann auch sagen: Sie waren nicht besonders anspruchsvoll. Sie klatschen. Und klatschten. Und klatschten. Womöglich war es ihre spezielle Art, sich Mut zuzusprechen. Ich fand es billig. Es wirkte so, als wären sie auf irgendeine Scharlatanin reingefallen, die ihnen den letzten Schrei in Sachen Motivationstraining angedreht hatte. Wahrscheinlich sagten sie schon am frühen Morgen zu ihrem Spiegelbild: „Tschaka, Tschaka, du schaffst es, dies ist dein Tag.“

 

Es wirkte so, als hätten sie es nötig. So als hätten sie keine echte Motivation, sondern müssten die erst herstellen, wie jemand, der eigentlich keine Lust hat, etwas zu tun, aber trotzdem anfängt und sich sagt: Mal sehen, Appetit kommt vielleicht beim Essen. Man konnte wirklich nicht sagen, dass sie in einem Rausch der Spielfreude über das Feld huschten und dabei über sich hinauswuchsen. Es sah eher so aus, als wollten sie ihre Rolle als Fußballspielerinnen erst noch konstruieren, immer unter dem Vorbehalt, jederzeit wieder abzubrechen und auszusteigen, falls sie nicht genug gelobt werden oder sie sich das wieder anders überlegt haben.

 

Dann kriegte jemand vom gegnerischen Team eine gelbe Karte. Was taten die Brasilianerinnen? Sie applaudierten. Nun wurde es ein anderer Applaus. Damit beklatschten sie nicht ihren eigenen mickrigen Erfolg, sondern den Misserfolg der Gegenseite. Sie beklatschen nicht ihre eigene Stärke, sondern die Schwäche des Gegners. Nicht ihr eigenes Geschick, sondern das Missgeschick der anderen.

 

Schadenfreude ist ein Wort, das auch in Amerika kursiert, als müssten sie ein Wort aus Deutschland importieren, weil sie so etwa nicht kennen. Die Brasilianerinnen kannten es.

 

Deshalb mochte ich sie nicht. Und ich mochte sie nicht, weil mich in dem Moment Frauenfußball an Frauenpolitik erinnerte. An eine Politik, bei der die Erfolge darin bestehen, dass andere geschädigt werden. Ich musste sofort an das Zitat von Alice Schwarzer aus den achtziger Jahren denken, das es inzwischen zu trauriger Berühmtheit gebracht hat: „Wenn wir wirklich wollen, dass es unsere Töchter leichter haben, müssen wir es unseren Söhnen schwerer machen.“ So kann man reden, wenn man weder einen Sohn, noch eine Tochter hat.

 

So wurde es dann auch gemacht. Die Benachteiligung der Jungs ist inzwischen gut dokumentiert. Gefeiert wird sie als Erfolg der Mädchen. Wie in der Bildung, so in der Politik, im Berufsleben, in der Wirtschaft. Frauenpolitik hat viele Erfolge zu vermelden. Überall gibt es Frauen, denen es leichter gemacht wird, indem man es Männern schwerer macht.

 

Als ich klein war und auf dem Dorf lebte, wollte ich auch – so wie die anderen Jungs – Fußball spielen. Wir hatten einen Ball, mehr nicht. Wir hatten nicht mal den Namen „street football“ für das, was wir da machten. Wir improvisierten. Unseren Tornister waren unsere Torpfosten. Wir vereinfachten die Regeln: fünf Ecken = ein Elfer. Also: Wenn es zum fünften Mal zum Eckball (den wir nicht gut verwandeln konnten) gekommen war, wurde ersatzweise ein Elfmeter (der in eher ein Fünfmeter war) gegeben. Soweit, so gut. Es fehlte nur an Spielern.

 

Die Mädchen wollten nicht. Wir konnten sie schließlich überreden, indem wir die Spielregeln änderten. Das Mädchentor wurde verkleinert, damit es schwerer zu treffen war und für sie galt: drei Ecken ein Elfer. Ich weiß nicht mehr, ob sie gewonnen oder verloren haben. Ich weiß nur noch, dass es kein Rückspiel gab, kein weiteres Spiel.

 

Wir sollten uns an diesen wunderbaren Mädchen (die wir erstaunlicherweise „Wichter“ nannten) ein Beispiel nehmen! Ich habe sie in bester Erinnerung. Sie haben sich zwar in einer schwachen Minute überreden lassen, es mit „affirmative action“ und mit positiver Diskriminierung zu probieren, haben es dann aber bleiben lassen und haben lieber das getan, wozu sie wirklich Lust hatten (für Lust hatten wir erstaunlicherweise eine Art Plural, wir sprachen von „Lusten“).

 

Die Mädchen haben nur gemacht, was sie wirklich wollten. Sie haben vermutlich instinktiv gewusst – man soll die Mädchen vom Land nicht unterschätzen –, dass sie nur dann zu einem echten Selbstbewusstsein kommen, wenn sie ohne Motivationstraining auskommen, ohne Girls’ Day und ohne diesen ständigen Druck, eingefahrene Rollenbilder zu ändern und zu dekonstruieren.

 

Die Mädchen aus dem Dorf wären nicht auf solchen Mode-Schnick-Schnack reingefallen. Ich möchte sie herzlich grüßen: Anneliese, Irmgard, Hannelore, Gerda, Ingetraut, Christa, Renate, Jutta … und wie sie alle hießen.

 

Ich heiße Lassahn. Das Dorf mit den wunderbaren Mädchen heißt nicht so. Doch es gibt einen Ort, der so heißt. Da gibt es eine Fußballmannschaft. Und die ist mit einem legendären Tor Führung gegangen: 1 zu 0 für Lassahn! Siehe oben!

Falsche Freunde. Falsche Feinde

 

 

Falsche Freunde und falsche Feinde.

Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge.

 

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Es ist immer fünf vor zwölf

 

Es geht um brutale Gewalt, um Schwule, Lesben, Transen und Feministen, sowie um Bücher und Meinungsfreiheit. Im übertragenen Sinne geht es um die Uhr des Lebens, um Lawinen sowie um Adler und andere Vögel. Außerdem geht es – ebenfalls im übertragenden Sinne – um eine brennende Hütte und um die Frage, warum Volker Beck nicht die Feuerwehr ruft.

 

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat in Berlin ein Fachgespräch veranstaltet mit prominenter Besetzung auf dem Podium, u.a. mit Volker Beck, Kai Gehring, Prof. Sabine Hark, Ulle Schwaus, Laurel Braddock (Beratung für schwule und lesbische Heranwachsende) und Anne Wizorek.

 

Sie sind allesamt bekannt als schwule, lesbische oder feministische Aktivisten. Das passt. Es ging bei dem Fachgespräch nämlich um „Strategien gegen Anti-Feminismus und Homophobie“ – also um Strategien gegen Leute, von denen die Promis auf dem Podium annehmen durften, dass sie von denen nicht gemocht werden und dass die sich ihren aktuellen Plänen in den Weg stellen wollen.

 

Es ging nicht etwa um ein Gespräch mit diesen Leuten. Vielmehr ging es um ein Gespräch über solche Leute. Da sich alle auf dem Podium einig waren, war es langweilig. Es war eine Verkündung von oben herab zu einem gleichgesinnten Publikum. Es war keine Diskussion mit Für und Wider, Pro und Contra, wie man das vielleicht noch von früher kennt.

 

 

Die Lawine und die Adler

 

Zwei fatale Irrtümer wurden bei der Veranstaltung deutlich. Nicht etwa dem Publikum oder den Meinungsführern auf dem Podium. Im Gegenteil – die schienen sich pudelwohl zu fühlen. Den kritischen Beobachtern wurden sie indes schnell klar, zum Beispiel dem Informatiker Hadmut Danisch, der darüber einen launigen Bericht verfasst hat, der gut zu lesen, aber auch von erschreckender Deutlichkeit ist. Oder Wolle Pelz, ebenfalls Informatiker und freiwilliger Protokollführer, dem aufgefallen ist, dass stets von „Maskulinisten“ die Rede war – eine Bezeichnung, mit der eine Menschengruppe benannt werden soll, die es gar nicht gibt.

 

Der erste fatale Irrtum liegt darin, dass der richtige Gegner nicht erkannt wird. Die Experten auf dem Podium wissen nicht, mit wem sie es zu tun haben. Kein Wunder also, dass niemand auf dem Podium war, der auch nur ansatzweise anderer Meinung war; die Veranstalter hätten gar nicht gewusst, wen sie hätten einladen sollten; denn sie wissen tatsächlich nicht, wer diejenigen sind, denen sie mit ihren „Strategien“ entgegentreten wollen und wer diejenigen sind, die eine wirkliche Gefahr darstellen.

 

Oder sie wissen es sehr wohl und verschweigen es bewusst. In beiden Fällen ist es fatal für die Lesben, Transen, Homos und Feministen, die damit über ihre wahren Gegner getäuscht werden. Gleichzeitig werden unnötigerweise diejenigen, die gar nicht die wirklichen Gegner sind, bestraft und geschädigt.

 

Stellen wir uns vor, da geht ein Wanderer auf einem Weg, auf dem die Gefahr besteht, dass ausgerechnet da Lawinen niedergehen. Nun kommt die Bergwacht, verschweigt dem Wanderer die Gefahr von Lawinen und redet ihm ein, dass er von Adlern bedroht sein könnte, deshalb müsse man überlegen, ob nicht zu seiner Sicherheit alle Adler und bei der Gelegenheit auch alle sonstigen Vögel abgeschossen werden müssen.

 

Der zweite Irrtum liegt darin, dass die Herrschaften auf dem Podium verkennen, was die vermeintlichen Gegner eigentlich angreifen wollen. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die berühmte Unterscheidung, die früher einmal gemacht wurde, als – zumindest nach außen hin – differenziert wurde zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Menschen. Hier findet so eine Differenzierung nicht statt: Es werden dem empfindsamen Publikum Menschenfeinde präsentiert, die in Wirklichkeit keine Menschenfeinde sind, sondern Sachfeinde.

 

Eine sachliche Diskussion wird jedoch gemieden. Um welche Themen geht es? Anne Wizorek fasste die Kritik, die sie wahrnimmt, folgendermaßen zusammen: Sie richtet sich gegen Gender-Mainstreaming, gegen die „Wissenschaft von der Geschlechter-Forschung“, gegen geschlechtergerechte Sprache, gegen Quotenregeln.

 

Zu diesen Punkten wird jedoch grundsätzlich keine Kritik zugelassen. Ersatzweise wird jeder, der Kritik dazu äußert, als antifeministisch, rechtsradikal und homophob hingestellt und geächtet. Deshalb ging es auch, wie es der Titel der Veranstaltung sagt, um „Strategien gegen …“ – jedoch nicht um Strategien gegen Meinungen, sondern um Strategien gegen Menschen. Da keine Sachdiskussion stattfindet, werden aus Gegnern in der Sache schwuppdiwupp Gegner der Menschen.

 

Doch in Wahrheit werden die Schwulen, Lesben, Transen und Feministen nicht gehasst. Jedenfalls nicht von denen, die ihnen das Podium präsentieren will. Natürlich ist es so, dass sie nicht von allen geliebt werden. Das kann man auch nicht erwarten. Aber jemanden nicht zu lieben, bedeutet nicht, ihn zu hassen. Kritik ist ebenfalls kein Hass, sondern Kritik. Die ist nicht nur erlaubt, sie ist notwendig. Die Kritik, die es tatsächlich gibt, richtet sich nicht gegen die Menschen im Publikum, sondern gegen die Politik, die von den Aktivisten auf dem Podium vertreten wird.

 

Die anwesenden Tunten – es waren jedenfalls auffällig viele da – werden damit an einem empfindlichen Punkt berührt. Ihre Besonderheit konfrontiert sie ständig mit der Frage: Wie wirke ich? Wie reagieren andere auf mich? Auf diese „gute Frage“, wie man heute sagt, erhalten sie eine schlechte Antwort. Sie sind weder so beliebt und so wichtig, wie es ihnen die Grünen weismachen wollen, noch sind sie so verhasst. Die Grünen präsentieren sich als falsche Freunde und bieten ihnen an, sie vor falschen Feinden zu schützen.

 

 

Sind sie von allen guten Geistern verlassen? Sind Intellektuelle jetzt ihre Gegner?

 

Kai Gehring, Mitglied des Bundestages, hat diejenigen, die er als Gegner sieht, grob in drei Gruppen aufgeteilt. Wohlgemerkt: Er sieht eine Gegnerschaft in Menschen, nicht in Argumenten. Er nennt dann auch keine Argumente, sondern Menschengruppen – und zwar: die „religiös Motivierten“, die „politisch Motivierten“ und … An dieser Stelle will ich gleich einen ersten Zwischenruf anbringen: „Na und?!“

 

Das besagt gar nichts. Warum sollte man etwas gegen solche Leute haben? Wir haben Religionsfreiheit und wir wünschen uns mündige Bürger, die sich engagieren und die gut motiviert an der Gestaltung der Politik mitwirken und nicht einfach nur lustlos alle vier Jahre ein kleines Kreuzchen malen. Was ist dagegen einzuwenden? Motiviert zu sein ist noch kein Inhalt und macht noch lange keine Gegnerschaft aus.

 

Die dritte Gruppe, die Kai Gehring erwähnt – die „Intellektuellen“ – bilden überhaupt keine Gruppe. Das sind einzelne, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen, die sich auf eigene Faust an Diskussionen beteiligen und so am Prozess der Meinungsbildung mitwirken. Dagegen spricht auch nichts. Die geheimnisvollen Maskulinisten gehören zu den Intellektuellen.

 

Wenn wir uns die Gruppen näher ansehen, bestätigt sich, was ich anfangs angesprochen habe – nämlich: Die angeblichen Gegner sind allesamt harmlos und stellen für Lesben, Schwule, Transen und Feministen keinerlei Gefahr dar. Die „Gruppe“ der Intellektuellen sowieso nicht. Die schreiben nur, die beißen nicht. Es sind womöglich seltsame, aber letztlich ungefährliche Vögel: Adler, Geier, Nachtigallen, Papageien … Intellektuelle hassen auch nicht – ihr Intellekt verbietet ihnen das. Sie bemühen sich vielmehr um eine wahrhaftige Sicht auf die Welt in ihrer Komplexität. Mehr oder weniger erfolgreich, versteht sich.

 

Außerdem bewegen sich die Autoren im geschützten Freiraum des Geistes. Die Meinungs- und Kunstfreiheit, die sie für sich in Anspruch nehmen, korrespondiert mit der Freiheit des Lesers, der sich nach der Lektüre seine eigene Meinung bilden kann (und das auch tun soll) und der selbstverständlich die Freiheit hat, ein Buch nach wenigen Seiten beiseitezulegen oder gar nicht erst anzufassen. Lesen färbt nicht ab. Wenn jemand ein Buch liest, bedeutet es nicht, dass er allem, was darin steht, zustimmt und eins zu eins für sich zu übernehmen muss.

 

Eine Leserschaft ist ebenfalls keine Gruppe. Sonst hätten wir es mit einer unüberschaubare Menge von Gruppen zu tun: mit Harry-Potter-Lesern, Shades-of-Grey-Lesern … Hinzu kommt, und das sollte Kai Gering berücksichtigen, dass die meisten mehr als ein Buch lesen.

 

Einfach nur ein paar Namen von Autoren in den Raum zu werfen – wie es auch Volker Beck getan hat – und dabei gänzlich auf Inhalte zu verzichten, verrät eine Haltung, die das Individuelle nicht schätzt und die Freiheit der Kunst und Meinungsäußerung missachtet. Das ist intellektuellenfeindlich, was eine Variante von Menschenfeindlichkeit ist, und wirkt so, als hätten die Politiker der Grünen Angst davor, dass jemand selbständig denkt.

 

Den Eindruck musste man tatsächlich haben. Da wurden vom Podium herab Namen präsentiert, als würden sie damit zum Abschuss freigegeben: Kelle, Kuby, Matussek, Martenstein, Pirincci. Ich bin mir sicher, dass die Herrschaften die Bücher gar nicht gelesen, sondern nur irgendetwas darüber gehört haben. Schlimmer noch: Sie sind offenbar der Ansicht, dass es auch nicht nötig ist, sich damit zu befassen. Name genügt. Angela Merkel hat Sarrazin schließlich auch nicht gelesen.

 

So werden diese Autoren, die etwas „zur Sache“ geschrieben haben, hingestellt als wären es Autoren, die etwas „gegen Menschen“ haben. Damit wird dem Publikum unnötig Angst gemacht und es werden Autoren, die mit ihrem Namen für das einstehen, was sie schreiben, persönlich angegriffen. André Heller sagte einst: „Denn merke: Wer das Denken nicht attackieren kann, attackiert den Denkenden“.

 

Die Herrschaften auf dem Podium schienen nicht viel von ihrem Publikum zu halten. Sie vermuteten – wahrscheinlich sogar zu recht –, dass es aus unkritischen Jubeltunten besteht, die schon zufrieden sind, wenn man – was unter Intellektuellen als Foulspiel, ja geradezu als Todsünde gilt – nicht etwa die Position, sondern die Person angreift und sich damit auf die ganz billige Tour eine inhaltliche Auseinandersetzung erspart.

 

 

Politiker, die Angst haben vor der Demokratie

 

Bei den „politisch Motivierten“ nannte Kai Gehring die AfD. Auch hier möchte ich ihm ein herzhaftes „Na und?!“ entgegenhalten. Die AfD ist neu im Parteienspektrum, ihr Programm unterscheidet sich von dem der Grünen und sorgt damit für eine wünschenswerte Vielfalt. Niemand muss sie wählen (es muss auch niemand ein Buch lesen). Soweit ist alles prima. Nun treten die Parteien in einen offenen Wettbewerb um Wählerstimmen. So ist Demokratie. Was ist daran falsch?

 

Von einem Mitglied des Bundestages erwartet man nicht unbedingt Leseempfehlungen (man erwartet auch nicht, dass von Büchern abgeraten wird), vielmehr wünscht man sich einen Bericht aus der Welt, in der sich ein Politiker auskennt. Wie ist es da? Wie sehen die Differenzen auf der politischen Bühne aus? Da kommt nichts. Fast nichts. Die AfD will partout nicht „gendern“ wird geklagt, die wollen stur bei diesem „AfD-Sprech“ bleiben, wie die nicht gegenderte Sprache inzwischen genannt wird. So der Vorwurf. Da wurde es endlich mal konkret. Und banal.

 

Wieder ertönt ein herzhaftes: „Na und?!“ So wird man nicht zum Gegner. Wenn jemand weiterhin so reden will, wie er es bisher getan hat, dann gehört er zu den Leuten, die bei einer Mode nicht mitmachen wollen, bei der sie auch nicht mitmachen müssen. Nicht-Mitmachen ist keine Gegnerschaft. Wenn sich jemand einer Sprachvorschrift nicht unterwerfen will, dann kann der Grund dafür auch in der Fragwürdigkeit der Sprachvorschrift liegen.

 

Es herrscht sowieso politische Windstille. Es gibt keinen scharfen politischen Gegenwind. Scharfen Gegenwind, den die Grünen fürchten müssten, gäbe es, wenn die AfD als etablierte Regierungspartei an der Macht wäre und sich aus der Position der Stärke heraus Strategien überlegte, wie sie der Gender-Sprache entgegentreten könnte und beispielsweise Strafmandate für den Gebrauch des Binnen-Is in Erwägung zöge.

 

So ist es nicht. Das war nur ein Gedankenspiel mit mehreren Konjunktiven. Selbst wenn es so wäre, dann befänden wir uns damit immer noch im grünen Bereich. Da blieben wir auch, solange die politischen Auseinandersetzungen weiterhin nach genau den Regeln ablaufen, die dafür vorgesehen sind. Selbst wenn es jemals soweit kommen sollte, müssten die Grünen damit umgehen können und müssten so eine Auseinandersetzung nicht fürchten. Es sei denn, sie fürchten die Regeln der parlamentarischen Demokratie. Tun sie das? Es sieht fast so aus.

 

Die Ja-Sager und die Nein-Sager

 

Wenn man sich ein brauchbares Bild von den Gegnern machen wollte, müsste man noch eine weitere Unterscheidung treffen, die sich anhört, als wollte man sich auf Brecht und das Stück die ‚Jasager’ beziehen („Viele werden nicht gefragt, und viele sind einverstanden mit Falschem. Darum: Wichtig zu lernen ist Einverständnis“). Wir müssen nämlich nicht nur zwischen Ja-Sagern und Nein-Sagern unterscheiden, sondern obendrein zwischen Nein-Sagern und Nichts-Sagern. Wir kennen das: Der Computer bietet uns immer wieder drei und nicht nur zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Ja/ Nein/ Abbrechen.

 

Denn die meisten sagen nicht etwa „Nein“ zu Homos, Feministen und Transen – also zu den so genannten Buchstabenmenschen, den LGBTIlern ­– sie sagen vielmehr gar nichts dazu. Sie kennen sie nicht mal. Die meisten sagen auch nicht „Nein“ zu den Bildungsplänen (die sie auch nicht kennen). Sie sagen auch nicht „Nein“ zu einer gendergerechten Sprache, so wie es die AfD tut, sie sagen einfach nichts dazu. Ein „Nicht“ ist kein „Nein“. Im politischen Spektrum sind die Nichts-Sager inzwischen die größte Gruppe, es sind die Nicht-Wähler.

 

Auch bei denen müssen wir unterscheiden – das klingt wiederum nach Ernst Bloch – zwischen einem Noch-nicht und einem Nicht-mehr, also zwischen denen, die noch nicht so weit sind, dass sie sich zu einem „Ja“ oder „Nein“ durchringen konnten und denen, die eine klare Ja- oder Nein-Position inzwischen wieder verlassen haben.

 

 

Eine kurze Meldung zwischendurch für alle, die ungeduldig werden und sich langsam langweilen – wie es bei einem Kommentar zu einer solchen Veranstaltung auch zu befürchten ist: Die Lawine kommt noch.

 

 

Ich will nur noch schnell – was ich schon früher hätte tun sollen – auf den Titel der Veranstaltung hinweisen: ‚Wer will die Uhr zurückdrehen?’ Na, wer wohl? Keiner. Falls es doch einen geben sollte, dann wird er damit keinen Erfolg haben. Auch nicht bei dem Versuch, die Uhr anzuhalten. Beides geht nicht. Brauchen die Grünen etwa Strategien gegen Leute, die etwas versuchen wollen, das sowieso zum Scheitern verurteilt ist?

 

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Wohl kaum. Ihre Strategien richten sich gegen etwas anderes; sie richten sich, wie sie es selbst sagen, gegen Reaktionäre. An dieser Stelle soll mein letztes „Na und!?“ ertönen. Es reicht nicht, einfach nur zu sagen, dass es Reaktionäre gibt, ohne zu erklären, was an deren Haltung so schlimm sein soll. Reaktionäre gibt es. Es wird sie immer geben. Jedenfalls solange die Bevölkerung noch nicht gleichgeschaltet und über einen großen Kamm geschoren ist. Wenn es keine Reaktionäre gibt, gibt es auch keine fortschrittlichen Kräfte.

 

Erst wenn alle auf einem Entwicklungsstand sind, ist Ruhe. Friedhofsruhe allerdings. Dann gibt es keine Sitzenbleiber und keine Überflieger mehr. Dann gibt es nicht mehr das, was Ernst Bloch die Ungleichzeitigkeit genannt hat. Dann gibt es niemanden mehr, der noch nicht – oder nicht mehr – „Ja“ oder „Nein“ sagen möchte, dann sagen alle nichts, beziehungsweise alle dasselbe – was letztlich auf dasselbe hinausläuft. Dann ist eine Egalität erreicht, bei der alles egal ist. Dann kann der Nachtwächter getrost verkünden, dass die Uhr nichts geschlagen hat.

 

So langsam verdichten sich die Hinweise, dass die Grünen genau das anstreben. Ein erster Hinweis lag in dem flüchtigen Blick auf die politische Landschaft, auf die Gruppe der „politisch Motivierten“, wie Kai Gehring sie genannt hat. Da war kein wirklicher Gegner mehr erkennbar. Kein Wunder.

 

Die Parteien sind längst gleichgeschaltet. Alle sind dem Gender Mainstreaming verhaftet, alle gendern die deutsche Sprache zugrunde und haben schon längst keine Wähler mehr, sondern „Wählerinnen und Wähler“, alle beteiligen sich am Gender-Pay-Gap-Schwindel, alle sind für Quoten, alle sind für die so genannte Vielfalt, mit der die traditionelle Familie überwunden werden soll, alle sind für sexuelle Frühaufklärung (ohne darüber aufzuklären, was den Kleinen damit schon früh zugemutet wird), alle sind für mehr Toleranz, für noch mehr Toleranz und für Akzeptanz. Alles ist alternativlos.

 

So soll auch die journalistische Landschaft sein. Dass jemand wie Ronja von Rönne es tatsächlich „gewagt“ hat, einen kritischen Artikel zum Feminismus zu schreiben, fanden die Vorsitzenden auf dem Podium empörend. Also wirklich! Das geht gar nicht. Und dann ist es auch noch eine Frau, die so einen „radikalen“ Text geschrieben hat. Eine Verräterin! Inzwischen hat sie nach einem Shitstorm mit heftigen Drohungen (sie wurde als rechtsradikal gebrandmarkt, man schrieb ihr, dass sie allein wegen dem „von“ im Namen „an die Laterne“ gehört) ihren Blog wieder eingestellt. Na also. Geschafft. Wieder ein Mensch, der sich duckt und schweigt.

 

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Der Titel ‚Wer will die Uhr zurückdrehen?’ soll irgendwie poetisch sein. Klar. Das darf man nicht wörtlich nehmen. Das weiß ich auch. Doch was ist gemeint? Was sind das für Leute, um die es geht? Kann man vielleicht so sagen: Es sind Leute, die etwas erhalten wollen? Etwas bewahren?

 

Hier zeigt sich wieder, wie schwer das Versäumnis wiegt, keine Inhalte zu nennen. Denn etwas erhalten zu wollen ist genauso wenig verwerflich wie motiviert zu sein. Es kommt ganz darauf an, wozu man motiviert ist und was man erhalten will. Sind denn nicht auch die Grünen – bei anderer Gelegenheit – dafür, etwas zu erhalten? Zum Beispiel den Regenwald. Das Sozialsystem. Den Rechtsstaat. Sind sie dann nicht auch Reaktionäre? Regenwald-Reaktionäre.

 

Wie ist es mit dem Klassenerhalt? Nie wieder zweite Liga! Ich bin jedenfalls dafür, die Unschuldsvermutung und die Pressefreiheit (sofern noch vorhanden) zu erhalten und die Muttersprache als Mittel zur Verständigung. Ich bin auch dafür, die Familien zu erhalten und weiß sehr wohl, dass ich mich damit bei der Veranstaltung lächerlich gemacht hätte.

 

 

Brutale Gewalt und schleichendes Unglück

 

Da hätten sie endlich einen gehabt, auf den man mit dem Finger zeigen könnte: Seht an! Da ist so einer, der will die Uhr zurückdrehen. Das will ich nicht. Dazu habe ich weder die Kraft noch die Motivation. Auch nicht die Naivität. Ich muss jedoch sagen, dass es mich betrübt, mit anzusehen, wie die Familien scheitern. Ich beobachte den fortschreitenden Verfall der Familien – auch den meiner eigenen – mit Bedauern und Mitgefühl, ich sehe dabei in erster Linie Verluste, die – um auch mal das Modewort zu benutzen – nachhaltig sind.

 

Mein Mitleid gilt besonders den Kindern. Ihnen wünsche ich, dass sie in einer Familie aufwachsen, in der alle zusammenhalten. Erinnert sich denn niemand mehr daran, dass man uns immer wieder aufgefordert hat, Verständnis für Straftäter zu haben, die keine richtige Eltern hatten, weil das Fehlen von liebevollen Eltern für ein Kind dermaßen schlimm ist, dass man später jedwedes Fehlverhalten entschuldigen muss?

 

Richtig. Auch wenn das Argument der schweren Kindheit gelegentlich als Ausrede benutzt und oft genug überstrapaziert wurde, es stimmt: der Verlust von einem Elternteil oder gar von beiden Eltern – auch der Entzug von Nähe bei Kleinkindern – ist das größtmögliche Unglück, dass sich Kinder vorstellen können. Das sollten wir nicht zu ihrer neuen Normalität machen.

 

Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen. Ich kann sie auch nicht vordrehen. Wenn ich es trotzdem versuche und neugierig in die Zukunft blicke – denn so ist das poetische Bild gemeint –, dann sehe ich eine Zukunft für die Familie und nicht für die LGBTILer. Natürlich können sie mit allerlei politischer Unterstützung versuchen, Familienersatz zu schaffen, Kitas auszubauen, Homopaaren die Adoption erleichtern und Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung fördern. Es wird nichts nützen. Wir sind nicht allein auf der Welt.

 

Mit dem „Wir“, das ich nicht so oft und nicht so leichtfertig verwende, wie es die SPD tut, meine ich uns Deutsche. Insgesamt. Nicht nur die Grünen. Alle. Wenn wir als Gesamtheit der Deutschen keine Kinder mehr haben und sie nicht mehr in Familien aufwachsen lassen wollen, dann werden es eben andere tun. Andere, die genau das gerne tun wollen, was wir nicht mehr tun. Die werden dann, wenn es so weitergeht, die Mehrheit bilden.

 

Dass wir nicht allein sind, wissen wir nicht erst seit in letzter Zeit immer mehr nicht-Deutsche zu uns gekommen sind. Es sind längst schon welche da. Für sie steht die Familie an erster Stelle (neben der Religion), jedenfalls haben sie ein Weltbild, in dem der Wert der Familie hochgehalten wird und in dem Lesben, Transen und Feministen nur am Rande vorkommen. Wenn überhaupt.

 

Habe ich gerade die Homos vergessen? Nein. Die spielen durchaus eine Rolle im Weltbild der Migranten, der Zuwanderer, der Flüchtlinge, der Asylanten, der neuen Mitbürger mit Migrationshintergrund. Unter ihnen finden sich viele Nein-Sager, nicht bloß Nichts-Sager. Da finden sich viele, die eine starke Abneigung haben. Da finden sich viele, die genau das ans Licht bringen, was heute eilfertig als Hass bezeichnet wird.

 

Da gibt es Männer, denen Homosexualität zuwider ist. Sie widerspricht all ihren Werten: ihren Traditionen, ihren Kulturen, ihren Träumen, ihren Religionen, ihren Vorstellungen von Familie und von Sexualität. Sie müssen gar nicht erst zu einer schwulenfeindlichen Einstellung verführt werden – womöglich durch Schriften von Intellektuellen. Ihre Abscheu ist fest verwurzelt, sie reicht viel tiefer, als es bei einem so genannten Bio-Deutschen, der sowieso keinen Wert auf seine Wurzeln legt, jemals der Fall sein kann.

 

Nein, ich habe die Homos nicht vergessen. Kai Gehring hatte die Muslime vergessen, als er die Gegner der Buchstabenmenschen in Menschengruppen aufgeteilt hat. Er hat sie unterschlagen. Ich weiß nicht warum. Mir fällt kein guter Grund ein. Einige schlechte Gründe fallen mir sofort ein. Dabei ist er schon dicht dran gewesen, als er die „religiös Motivierten“ als eine Gruppe von Gegnern erkannt hat. Wen sah er da? Evangelikale Gruppen mit einem ungeklärten Verhältnis zur evangelischen Amtskirche und Ultrakatholiken – also Minderheiten ohne Macht und Einfluss und ohne Aggressionspotential. Wen sah er nicht?

 

Der Themenabend auf ‚arte’ unter dem Titel ‚Gleiche Liebe, falsche Liebe ?!? Homophobie in Europa’ schockte schon bei der Ankündigung mit einem Drama: Olivier und Winfred gehen Hand in Hand durch Paris und werden brutal zusammengeschlagen. Von wem? Von Intellektuellen? Von Ultrakatholiken? Wo in Paris sind sie langgegangen?

 

In einem überwiegend von Muslimen bewohntem Stadtteil. Da, wo – um im Bild zu bleiben – Lawinengefahr bestand. Zusammengeschlagen wurden sie von Taieb K. und Abdelmalik M. – die Familiennamen werden vorsichtshalber weggekürzt. Ich nehme an, dass die beiden inzwischen wegen schwerer Körperverletzung bestraft wurden und dass der Fall damit zu den Akten gelegt ist. Es wird jedoch, so ist zu fürchten, weitere Fälle dieser Art geben. Wie kann man damit umgehen? Wie kann der Abgrund, der da sichtbar geworden ist, überbrückt werden?

 

 

Hört auf zu buchstabieren, fangt an zu lesen

 

 

Womöglich gar nicht. Kann man überhaupt noch miteinander reden? Oder haben die Strategien der Dialogverweigerung und die Konstruktionen von Feindbildern zu einem Punkt geführt, an dem ein Gespräch nicht mehr möglich ist?

 

Stellen wir uns folgendes vor: Auf dem Podium sitzt Volker Beck neben einem muslimischen Familienvater, der schon lange in Deutschland lebt. Nennen wir ihn Yilmaz. Dem soll Volker Beck erklären, warum er dringend das Vater-Mutter-Kind-Modell in Frage stellen soll und warum sich Schwule, Lesben und Transen von der Heteronormativität, wie er sie verkörpert, unterdrückt fühlen und dass deshalb seine Kinder (die nebenbei bemerkt vom Schwimmunterricht befreit sind) sexuelle Frühaufklärung brauchen.

 

Herr Yilmaz könnte ihn nicht verstehen. Die Formulierungen, die Volker Beck benutzen würde, klängen für ihn hohl; für ihn wären es Begriffe, die nicht in dem Wörterbuch stehen, das er benutzt. Die Sprache von Volker Beck passt nicht zu seiner Lebenswirklichkeit.

 

Umgekehrt könnte Herr Yilmaz, obwohl er sehr gut Deutsch spricht, seine Vorstellungen auch nicht mitteilen. Er lebt in einer Familientradition, die er fortsetzen und nicht etwa aufbrechen will. Dafür braucht er keine Begründung. Die ist nicht notwendig. Deshalb fehlen ihm auch die passenden Ausdrücke. Für ihn ist seine Lebensweise etwas Selbstverständliches. Das Selbstverständliche braucht keine Rechtfertigung. Wenn er sagen würde, dass er seine Mutter und seine Familie liebt oder sich ihr verpflichtet fühlt, auch wenn sie ihn manchmal nervt, wäre das unpassend und irgendwie peinlich. Vermutlich würde er nichts dazu sagen.

 

Das muss er auch nicht. Es gibt keine spezielle Sprache dafür; man brauchte bisher auch keine. Familien gab es schon, als die Menschen noch nicht einmal so schlichte Sätze sagen konnten wie: „Ich Tarzan, du Jane“. Es ging auch so. Herr Yilmaz könnte sich auch nicht in gegenderter Sprache äußern, dann wäre er nämlich angehalten, bei jeder Gelegenheit das Trennende zu betonen; er würde aber vom Gemeinsamen sprechen wollen.

 

Die beiden kämen nicht auf einen Nenner. Hier offenbart sich ein Dilemma, das man vorhersehen konnte. Die Frage, die bisher im Hintergrund stand, drängelt sich nun in den Vordergrund: Was für Wähler wollen die Grünen? Welche Gruppe ist ihnen lieber? Die Gruppe der Migranten oder die der Schwulen und der Buchstabenmenschen?

 

Beides geht schlecht. Volker Beck ist, wie wir annehmen, nicht islamophob und Herr Yilmaz ist nicht wirklich homophob, man kann ihm auch die Übergriffe der Jugendlichen aus Paris nicht vorhalten, aber die Begriffe „Islamophobie“ und „Homophobie“ und die Verallgemeinerungen, die damit einhergehen, stehen wie kugelsichere Glasscheiben im Raum und trennen die beiden.

 

Selber schuld. Warum haben sich die Grünen auf solche pauschalen Kampfparolen eingelassen – Parolen, die sie nicht mehr unter eine Mütze kriegen? Nun zeigt sich, wie sehr die Projekte Multikulti und Toleranz bisher von Feindbildern genährt wurden – von Feindbildern, die man mit lauter Stimme herbeigerufen hat und nun nicht wieder loswird. Es ist schön bunt geworden im Land, doch die Farben beißen sich. Die Grünen buhlen um Wählergruppen, die sich untereinander nicht grün sind.

 

In den Homos, Lesben, Transen und Feministen sehen die Grünen womöglich ein neues revolutionäres Subjekt, zumindest neue Wähler. Doch solche Hoffnungen könnten sich verflüchtigen, wenn sich herausstellt, dass die Buchstabenmenschen viel zu stark mit sich selbst befasst sind und letztlich doch keine wirklich starke politische Kraft darstellen. Ich vermute, dass sich die Grünen im Zweifelsfall für Herrn Yilmaz entscheiden – ihm haben sie auch die Möglichkeit geschaffen, seine Familie nachziehen zu lassen.

 

Volker Beck sieht die Veranstaltung als großen Erfolg, er kommentierte schon flott: „Wir nehmen den Kampf gegen Hassplauderer & die Gegner der Gleichberechtigung auf. Den ‚Angry White Men’ brennt die Hütte”. Wen meint er damit? Warum freut er sich so über das Feuer? Was sind das für Töne –Hurra-Hurra-die-Hütte-brennt!? Warum ruft er nicht die Feuerwehr? Wessen Hütte brennt denn? Die von Herrn Yilmaz? Und wer sind die Hassplauderer? Diejenigen, die Ronja von Rölle zum Schweigen gebracht haben – oder wer?

 

Die Grünen sollten aufhören zu buchstabieren und anfangen zu lesen. Wenn die Herrschaften auf dem Podium die Bücher, die sie verteufeln, gelesen hätten, wären sie klüger. Hat denn ein Mitglied des Bundestages nicht die Möglichkeit, einen Mitarbeiter oder einen Praktikanten zu beauftragen, Texte durchzuarbeiten, Argumente herauszudestillieren und so übersichtlich aufzubereiten, dass ein Sprecher auf dem Podium in der Lage ist, wenigstens so zu tun, als wüsste er, wovon er redet?

 

Es ist alles da. Wenn ihnen etwa das neue Buch von Michel Houellebecq zu umfangreich sein sollte, dann genügt es, die Besprechung von Michael Klonovsky lesen. Die Probleme sind längst erkannt und beschrieben. Die Grünen müssten nur zugreifen. Sie müssten dazu allerdings ihre bockige Verweigerungshaltung aufgeben und sich der „Gruppe“ der Intellektuellen nicht länger verschließen.

 

Ich finde es armselig, von Büchern, die niemand lesen muss, die aber jeder lesen kann, der will, abzuraten und immer nur „Bäh!“ und „Igitt!“ zu schreien wie Kinder in der Trotzphase. Haben die Grünen außer Verbotsschildern und „Strategien gegen …“ nichts anzubieten? Dann will ich wenigstens eine Leseempfehlung geben – darf es etwas Erzählerisches sein? – und zwar: Harold Nebenzal: ‚Café Berlin’.

 

Das Buch führt uns in das Nachtleben der dreißiger Jahre unter den Bedingungen einer immer strenger werdenden Diktatur. Dabei geht es um die, wie man heute sagen würde, verschiedenen sexuellen Orientierungen unter besonderer Berücksichtigung der Transsexuellen.

 

Interessiert?