Gender-Mainstreaming. Was ist das? Wo kommt es her?

 

 

Offiziell liest es sich so: Die „Gender-Perspektive“ wurde 1995 in Peking auf der Weltfrauenkonferenz vorgegeben. Durch den Amsterdamer Vertrag von 1997/1999 wurde sie zum offiziellen Ziel der Gleichstellungspolitik der Europäischen Union, und seit der Regierung Schröder wird sie in Deutschland als „Querschnittsaufgabe“ intensiv gefördert und aus Steuermitteln finanziert – seither haben wir auch diese Ausdrücke, von denen wir nicht wissen, was sie bedeuten.

 

Schon bei dem Wort „Querschnittsaufgabe“ muss ich unwillkürlich an Querschnittslähmung denken. In der Tat haben wir wie gelähmt die Folgen dieser „Pekinger Aktionsplattform“ über uns ergehen lassen, vorbei am Bundesrat und abseits jeder öffentlichen Diskussion. Erst so langsam wird deutlich, was wir uns da eingefangen haben und wie sehr es unser Leben verändert.

 

Es ist geplant, 50 Prozent aller Arbeitsplätze in allen Berufssparten mit Frauen zu besetzen, notfalls zwangsweise. Dieser Zwang kündigt sich bereits überall an. Ziel ist die „statistische Gleichheit“ und damit die Auswechselbarkeit der Geschlechter – sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch gegenüber den Kindern.

 

Unsere großen Parteien haben alle eine Quote; damit haben sich die Spielregeln der Demokratie schleichend, aber grundlegend verändert. Bei Frauenfragen gibt es keine Diskussion mehr. Quotenfrauen halten die Türen sperrangelweit auf. Ihre Aufgabe ist es, alles, was schon von weitem so aussieht, als wäre es irgendwie gut für Frauen und schlecht für Männer, besinnungslos durchzuwinken. „Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur noch Deutsche“, sagte einst Kaiser Wilhelm II. Heute könnte man sagen: „Es gibt keine Parteien mehr. Es gibt nur noch Frauen.“

 

Man kann wirklich sagen, dass Gender Mainstreaming erfolgreich „top down“ – also von oben, das heißt: undemokratisch und unrealistisch, nicht etwa an Empirie, sondern an Ideologie orientiert – in die Politik „implantiert“ wurde. Der Skandal ist, dass bei diesem schweren Eingriff der Patient vorher nicht informiert wurde. Wieso müssen wir uns eigentlich danach richten, was 1995 in Peking beschlossen wurde? Sitzt da etwa unsere Weltregierung?

 

In Peking trafen sich Nichtregierungsorganisationen, so genannte NGOs, non- governmental organisations, die ihre Autorität daraus beziehen, dass sie als unabhängig gelten und so etwas wie das gute Gewissen der Welt verkörpern, weil sie Basisgruppen repräsentieren. Sie haben lediglich Beraterstatus. Sie geben Empfehlungen an die Vereinten Nationen. Mehr nicht. Das wirkt harmlos. Doch sowohl beim Stichwort „unabhängig“ als auch bei den „Empfehlungen“ wurde gemogelt.

 

Heute weiss ich, wie man die Teilnehmer so einer Konferenz bezeichnen muss: als Gutmenschen-Jetset. Sie sind keineswegs unabhängig und sie vertreten keine Bewegungen, die „von unten“ kommen – im Gegenteil: Man nennt sie auch das „gender establishment“. Frauenorganisationen stehen sowieso nicht auf eigenen Beinen, denn sie werden hoch alimentiert. Sie tun nur so, als wären sie selbständig. Woher kommt das Geld? Das ist ihr Geheimnis.

 

Vielleicht haben wir tatsächlich eine neue Weltregierung, ohne dass es wir es gemerkt haben. Das vertraute Mehrparteiensystem ist aufgelöst, und das Hickhack zwischen den verschiedenen Parteien mit ihren Farbspielchen ist belanglos geworden. Regiert werden wir von einer SEP, einer Sexistischen Einheitspartei. Frauen aller Couleur arbeiten längst parteiübergreifend zusammen, auf lokaler Ebene, im Bund und in Europa, und sie beanspruchen die Kontrolle in allen Bereichen: Familie, Justiz, Wirtschaft, Soziales …

 

Claudia Nolte von der CDU bezahlte seinerzeit „ihre“ Leute und schickte sie zu einem Luxusurlaub nach Peking, wo sie sich als unabhängige Basisbewegung tarnten. In Amsterdam wurde kurzerhand aus den Empfehlungen eine „Verpflichtung“ gemacht, und die Frauen von Rot-Grün übernahmen begeistert, was „ihre“ Leute von langer Hand vorbereitet hatten.

 

In Peking fand eine ortstypische Applaus-Veranstaltung statt. Die „gemeinsame“ Abschlusserklärung, mit der die Gleichschaltung aller Frauen verkündet wurde, war, wie es heißt, ein „großer Erfolg“. Die Weichen waren schon zuvor auf Vorbereitungstreffen in New York gestellt worden. Die Journalistin Dale O’Leary hat an mehreren solcher „Prep-Coms“ teilgenommen und verraten, wie man da getrickst, gemogelt und getäuscht hat, und wie Vertreter aus armen Ländern erpresst wurden. Sie beschreibt den Betrug in quälenden Einzelheiten und nennt die Namen der Betrügerinnen: Gertrude Mongella, Kristen Timothy, Bella Abzug, Irene Freudenschuss.

 

Eine weitere treibende Kraft im Vorfeld war die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin Gro Haarlem Bruntdland, die verärgert war, weil ein weltweites Recht auf Abtreibung nicht so reibungslos durchgesetzt werden konnte, wie sie sich das wünschte, und die darauf drängte, das so genannte Konsens-Prinzip, das allen Teilnehmern Mitsprache gewährt, fallen zu lassen. Die langsameren Länder, so meinte sie, würden damit nur den Fortschritt behindern.

 

Die Machtverhältnisse hatten sich längst verschoben, ja geradezu umgekehrt: Ursprünglich sollten die NGOs den politischen Vertretern der Vereinten Nationen Hilfestellungen bieten. Nun dominieren sie sie, und Frauen springen problemlos zwischen Zugehörigkeit zu einer NGO und Zugehörigkeit zur UN hin und her wie beim Hase-und-Igel-Spiel. Frauenverbände aus reichen, westlichen Ländern sind sowieso um ein Vielfaches besser ausgestattet und nutzen ihren Standortvorteil, um die politischen Vertreter aus kleinen Ländern zu bloßen Statisten zu degradieren. Dale O’Leary beschreibt diesen neuen „Kolonialismus der reichen, weißen Frau“ in ihrem Buch The Gender Agenda. Es ist nicht übersetzt; aber wir können ja alle ein bisschen englisch. Außerdem gibt es eine deutsche Zusammenfassung im Internet.

 

Was geschah in New York? Es konnte natürlich nicht jedwede Basisbewegung akkreditiert werden, also wurden gezielt Gruppen ausgeladen und ersatzweise über Nacht NGOs ohne Mitglieder aus dem Hut gezaubert. So versuchten die „Agentinnen des Wandels“ unter sich zu bleiben. Und so setzten sich genau die Kräfte durch, die das voranbringen wollen, was wir längst als das eigentliche Anliegen des Feminismus kennengelernt haben: die Gegnerschaft zum Mann und zum Kind, ideal verkörpert in der lesbischen Frau.

 

Es wurden zwar gelegentlich Mahnungen laut, doch bitteschön die männerfeindlichen Töne aus den Erklärungen zu entfernen, aber vergeblich. An dieser Stelle wirkt Dale O’Learys Bericht ein wenig naiv. Natürlich herrschte da ein männerfeindliches Klima. Was denn sonst?! Da wurden, wie sie zu ihrem Leidwesen feststellen musste, nicht nur Organisationen ausgegrenzt, denen sie selber nahesteht; es wurden außerdem pauschal alle Männer außen vor gelassen: „Männer raus!“, lautete die Parole. Das ist die conditio sine qua non – die Bedingung der modernen Frauenpolitik.

 

Stellen wir uns vor, es gäbe eine internationale Konferenz zu einem Thema, das ausschließlich Frauen angeht, etwa zu einer Unterleibserkrankung, die es nur bei Frauen gibt. Wer käme auf den Gedanken, Expertenmeinungen von Männern auszuschließen, nur weil sie Männer sind? Dazu müsste man schon sehr vom Sexismus durchglüht sein. Das sind diese Frauen, obwohl es streng genommen keine „Frauenthemen“ gibt, die nicht genauso für Männer von Belang wären.

 

Doch diese Frauen glauben offenbar selber nicht, dass sich ihre Argumente in einer offenen und fairen Diskussion bewähren würden. Benehmen sie sich deshalb wie feige Despoten? So gehen sie vor: Zuerst werden Beschlüsse ohne eine Möglichkeit der Mitwirkung von Männern gefasst, dann wird ihnen das Ergebnis vorgesetzt wie einem Verlierer, der bedingungslos kapitulieren soll.

 

Was wurde beschlossen? Dass es mehr Abtreibungen geben soll. Das alte Thema des Feminismus wurde in ein neues Gewand gekleidet, sodass auch prompt so manche Delegierte darauf hereinfiel und glaubte, „reproductive right“ meinte das Recht auf ein Kind und wäre nicht etwa der neue Fachausdruck für Abtreibung. Offiziell nennt man es jetzt „reproductive health“, also reproduktive Gesundheit.

 

Doch den größten Manipulations-Erfolg verbuchten die Aktivistinnen mit der Durchsetzung des Wortes „gender“, das in einer der Erklärungen von New York mehr als 200 Mal vorkommt. Kaum einer der angereisten Delegierten konnte damit etwas anfangen; denen ging es nicht besser als uns. Die angereisten Teilnehmerinnen waren überrumpelt und mussten im Wörterbuch nachschauen. Da stand etwas vom „sozialen“ und vom „grammatikalischen“ Geschlecht. Doch das half ihnen nicht weiter, denn der Begriff sollte eine neue Bedeutung bekommen.

 

Die Gender-Perspektive sollte nicht etwa eine Ergänzung sein, sondern Ersatz für Sichtweisen, in denen noch die Natur vorkommt. Sonst wäre sie ja nichts Neues. Beschreibungen von „sozialen Faktoren“ gibt es schon lange. Die Frage ist nur, wie bedeutend die sind. Neu ist die Verabsolutierung dieser Faktoren, und neu ist die damit verbundene radikale Absage an die Natur, wie wir sie bei Judith Butler und vorher schon bei Simone de Beauvoir formuliert finden.

 

Wir haben demnach nicht etwa ein natürliches und ein soziales Geschlecht, sondern nur noch ein soziales. So stand das nicht im Wörterbuch. Es wäre ja auch verwunderlich. Gerade wenn man bedenkt, dass sich das Gütesiegel „Bio“ ungebrochener Beliebtheit erfreut und viele westliche, weiße Frauen ausschließlich „Bio“ essen, „Bio-Kosmetik“ benutzen und die Natur über alles lieben. Ihren eigenen Körper aber sehen sie nicht als „Bio“ an. Ihr Geschlecht halten sie für „sozial konstruiert“, für ein Kunstprodukt. Als wäre ihr Gesicht pures Make-up und als würden sie sich heimlich von Plastikblumen ernähren. Es drängt sich die Vermutung auf, dass hier ein innerer Zusammenhang besteht zwischen der Überbewertung des Natürlichen an der einen und seiner Unterbewertung an anderer Stelle.

 

Und noch etwas: Im Wörterbuch stand auch nicht, dass Lesben, Schwule und Transsexuelle neuerdings eigenständige Geschlechter wären. Doch gerade das ist die entscheidende Neuerung, die mit der Gender-Perspektive einhergeht. Nun gibt es nämlich fünf Geschlechter. Damit geraten Heterosexuelle Männer und Frauen in eine Minderheitenrolle. Sie sind zwar weiterhin diejenigen, die den Fortbestand der Gattung gewährleisten, doch nun werden sie an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Speziell heterosexuelle Männer werden als Unterdrücker und Feinde der Zukunft gebrandmarkt. Der Transsexuelle, der zu einem eigenen, gleichwertigem Geschlecht aufgewertet wird, bewirkt das neue Ungleichgewicht. Der Hetero-Mann wird in diesem Modell zum Buhmann. Alle sollen sich von ihm unterdrückt fühlen.

 

Obwohl die Teilnehmerinnen gut vorsortiert waren, konnten sie sich in dieser Frage nicht so schnell einigen, und so musste eine verbindliche Definition des strittigen Begriffes „gender“ vertagt werden. Wer abreisen musste, hatte Pech. Bei der nächsten Vorbereitungskonferenz gab es erstaunlicherweise immer noch keine Klärung. Es ging auch ohne. Das Schlüsselwort „gender“ blieb ein „offenes Geheimnis“. Es wurde – ohne dass es definiert worden wäre – zur Grundlage der Aktions-Plattform. „Gender hat keine Definition und braucht keine!“, hieß es nun. Basta!

 

Die kritischen Teilnehmer waren zwar verärgert, hielten aber still: Immerhin war nicht schriftlich festgelegt, dass die Vorstellung der Zweigeschlechtlichkeit verabschiedet werden sollte. Die Strippenzieherinnen waren hochzufrieden. Sie hatten es zwar nicht fixiert, aber so gemeint. Sie hatten es auch immer schon gesagt. Befreiung könne es nur geben, stand in einem der Papiere, wenn die Frau von der Last der Familie und der Kinderpflege erlöst sei, und wenn Männer und Frauen die „Komplementarität“ ablegten, die als jene „Zwangsheterosexualität“ beschrieben wurde, die Judith Butler und vor ihr schon Michel Foucault abgelehnt hatten. Frances Kissling, Sprecherin einer der NGOs ohne Mitglieder, hatte eine „feministische Anthropologie“ vorgetragen, die „auf einer radikalen Gleichheit von Frauen und Männern“ basiert. Auch das kennen wir schon.

 

Der Begriff „Mainstreaming“ wiederum war neu. Manche glauben, das sei langweile Popmusik. Gemeint ist eine Art „Hauptfluss“; einer, der keinen Nebenfluss kennt. Er tritt über die Ufer und überschwemmt alles. Mit dem Wort vom „Mainstreaming“ nehmen die sexistischen Feministen die Rückendeckung durch eine große Mehrheit für sich in Anspruch, wie es einst die Bolschewisten taten: Bolschewiki sind übersetzt die „Mehrheitler“. Bei ihnen galt Lenis Wort von der „Parteilichkeit ohne Partei“.

 

Damit haben wir endlich einen Übersetzungsvorschlag für „gender mainstreaming“ – nämlich: „Sexistischer Bolschewismus“. Alternative Vorschläge sind: „Politische Geschlechtsumwandlung“ oder „Totalitäre Steigerung der Frauenpolitik“. Offiziell heißt es: „Gleichstellungspolitik als Erfolgsstrategie“.

 

Der Volksmund sagt einfach: „Gender, Gender, Geldverschwender!“

 

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