Rückblick auf den Tag der unnötigen Trennung

 

 

 

Und ein Vorschlag zur zukünftigen Gestaltung des Weltfrauentages.

 

Waage

 

 

Vietnam. Hanoi. Drei Uhr in der Früh. Ich war mit dem Nachtzug gekommen, dem so genannten Wiedervereinigungs-Zug. Ich hatte Pech. Das Hotel hatte noch nicht geöffnet. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich auf den kalten Boden zu setzen, darauf zu warten, dass die Stadt langsam erwacht und mich in aller Ruhe darüber zu ärgern, dass mich der Taxifahrer um mein Bargeld erleichtert hatte.

Da kam langsam – es wirkte wie eine Erscheinung. Träumte ich etwa? ­– in der ansonsten menschenleeren Straße eine Frauengestalt auf mich zu, die wie die Verkörperung der Gerechtigkeit wirkte.

Sie balancierte eine Stange auf ihrer Schulter, die an beiden Ende mit je einem Korb beschwert war, von denen die Stange einigermaßen im Gleichgewicht gehalten wurde. Wir versuchten es redlich, wir konnten uns aber nicht verständigen. Sie schien meine Situation auch so zu verstehen, sie erbarmte sich und schenkte mir eine Banane.

Es war nicht gerade mein schönstes Ferienerlebnis, aber bemerkenswert war es schon. Mir war durchaus klar, was es für ein Tag war, an dem das passierte: Es war der internationale Weltfrauentag.

Später an diesem historischen Tag sollte ich noch zusammen mit Mingh Mingh (die eigentlich nur Mingh heißt, aber mit der Verdoppelung des Namens ihre Reize zusätzlich mit einem gewissen Südsee-Flair anreichen will) das berühmte Frauenmuseum besichtigten. Es hat mir gut gefallen. Ich kann rückblickend und zusammenfassend sagen: Es war mein schönster Weltfrauentag.

Das ist aber kein Grund, ihn beizubehalten. Es gibt Stimmen, die den internationalen Weltfrauentag abschaffen wollen. Vor allem eine Stimme. Ja, genau die. Man kann sagen, dass es die lauteste Stimme der Frauenbewegung ist und dass die Forderung nach einem baldigen Ende des Weltfrauentages damit quasi von höchster Stelle kommt. Sie kommt von Alice Schwarzer persönlich (und ist schon ein paar Jahre alt):

 

„Wie Schwarzer in der ‚Frankfurter Rundschau’ schreibt, sei der Frauentag eine „sozialistische Erfindung“, die auf einen Streik von Textilarbeiterinnen zurückgehe – die Frauenbewegung sei aber Anfang der 1970er-Jahre im Westen nicht zuletzt aus Protest gegen die machohafte Linke entstanden. Das sei eine Linke gewesen, „die zwar noch die letzten bolivianischen Bauern befreien wollte, die eigenen Frauen und Freundinnen aber weiter Kaffee kochen, Flugblätter tippen und Kinder versorgen ließ“, kritisierte Schwarzer. Auch die realsozialistischen Länder seien in den obersten Etagen bekanntermaßen frauenfrei gewesen. „Unter diesen Vorzeichen ist die Übernahme des sozialistischen Muttertags als ‚unser Frauentag‘ für Feministinnen, gelinde gesagt, der reinste Hohn.“ Darum solle der „gönnerhafte 8. März“ am besten einfach abgeschafft werden.“

 

Das finde ich auch. Es spricht einiges dafür, den „gönnerhaften 8. März“ abzuschaffen – wenn auch nicht das, was Alice Schwarzer uns auftischt. Ich möchte andere Gründe nennen. Doch sehen wir uns zunächst die Tradition dieses Gedenktages an und behalten dabei im Hinterkopf, dass Alice Schwarzer von einem „sozialistischen Muttertag“ gesprochen hat:

 

Ein Blick in den Terminkalender

Am 19. März 1911 gab es den ersten Frauentag, der insofern international war, weil er in vier Ländern, nämlich in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz begangen wurde. Er war im Jahr zuvor auf Initiative von Clara Zetkin auf der 2. internationalen sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen beschlossen worden. Angeregt war Clara Zetkin dabei vom Kampftag für das Frauenwahlrecht, der am 28.2. 1909 in den USA stattgefunden hatte. Das Thema der ersten Aufmärsche war das Wahlrecht.

 

Der Termin änderte sich im Laufe der Jahre, einmal fiel er auf den 5. Mai, den Geburtstag von Karl Marx; im Jahre 1917 gab es gleich mehrere Tage, die Rote Woche fand vom 5. bis zum 12. Mai statt. Es gab inzwischen auch ein neues Thema. Die Proteste richteten sich nun gegen die Gewährung von Kriegskrediten. Nachdem 1918 das Wahlrecht durchgesetzt und der Krieg beendet war, wurde der Frauentag ausgesetzt.

 

In Russland ging es weiter. Auf der Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau wurde im Jahre 1921 der Termin für künftige Frauentage auf den 8. März festgelegt (nach dem alten russischen Kalender auf den 23. Februar), um damit an einen Textilarbeiterinnenstreik in Sankt Petersburg zu erinnern, der als einer der Auslöser der Februarrevolution von 1917 gilt.

 

In der Weimarer Republik konnte der Weltfrauentag erst im Jahre 1926 seine Wiederauferstehung feiern – etwas später also, dafür aber in doppelter Ausführung: in der kommunistischen Version mit dem 8.3. als Termin und in der sozialdemokratischen Version ohne festen Termin. Themen dieser Aktionstage waren die Forderungen nach regelmäßiger Schulspeisung und nach legaler Abtreibung.

 

Die Nazis verboten den Frauentag. Die Aktivistinnen tauchten ab, sie feierten den Tag im privaten Kreis und ließen am 8.3. demonstrativ rote Socken und andere rote Kleidungsstücke an ihrer Wäscheleine flattern. 1946 wurde der Frauentag wieder eingeführt, jedoch nur in der SBZ, in der Sowjetischen Besatzungszone. Er sollte helfen, den Zwei-Jahres-Plan zu erfüllen (später gab es Fünf-Jahres-Pläne).

 

In den fünfziger Jahren kam das Gerücht auf, dass der März-Termin nicht etwa an die Arbeiter in Russland erinnern sollte, sondern an die gewaltsame Niederschlagung eines Streiks von Textilarbeiterinnen in New York. Also: anderer Ort, dieselbe Branche. Mit dieser Umdeutung wirkte der Gedenktag nicht mehr so kommunistisch, er wurde sozusagen vom Osten in den Westen verlegt. Spätere Recherchen ergaben, dass der denkwürdige Tag des Streiks auf einen Sonntag gefallen sein muss. Nach anderen Quellen ging es nicht um einen Streik, sondern um einen Brand in einer Fabrik, der mehrere Opfer forderte.

 

Egal. Im ‚Jahr der Frau 1975’ feierten die Vereinten Nationen den Internationalen Frauentag, zwei Jahre später, also 1977, wurde der Termin 8.3. als offizieller Gedenktag eingeführt, er wird heute vorwiegend in den ehemals sozialistischen Ländern gepflegt, in etwa 200 Ländern.

 

Ein Blick in den Keller

Das heißt: In der Geschichte des Frauentages finden wir nicht nur verschiedene Termine, sondern auch verschiedene Anlässe, verschiedene Inhalte: Mal geht es um das Wahlrecht, mal um den Krieg, mal um Abtreibungen, mal um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen.

 

Keller

 

Meine Oma hatte Einmachgläser im Keller. Arno Schmidt auch. Ich weiß. Ich habe mit Ehrfurcht und Bewunderung sein Häuschen in Bargfeld besichtigt. Arno Schmidt war sehr ordentlich, das kann man nicht anders sagen. Das zeigte sich nicht nur an seinen berühmten Karteikästen, das sah man auch in seinem aufgeräumten Keller. Da hatte er die Einweckgläser sorgsam mit Etiketten versehen und korrekt beschriftet. Da stand zum Beispiel, was mir – warum auch immer – besonders im Gedächtnis geblieben ist: „Birne ’77“

 

Meine Oma machte das nicht so. Sie konnte vermutlich auch ohne Beschriftung erkennen, was in den Gläsern drin war und konnte sich noch erinnern, wie lange die da schon herumstanden.

 

Was hat das mit dem Weltfrauentag zu tun? Nun, es ist eine bildhafte Umschreibung: Der Weltfrauentag ist nur ein Termin im Kalender, noch dazu einer, der nicht feststeht. Mehr nicht. Der Weltfrauentag ist ein leeres Einweckglas ohne Beschriftung. Arno Schmidt mit seinem Ordnungsfimmel hätte vermutlich Probleme damit gehabt, er hätte die Etiketten, die ihm offenbar wichtig waren, ständig neu schreiben müssen: „Frauenwahlrecht ’12“, „Protest gegen Kriegskredite ’17“, „Schulspeisung und Abtreibung ’26“ …

 

Meine Oma hatte solche Probleme nicht. Mal waren Birnen im Glas, mal Gurken. Auf den Termin kam es nicht an. Die Inhalte der Gläser wurden sowieso nicht für die Ewigkeit konserviert. Dem Andenken war ein absehbares Ende gesetzt. Die Birnen sind gegessen. Der Erste Weltkrieg ist inzwischen auch vorbei.

 

Der Internationale Frauentag ist nicht vorbei. Feministen gehen mit dem Gedenktag um wie mit einem leeren Einmachglas, in das sie – wie sie meinen – einfüllen können, was ihnen gerade so passt. Natürlich kann man sagen, dass sich lebendige Traditionen entwickeln und im Laufe der Zeit verändern. Man kann es aber auch so sehen, dass hier eine Tradition missbraucht und für andere Zwecke vereinnahmt wird.

 

Heute soll es bei diesem Tag um die Fortschritte der Gleichstellung gehen, um den Abbau überkommener Rollenbilder, um den Schwindel namens „Gender Pay Gap“, um bessere Gagen für die Stars in Hollywood und um eine Quote für die DAX-Vorstände. Es ist obendrein eine gute Gelegenheit für Schauspieler und andere Kulturschaffende, der ersten Frau im Staate in Dankbarkeit Blumen zu überreichen.

 

Daran sieht man, dass es um nichts Bestimmtes geht und dass es keine wirkliche Tradition gibt, es gibt keine „Invariante der Richtung“, um es mit Ernst Bloch zu sagen. Wenn man die Textilarbeiterinnen exhumieren und wiederbeleben würde und sie in einer Talkshow als Vorkämpferinnen für den leeren Stuhl präsentiert, der aufgestellt werden muss, wenn ein Unternehmen die Quote nicht einhält, dann … egal. Es geht sowieso nicht. Die Heldinnen von 1917 sind tot und vermutlich inzwischen so vermodert, dass sie sich nicht mal mehr im Grab umdrehen können.

 

Es gab nicht nur verschiedene Termine und verschiedene Themen, es gab auch verschiedene Gruppen von Protagonistinnen, die sich untereinander nicht einig waren, wie man an dem Termingerangel zur Zeit der Weimarer Republik sehen kann. Es gibt keine verbindliche Gemeinsamkeit in der Welt der Frauen. Die verschiedenen Frauen, auf die man sich am Weltfrauentag beruft, würden sicherlich, wenn man sie zusammenführen könnte, auf getrennten Gläsern bestehen, womöglich auch auf getrennten Regalen.

 

Vielleicht sogar auf verschiedenen Kellern. Die einen Frauen wollen nichts mit den anderen Frauen zu tun haben. Es zeigt sich immer wieder: Es gibt sie nicht: DIE Frauen. Michel Houellebecq sagt es so: „Die Frauen bilden keinen einheitlichen Block. Sie wollen nicht alle dasselbe. Der Feminismus hat kein überzeugendes Narrativ, keinen geschlossenen Diskurs hervorgebracht.“

 

allegleich

 

Halt. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe es nicht richtig dargestellt. Es gibt doch etwas Gemeinsames beim internationalen Frauentag. Es gibt – leider, leider – doch so etwas wie eine Invariante der Richtung. Es ist aber nichts, das man pflegen und beibehalten sollte: Was es durchgängig gibt, ist ein Irrtum. Es ist der Irrtum, dass man Frauen und Männern voneinander trennen und mit der auf diese Weise künstlich herbeigeführten Trennung langfristig etwas bewirken kann. Das Gemeinsame ist die feministische Apartheidpolitik, die diesen Aktionen zugrunde liegt.

 

Die ist falsch. Die kann weg.

 

Hass oder Hegel

Der Kampf um das Wahlrecht wird gerne so dargestellt, als hätten alle Männer dieses Recht gehabt und als hätten die vernachlässigten Frauen es den störrischen Männern abtrotzen müssen. So stimmt das nicht. Vergessen wird dabei, dass es bis 1918 ein Dreiklassenwahlrecht gab, das auch die meisten Männer ausschloss. Im Jahre 1871 beispielsweise waren überhaupt nur etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung wahlberechtigt. Das lag allerdings auch daran, dass Deutschland damals – anders als heute – eine sehr junge Bevölkerung hatte und das Wahlalter bei 25 Jahren lag.

 

rotefahne

 

Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte das Wahlrecht für Frauen und für Männer. Es wurde gemeinsam erkämpft. Man kann sogar sagen, dass es vor allem von Männern erkämpft wurde – für die Frauen gleich mit. Der Beitrag der Suffragetten bestand in erster Linie aus Selbstdarstellungen und Terror – oder wie es bei Wikipedia heißt: in der Entwicklung von „neuen Formen des Protests“. Zunächst protestierten sie gegen verordnete Untersuchungen zum Gesundheitszustand von Prostituierten und machten auf sich aufmerksam, indem sie demonstrativ rauchten: Blauer Dunst und blaue Strümpfe – das waren ihre Erkennungszeichen.

 

Dann radikalisierten sie sich im Kampf um das Wahlrecht, sie verübten Brand- und Bombenanschläge, brachten die Feuerwehr durch Fehlalarm außer Gefecht und kappten Telefonverbindungen. Mary Richardson ging mit einem Schlachterbeil auf das Gemälde ‚Venus vor dem Spiegel’ von Diego Velázquez los („I didn’t like the way men visitors gaped at it all day long“). Emily Davidson warf sich in einer spektakulären Aktion vor das Pferd des Königs und starb als Märtyrerin, nachdem vorangegangene Selbstmordversuche erfolglos geblieben waren.

 

Suffragists

 

Manche Feministen glauben immer noch, dass es unbedingt so sein musste und dass es auch weiterhin so sein sollte. Beispielhaft wird das in einem Text wie „LIEBER FEMINISMUS, BITTE BLEIB LAUT UND UNBEQUEM“ (alles in Großbuchstaben) deutlich, der ein Beitrag zum Weltfrauentag 2016 aus feministischer Sicht sein will. Demnach sind verstörende und zerstörende Akte notwendig, um die Not zu wenden. Denn sonst, so meinen solche Stimmen, tue sich nichts. Sonst gehe es nicht voran. Eine radikale Aktion ist in ihren Augen ein Stürmerfoul, das nicht gepfiffen werden muss.

 

Mir ist das zu einfach. Denn damit wird jede Geschmacklosigkeit, jede Falschbeschuldigung und jede Dummheit nicht nur pauschal entschuldigt, sondern gerechtfertigt. Dahinter steht die Terroristen-Weisheit, dass der Zweck die Mittel heiligt.

 

Hegel dagegen meinte, dass die Mittel die Wahrheit über den Zweck verraten. Große gesellschaftliche Wandlungen sind immer nur mit vereinten Kräften möglich. Sie werden durch faire Zusammenarbeit von Männern und Frauen erreicht und nicht dadurch, dass ein künstliches Gegeneinander von Gruppen behauptet wird, wenn letztlich alle dieselben Interessen haben und in einer Gemeinschaft leben wollen, die sich grundsätzlich einig ist und nicht in permanenter Feindschaft lebt.

 

Ein Plakat der SPD aus dem Jahre 1919 zeigt das: Da stehen Mann und Frau nebeneinander unter einer roten Fahne. Dazu heißt es: „Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten“. Diese „gleichen Pflichten“ waren es übrigens, die in der Schweiz dazu geführt haben, dass das Frauenwahlrecht erst in den siebziger Jahren eingeführt wurde. Nicht etwa, weil die Schweiz rückständig gewesen wäre, sondern weil das Wahlrecht an den Wehrdienst gebunden war und man erst einmal zugunsten der Frauen eine Entkoppelung von Pflichten und Rechten vornehmen musste.

 

Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten

 

Doch gemeinsam geht’s. Come together. Warum sollten Männer ausgeschlossen werden, wenn es um eine fröhliche Sause zum Geburtstag vom ollen Karl geht? Oder gegen den Krieg? Warum sollten Frauen auf die Unterstützung von Männern verzichten, wenn sie etwas durchsetzen wollen, das allen nützen soll? Ohne Hilfe von Männern hätte es auch keine Änderungen in Sachen Abtreibung gegeben.

 

Esther Vilar findet es peinlich, wenn es eine Feministin als Erfolg reklamiert, dass sie lautstark eine offene Tür eingerannt hat und die Lorbeeren für den gesellschaftlichen Fortschritt für sich behalten will. Sie vergleicht so jemanden mit einem Jungen, der mit seiner Trillerpfeife auf dem Bahnsteig steht, kurz pustet und sich einbildet, der Zug würde seinetwegen abfahren. Ich sage es so: Der Feminismus ist der schrille Ton in einem Konzert, das sowieso auf dem Spielplan stand.

 

Also – wie ist es? Haben wir das Wahlrecht, so wie wir es heute haben, wegen der spektakulären Grenzüberschreitungen der Suffragetten oder trotz dieser Radau-Schwestern, deren Mätzchen in Wirklichkeit, wie Angela Merkel sagen würde, „nicht hilfreich“ waren? Ihr Konzept, sich gegen Männer in Stellung zu bringen, hat sich jedenfalls nicht durchgesetzt. Das ist gut so. Denn es ist schädlich, es behindert politisches Handeln und gefährdet den Zusammenhalt der Gemeinschaft.

 

Das gilt im Großen und im Kleinen. In der großen Politik – und in der kleinen Familie. Gerade da zeigen sich die Auswirkungen besonders deutlich, gerade da hat der Feminismus eine Schleimspur der Verwüstung hinterlassen. Wenn die Gemeinschaft von Mann und Frau ausbleibt, dann fehlen wenig später die Kinder. Je mehr sich der Feminismus ausbreitet, desto weniger Nachwuchs gibt es. Deshalb ist der Lapsus von Alice Schwarzer, die von einem „sozialistischen Muttertag“ sprach (ich hatte darauf hingewiesen), besonders aufschlussreich.

 

Sie sollte einen Blick in den Terminkalender werfen. Der Frauentag ist am 8. März, der Muttertag dagegen am zweiten Sonntag im Mai. Es sind nicht nur verschiedene Tage, es sind auch verschiedene Traditionen und unterschiedliche Sammelbegriffe, unter denen Frauen zusammengefasst werden – es sind, um das Bild erneut aufzugreifen, verschiedene Einmachgläser.

 

Ein „sozialistischer Muttertag“ ist Unsinn. Alice Schwarzer bringt die beiden Begriffe deshalb zusammen (und durcheinander), weil sie Aversionen gegen beides hat (gegen den Sozialismus und gegen Mütter) und weil sie in ihrer Ablehnung nicht zimperlich und in ihrer Ausdrucksweise schlampig ist. Ein befreundeter Schriftsteller, der allerdings nicht genannt sein will und allgemein als ausgewiesener Frauenversteher gilt, hat mir einmal im Vertrauen verraten: „Mütter sind keine Frauen“.

 

Aber ich weiß schon, wie er das meint. Sehen wir uns die Mütter näher an.

 

Jeder Tag ist Muttertag

Der Muttertag ist noch älter als der Frauentag, erste Ursprünge reichen bis 1865 zurück. 1914 wurde er als offizieller Feiertag in den USA begangen, ausgehend von einer Initiative von Müttern aus der methodistischen Kirche, die sich gegen den Krieg aussprachen, aber unpolitisch bleiben wollten. 1923 gab es den ersten Muttertag in Deutschland, in anderen Ländern Europas wurde er schon früher gefeiert. Der Muttertag ist also keine Erfindung der Nazis, auch wenn es gelegentlich so dargestellt wird.

 

Alles, was mit Müttern zu tun hat, wird immer noch gerne mit Nazis in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang will ich auf eine besonders hässliche Polemik hinweisen – diesmal nicht von Alice Schwarzer, sondern von Thea Dorn –, auf die Gleichsetzung von Eva Hermann mit Eva Braun. Beide Frauen haben nämlich (Wenn man darauf aufmerksam gemacht wird, erkennt man es auch …) denselben Vornamen. Na dann. Das reicht als Beweis.

 

Das ist Frauenkabarett. Da kann man nicht mehr erwarten. Das Niveau lässt sich aber noch unterbieten. Wiglaf Droste hat es mit einem Anglerwitz geschafft: Es ist ein kurzer Weg, schreibt er, von „Petri Heil zu Heil Petry“.

 

Doch wie war es wirklich? Die Last-minute-Ehefrau des Führers mit dem damals häufigen Vornamen „Eva“ blieb bekanntlich kinderlos. Hitler selber wollte nach eigenem Bekunden keine Familie und auch keine Kinder. Kinder aus anderen Familien wollte er als Kanonenfutter. Sein Ideal war nicht die Familie, sondern die Volksgemeinschaft. Dennoch wird mit solchen Kabarett-Nummern so getan, als wären Mutterschaft und Kinderreichtum nicht nur erzkonservativ, sondern geradezu faschistisch. So ist es nicht. Der Muttertag ist keine Hinterlassenschaft der Nazis, aber – beispielsweise – das Jugendamt ist eine.

 

Die ewigen Hitler-Scherze sind dämliche Provinz-Nummern. Diese Kabarettisten glauben offenbar, Hitler wäre immer noch der Nabel der Welt – und wenn die Welt schon nicht am deutschen Wesen genesen soll, dann soll sie wenigstens bitterlich über das deutsche Unwesen lachen. Aber – Überraschung! – Mütter gab es auch außerhalb der Grenzen des tausendjährigen Reiches. Mütter gab es nicht nur da, wo es Nazis oder Katholiken gab. Es gab und gibt es überall auf der Welt. Seit mehr als tausend Jahren.

 

Von allen Gedenktagen, die wir uns angesehen haben, hat der Muttertag den stärksten gemeinsamen Nenner. Er ist überzeugender und besser begründet als etwa der Vatertag, der von Richard Nixon zum offiziellen Feiertag in den USA gemacht wurde, wo er als Parallele zum Muttertag entstanden war, aber schon von Anfang all das nicht hatte, was der Muttertag hat.

 

Bei uns ist der „Vatertag“ halb religiös, halb weltlich, mal wird er „Herrentag“ genannt, mal „Männertag“, mal „Christi Himmelfahrt“. Es fehlt das Verbindende, das Sinnstiftende, und aus Verzweiflung darüber stürzen sich die Männer an diesem Tag regelmäßig in den Suff. Die Erfahrung der Geburt dagegen ist etwas Starkes, das Frauen in aller Welt gemeinsam haben: Näher kommt der Mensch nicht an das Schöpfungsgeheimnis heran. Ich glaube, dass sich Frauen deshalb leichter als eine große Gemeinschaft sehen, als Männer das tun. Mutterschaft ist tatsächlich ein bedeutender gemeinsamer Nenner, den Frauen teilen ­– oder teilen könnten. Feminismus mit seinen wechselnden Modeartikeln und seinem Trennungsgebot ist es nicht.

 

Feministen mochten Mütter von Anfang an nicht. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Eine Mutter kann dem Feminismus immer nur „ein Stück weit“ folgen, wie Björn Engholm gesagt hätte. Auf Dauer können sie den tief im Feminismus eingeschriebenen Männerhass nicht teilen, spätestens dann nicht mehr, wenn sie im Kreissaal die frohe Botschaft hören: „Es ist ein Junge“. Ein Baby ist ein Mysterium, die Geburt eines „Kindes der Liebe“ ist keinesfalls ein Akt der Unterdrückung. Auch wenn sich eine Mutter zeitweilig gewissen feministischen Moden zuneigt – ihre Neigung wird immer im Spannungsverhältnis zu ihren Muttergefühlen stehen.

 

Der Muttertag gedeiht am besten in Gesellschaften, in denen sich der Staat nicht in die Familie einmischt. Länder mit sozialistischer Vergangenheit, in denen es keine klare Trennung vom Privaten und Politischen gab und die deshalb leicht eine übergriffige Staatsmacht hervorbringen konnten – wie etwa Russland –, kennen keinen Muttertag. Der Muttertag dagegen blüht besonders im Kapitalismus, als Festtag des Kitsches.

 

Er war eine erfolgreiche Geschäftsidee, in Amerika übersteigen die Umsätze zum Muttertag sogar die Umsätze zu Weihnachten. Wenn ich meine Mutter am Muttertag nicht regelmäßig angerufen habe, dann nicht etwa, weil ich etwas gegen sie gehabt hätte oder mich unbedingt vom Warmduscher-Vorwurf des Mamma-Anrufers unterscheiden wollte. Es lag einfach daran, dass mir der Muttertag irgendwie zu kitschig war. Wenn ich mit meiner Mutter telefonieren wollte, konnte ich das auch an anderen Tagen tun.

 

Noch kitschiger und noch kommerzieller ist der Valentinstag am 24.2., der als „Tag der Liebenden“ gilt. Schon wieder ein Tag, an dem Alice Schwarzer in den Terminkalender und dann in den Spiegel schaut und seufzt: „Das ist heute aber gar nicht mein Tag.“

 

Ihr würde – im Unterschied zu mir – auch das Frauenmuseum in Hanoi nicht gefallen. Überhaupt nicht. Da machen sich die Frauen für die Wärme in der Familie stark, they keep the fire burning. Da heißt es auch: „Be graceful, capable, responsible, unyielding, sentimental, tolerant, able to sacrifice“. Übersetzen muss man das nicht. Wir verstehen es auch so. Für Feministen bleibt es eine rätselhafte Fremdsprache. Ein Sprichwort habe ich mir vor Ort notiert, es besagt sinngemäß, dass man erst mit seinen eigenen Kindern das Opfer der Eltern versteht und seine Eltern neu sehen kann. Mingh Mingh wünscht sich übrigens drei Kinder.

 

Mingh

Mingh Mingh posiert im traditionellen Kostüm einer Braut im Frauenmuseum von Hanoi

 

Ich kann es wirklich empfehlen: Besuchen Sie das Frauenmuseum Hanoi! Besuchen Sie auch meine Seite Frau ohne Welt (die eine Zeit lang außer Betrieb war und nun wieder rund um die Uhr geöffnet ist).

 

 

 

POST SCRIPTUM

Ich möchte noch auf zwei aktuelle Texte zum Frauentag hinweisen, damit wir sehen, wie Feministen heute darüber denken:

 

Anne Wizorek denkt und dankt. Ihre Danksagung ‚Mein lieber Feminismus’ findet sich auf der hübsch gestalteten Seite „kleinerdrei“. Die Texte von Anne finden sich unter dem Logo „FEMINISMUSFUCKYEA“. Wie meint sie das? Darüber muss ich noch nachdenken. Sehen wir weiter:

 

Die Kolumne von Margarete Stokowski auf ‚Spiegel-Online’ unter dem Titel „Nichtig? Wichtig!“ fängt so an: „Das Geilste, was Antifeministen sich in ihren feuchtesten Träumen ausdenken können, sind Frauen, die sich gegenseitig bekämpfen und beschimpfen … Es wirkt wie der Super-GAU des Feminismus, wenn nicht mehr nur Männer ihm vorwerfen zu übertreiben, sondern auch Frauen. Am besten: zum Frauentag. Woohooo.“

 

Es soll kein Vorwurf sein, aber ich finde, es wirkt übertrieben, was sie da schreibt: „das Geilste“ und „feuchteste Träume“ – kann man noch höher pokern, noch weiter steigern, noch stärker übertreiben? Ja. Schon im nächsten Satz: „Super-GAU“ (Ein GAU ist bereits der „größte“ anzunehmende Unfall). Woohoo!

 

Dazu ein kleiner Hinweis: Frauen, die sich gegenseitig bekämpfen und beschimpfen sind überhaupt nicht geil. So richtiggehend gar nicht. Sie sind für niemanden geil. Erst recht nicht für Antifeministen. Die haben ganz andere Sehnsüchte und ganz andere Sorgen.

 

Noch etwas: Was ist ein „feuchter“ Traum? Klar: Damit ist ein mit erotischer Fantasie aufgeladener Traum gemeint. Kann man das steigern: feucht, feuchter, am feuchtesten? Ich würde es nicht tun. Ich bin aber nicht sicher. Vielleicht sagt man das bei Frauen so. Oder bei Bettnässern. Wie auch immer: Man denkt sich Träume nicht aus. Man träumt sie. Träumen ist etwas anderes als Denken. Na, ja, ‚Spiegel’-Niveau halt.

 

Oder Feministen-Niveau: Hauptsache Sex ­– und es wird auf Männern rumgehackt. Daran erkennt man Feministen. Das ist ihr Stil. Ihr Alleinstellungsmerkmal. Dazu habe ich eine bescheidene Frage: Liebe Feministen, könnt ihr das Ausleben eurer zänkischen Launen nicht auf einen Tag im Jahr beschränken? Vielleicht am 8. 3. oder am 19.3. – falls ihr euch untereinander nicht einigen könnt, dann gerne auch an beiden Tagen. Das müsste aber reichen.

 

Das wäre mein Vorschlag, mein kleiner Beitrag zu der Diskussion, die Alice Schwarzer angeregt hat. Unter diesen Vorzeichen bin ich für die Beibehaltung des Weltfrauentages. Den soll es weiterhin geben. Oder von mir aus auch zwei Weltfrauentage. Da gedenken wir dann all denen, die Männer und Frauen trennen und gegeneinander aufhetzen wollen und sich dazu immer was Neues ausdenken.

 

An all den anderen Tagen des Jahres können wir dann entspannt aufeinander zugehen und gemeinsam etwas planen.

 

 

Siehe auch:

Vietnam. Und der Traum von der Familie
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und:

Vietnam. Und der Traum vom Frieden

 

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Vergewaltigungen und der fünfte Mann

 

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Sind Sie für oder gegen ein Hotpants-Verbot an Schulen? Eine heiße Frage. Ein heißes Thema. Es geht um ein „gesundes Schulklima“, wie es an einer Schule hieß.

 

Aber mehr noch geht es darum – wie es an anderer Schule heißt, – gewisse „Diskrepanzen“ zu berücksichtigen, weil in der Turnhalle Asylbewerber, überwiegend sunnitische Muslime, untergebracht waren.

 

Wenn wir es richtig heiß haben wollen, müssen wir einen Blick nach Norwegen werfen: In den letzten Jahren hatten sich in Oslo Fälle von Vergewaltigungen gehäuft, bei denen nichtwestliche Ausländer als Täter identifiziert wurden. Im Jahre 2011 waren es doppelt so viele Vergewaltigungen wie im Vorjahr. Deshalb spricht man von einer regelrechten „Vergewaltigungs-Epedemie

 

Zu einhundert Prozent sind die Täter keine Norweger, weshalb die Taten auch „orientalische“ Vergewaltigungen genannt werden. Die jungen Frauen färben sich nun sicherheitshalber die Haare schwarz und trauen sich nur noch in Gruppen auf die Straße. Die politisch korrekte Berichterstattung steckt in einer Zwickmühle, weil sie sich entweder dem Vorwurf ausgesetzt sieht, zum Fremdenhass beizutragen oder das Leid der Frauen zu bagatellisieren.

 

Dass so etwas passiert, liegt nicht an der Haarfarbe, am Minirock oder an den Hotpants. Der Angriff gilt den bedauernswerten Mädchen nicht nur im Einzelfall. Sie werden zugleich als Repräsentanten des westlichen Lebensstils angegriffen. Die Verachtung der muslimischen Männer richtet sich gegen ein Gesamtbild, das sich aus vielen Mosaiksteinen zusammensetzt, zu denen Lady Gaga, Pussy Riot, die Femen und andere Heldinnen der Schamlosigkeit gehören, aber auch Feministen, die Männer hassen, Abtreibung propagieren Schlampenparaden veranstalten und sich Parolen auf die nackte Brust schreiben.

 

Man muss sich nicht in der Nähe eines Schulhofs aufhalten, um einen Eindruck von den Sitten der westlichen Frau zu erhaschen. Es genügt, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen oder das Fernsehen einzuschalten, in dem Stars wie Lady Bitch Ray gefeiert werden. Vom Internet ganz zu schweigen. Sex, Sex, Sex überall. Neuerdings auch im Kindergarten. Vergewaltigungen scheinen in unseren Breitengraden etwas Alltägliches zu sein. Feministen haben ausgerechnet, dass alle sieben Sekunden eine Frau vergewaltigt wird. Deshalb musste es auch unbedingt Frauenparkplätze geben, damit wenigstens in Parkhäusern die Vergewaltigungen zurückgehen.

 

Nein. Darum geht es nicht. Sicherheit wird auf diese Weise nicht geschaffen. Es wird die Angst vergrößert. Frauenparkplätze und andere Schutzräume, die „nur für Frauen“ eingerichtet werden, sind Hysterie-Tankstellen, die bestätigen, dass die Ängste berechtigt sind. Die Angst vor Gespenstern gilt damit als Beweis für die Existenz von Gespenstern. Es wird unwidersprochen verkündet, dass alle Männer Vergewaltiger sind, „auch die netten“, wie Alice Schwarzer extra betont hat. Von den Universitäten in Amerika hören wir, dass es da eine regelrechte „Vergewaltigungskultur“ geben soll. So ist unsere Kultur.

 

Was macht das für einen Eindruck? Der muslimische Zuwanderer spürt, was hier los ist; er bemerkt die Verlorenheit der hiesigen Frauen, die kein Vertrauen haben und die niemanden mehr – auch nicht sich selbst – respektieren. Vergewaltigt werden sie sowieso. Es gibt keinen anderen Zusammenhang mehr, in den ihre Sexualität eingebettet sein könnte. Sie sind Frauen ohne Welt. Sie haben keine Traditionen, die sie respektieren. Ehe und Familie sind ungültig geworden. Sie respektieren die Alten nicht. Sie haben keine Ehre. Keine Sitte. Keine Moral. Keinen Glauben. Keine Treue. Keine Verpflichtung. Keine Verantwortung. Keine Bindung. Keinen Bruder. Kein Kind. Keinen Mann. Keinen Vater.

 

Und damit auch keinen Schutz. Stellen wir uns den umgekehrten Fall vor: Ein norwegischer Tourist vergewaltigt eine Frau in einem islamischen Land. Vermutlich würden er noch in selbiger Nacht gelyncht werden. Wäre er in einem Land, in dem Schusswaffen frei verfügbar sind, hätte er vier Kugeln im Kopf: eine vom Vater, eine vom Bruder, eine vom Ehemann, eine vom Sohn.

 

Die westliche, weiße Frau dagegen hat sich von allen losgesagt: „Väter sind Täter“, lautet die feministische Parole. Auch die Brüder wurden ausgemustert. Nach den inzwischen verbindlich gemachten Sprachregelungen, die Luise Pusch vorgegeben hat, heißt es: „alle Menschen werden Schwestern“. Der Ehemann – falls es überhaupt jemals einen gab – ist entsorgt, ein mögliches Kind wurde abgetrieben.

 

Die Trennung ging von den Feministen aus. Männer konnten sich dagegen nicht wehren. Heute hat ein Vater keine Autorität mehr, er darf nicht einmal erfahren, ob er wirklich der Vater ist; die Frau hat heute ein – wie es heißt – Recht auf „geschützten Mehrverkehr“, womöglich darf er sich der elterlichen Wohnung nur noch bis auf fünfzig Metern nähern. Ein Ehemann hat keine Möglichkeit, eine Scheidung und den Verfall der ganzen Familie zu verhindern. Einen Bruder haben die vielen Einzelkinder sowieso nicht – Kinder auch nicht.

 

So bleibt einer Frau der fünfte Mann, der gefährliche (aber auch faszinierende) Fremde. Es bleibt ihr außerdem die Solidarität mit Feministen. Und es bleibt ihr die Sehnsucht nach einem starken Staat – nach einem totalitären Staat. Die westliche, weiße Frau hat sich dem „großen Bruder“ anvertraut, der tatsächlich mehr und mehr so geworden ist, wie ihn George Orwell beschrieben hat: ein Überwachungsstaat, der „doublethink“ eingeführt hat, und Männer in ihrem Sinne überwacht und zur Kasse bittet.

 

Der Staat ist großer Bruder und Vater zugleich. Deshalb sagt man auch, dass sich die westliche Frau „Vater Staat“ an die Brust geworfen hat. Er soll ein möglichst strenger und mächtiger Vater-Ersatz sein. Er bemüht sich ja. Er hat eine imposante Frauen-Bevorzugungs-Bürokratie aufgebaut, die sich allerdings in erster Linie darum kümmert, sich selbst zu erhalten. Vater Staat fördert alles, was die Geschlechtertrennung weiter vorantreibt und verspricht den alleinstehenden Frauen neue Karriere-Chancen, um eigenes Geld zu verdienen und auf eigenen Füßen zu stehen – bis sie im Alter merken, dass Alleinsein nicht glücklich macht und das Geld nicht reicht.

 

Es wird kein gutes Ende nehmen. Der Staat kann einer Frau die vier Männer, von denen sie sich losgesagt hat, nicht ersetzen. Er kann sie im Ernstfall nicht einmal schützen. Das merken die jungen Frauen – nicht nur in Norwegen: Polizei und Presse halten sich bedeckt, und im Schatten der Political Correctness können die orientalischen Vergewaltiger ungestraft agieren. Für die Frauen ist es ein weiterer Beweis dafür, dass die Männer auf der ganzen Linie versagt haben. Alle. Sie sind böse. Sie sind Verbrecher. Sie taugen nicht als Beschützer.

 

In Alexis Sorbas von Nikos Kazantzakis wird beschrieben, wie fremde Männer in ein Dorf kommen und die jungen Mädchen darauf mit Angstreflexen reagieren und weglaufen. Warum? Sie haben eine tief sitzende Panik geerbt, aus Zeiten, als Piraten die schutzlosen Inseln überfielen und Menschen raubten, entführten und versklavten. Das war nicht nur auf Kreta so, sondern auch in Irland und Island, wo man bis heute – um das Trauma zu verarbeiten – an Gedenktagen Szenen aus solchen Dramen nachspielt und die Verstecke aufsucht, in denen sich die Frauen einst in Sicherheit gebracht hatten. Die feministische Vergewaltigungs-Propaganda nutzt die alte Angst und benennt einen neuen – allerdings falschen – Feind: den Ehemann, den Vater. Damit stürzt die ängstliche Frau ins Bodenlose.

 

Zu einer Vergewaltigung gehören mehr als zwei. Als im Zweiten Weltkrieg Soldaten aus Russland und aus der Ukraine ins Deutsche Reich einfielen und massenhaft Frauen vergewaltigten, taten sie das nicht allein deshalb, weil sie so lüstern gewesen wären und es auf die deutsche, blonde, unschuldige Frau abgesehen hätten – so wie es die Propaganda ausgemalt hat.

 

Sie taten es, weil sie den deutschen Mann hassen gelernt hatten und alles vernichten wollten, was diesem lieb und teuer war. In Berichten aus früheren Kriegen kommt das noch deutlicher heraus: Ein Sieger, der die Frau des Besiegten vergewaltigt, siegt damit zum zweiten Mal. Gemeint ist bei so einem Verbrechen nicht nur die Frau allein, sondern auch ihr Mann, dem damit eine weitere Niederlage zugefügt wird. Die Attraktivität der Frau spielt eine untergeordnete Rolle.

 

Wichtiger als ihr Reiz ist die Verachtung, die einer Frau entgegenschlägt. Der Vergewaltiger drückt nicht etwa Zuneigung aus, sondern Ablehnung. Nicht Verehrung, sondern Geringschätzung. Was Oslo erlebt, ist nicht etwa ein Krieg des Mannes gegen die Frau, wie es uns die feministische Propaganda weismachen will, die gewohnheitsmäßig falsch verallgemeinert. So ist es nicht. Es ist ein Krieg der Kulturen: Der orientalische Vergewaltiger vergreift sich ausschließlich an westlichen Frauen, nicht an orientalischen.

 

Er kann sehr wohl unterscheiden. Er vergreift sich gezielt an dem Typus Frau, der seine Werte verlacht und bedroht; ein Typus, der, wie er meint, sowohl von Männern als auch von geschützter, exklusiver Sexualität in der Ehe nichts wissen wolle. Keusche Jungfrauen dagegen wären potentielle, schützenswerte Heiratskandidatinnen. Es ist außerdem ein Krieg des orientalischen Mannes gegen den westlichen Mann, bei dem der Vergewaltiger zum Rächer und Eroberer zugleich wird.

 

Der weiße, westliche Mann wird für Vergewaltigungen beschuldigt, die oftmals keine sind. Und denen, die wirklich welche sind, muss er tatenlos zuschauen. Er ist in einer wahrlich tragischen und traurigen Lage. Er durchleidet das, was in dem Buch Schande beschrieben wird. Dort ist der Schauplatz Südafrika. Der Held wird beschuldigt, ein Vergewaltiger zu sein. Er verliert dadurch seine berufliche Existenz, obwohl es in Wahrheit eine unbedeutende Affäre mit Einverständnis der Frau war.

 

 

Schließlich kommt es in dem Buch von John M. Coetzee doch noch zu einer richtigen Vergewaltigung: Seine Tochter fällt vor seinen Augen einem Schwarzen zum Opfer. Er selbst wird verletzt, der Vergewaltiger versengt seine Augenbrauen. Am Ende hat der schwarze Mann nicht nur die Tochter, sondern auch den Besitz des weißen Mannes erobert.

 

 

Es deutet sich an, dass wir solche Dramen auch in unseren Landen erleben werden – in anderer Besetzung, in anderen Variationen, in kleinen und in größeren Dosierungen. Mit und ohne Hotpants.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frauenfußball und gelbe Karte

 

 

 

 

Eins zu Null für Lassahn

 

 

 

Nun kicken sie wieder und ich gucke nicht hin. Es ist lange her, dass ich mir so etwas zusammen mit meiner Mutter, die damals noch lebte, angesehen habe. Sie hatte sich ziemlich geärgert, weil sie eigentlich ihre Lieblingsserie sehen wollte, aber die wurde verschoben, weil Frauenfußball vordringlich war. Pech. Nun sahen wir uns die Bescherung an.

 

Ich weiß noch, dass eine der beiden Mannschaften aus Brasilien war – hätte ich jetzt sagen müssen: eine der beiden Frauschaften oder Mannschaftinnen? Jedenfalls war eins der beiden Teams aus Brasilien. Ich weiß nicht mehr, ob sie gewonnen oder verloren haben, ich habe es nicht bis zum Schluss angeguckt; ich wollte es nicht wissen. Ich gestehe, dass mir die Brasilianerinnen herzlich unsympathisch waren. Dennoch bin ich ihnen dankbar. Sie haben mir deutlich gemacht, was das Besondere am Frauenfußball ist.

 

Es fiel mir gleich auf: Die Spielerinnen applaudierten. Immer wenn es einen einigermaßen guten Spielzug ihres Teams gab, applaudierten sie sich selbst, ganz unabhängig davon, ob die Aktion zum Erfolg geführt hatte oder nicht. Nicht das Publikum applaudierte. Die Spielerinnen taten es. Man hörte es nicht, man sah es nur. Sie spendeten sich Applaus dafür, dass sie ihrer Meinung nach gut gespielt und sich ordentlich Mühe gegeben hatten. Sie brachten sich damit in die richtige Stimmung, es sollte vermutlich so etwas wie eine positive Verstärkung sein.

 

Ich musste an die Zeit zurückdenken, als ich in Amerika Sportler war. Da wurde ein gut gemachter, wenn auch gescheiterter Wurf, als „nice try“ gelobt. Das war’s. Darin lag allerdings eine Spur von Herablassung, als sollte damit gesagt sein: Da müssen wir noch dran arbeiten, nächstes Mal machst du das besser. Letztlich zählte das Ergebnis.

 

Applaudiert wurde nicht. Der Coach klatschte nicht. Wir Spieler taten es auch nicht. Wir wären überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen. Wenn es nach einem Wettkampf im Umkleideraum ein anerkennendes Nicken von einem Teamkollegen gab, dann war’s das. Das reichte.

 

Die Sportlerinnen aus Brasilen waren großzügig. Man kann auch sagen: Sie waren nicht besonders anspruchsvoll. Sie klatschen. Und klatschten. Und klatschten. Womöglich war es ihre spezielle Art, sich Mut zuzusprechen. Ich fand es billig. Es wirkte so, als wären sie auf irgendeine Scharlatanin reingefallen, die ihnen den letzten Schrei in Sachen Motivationstraining angedreht hatte. Wahrscheinlich sagten sie schon am frühen Morgen zu ihrem Spiegelbild: „Tschaka, Tschaka, du schaffst es, dies ist dein Tag.“

 

Es wirkte so, als hätten sie es nötig. So als hätten sie keine echte Motivation, sondern müssten die erst herstellen, wie jemand, der eigentlich keine Lust hat, etwas zu tun, aber trotzdem anfängt und sich sagt: Mal sehen, Appetit kommt vielleicht beim Essen. Man konnte wirklich nicht sagen, dass sie in einem Rausch der Spielfreude über das Feld huschten und dabei über sich hinauswuchsen. Es sah eher so aus, als wollten sie ihre Rolle als Fußballspielerinnen erst noch konstruieren, immer unter dem Vorbehalt, jederzeit wieder abzubrechen und auszusteigen, falls sie nicht genug gelobt werden oder sie sich das wieder anders überlegt haben.

 

Dann kriegte jemand vom gegnerischen Team eine gelbe Karte. Was taten die Brasilianerinnen? Sie applaudierten. Nun wurde es ein anderer Applaus. Damit beklatschten sie nicht ihren eigenen mickrigen Erfolg, sondern den Misserfolg der Gegenseite. Sie beklatschen nicht ihre eigene Stärke, sondern die Schwäche des Gegners. Nicht ihr eigenes Geschick, sondern das Missgeschick der anderen.

 

Schadenfreude ist ein Wort, das auch in Amerika kursiert, als müssten sie ein Wort aus Deutschland importieren, weil sie so etwa nicht kennen. Die Brasilianerinnen kannten es.

 

Deshalb mochte ich sie nicht. Und ich mochte sie nicht, weil mich in dem Moment Frauenfußball an Frauenpolitik erinnerte. An eine Politik, bei der die Erfolge darin bestehen, dass andere geschädigt werden. Ich musste sofort an das Zitat von Alice Schwarzer aus den achtziger Jahren denken, das es inzwischen zu trauriger Berühmtheit gebracht hat: „Wenn wir wirklich wollen, dass es unsere Töchter leichter haben, müssen wir es unseren Söhnen schwerer machen.“ So kann man reden, wenn man weder einen Sohn, noch eine Tochter hat.

 

So wurde es dann auch gemacht. Die Benachteiligung der Jungs ist inzwischen gut dokumentiert. Gefeiert wird sie als Erfolg der Mädchen. Wie in der Bildung, so in der Politik, im Berufsleben, in der Wirtschaft. Frauenpolitik hat viele Erfolge zu vermelden. Überall gibt es Frauen, denen es leichter gemacht wird, indem man es Männern schwerer macht.

 

Als ich klein war und auf dem Dorf lebte, wollte ich auch – so wie die anderen Jungs – Fußball spielen. Wir hatten einen Ball, mehr nicht. Wir hatten nicht mal den Namen „street football“ für das, was wir da machten. Wir improvisierten. Unseren Tornister waren unsere Torpfosten. Wir vereinfachten die Regeln: fünf Ecken = ein Elfer. Also: Wenn es zum fünften Mal zum Eckball (den wir nicht gut verwandeln konnten) gekommen war, wurde ersatzweise ein Elfmeter (der in eher ein Fünfmeter war) gegeben. Soweit, so gut. Es fehlte nur an Spielern.

 

Die Mädchen wollten nicht. Wir konnten sie schließlich überreden, indem wir die Spielregeln änderten. Das Mädchentor wurde verkleinert, damit es schwerer zu treffen war und für sie galt: drei Ecken ein Elfer. Ich weiß nicht mehr, ob sie gewonnen oder verloren haben. Ich weiß nur noch, dass es kein Rückspiel gab, kein weiteres Spiel.

 

Wir sollten uns an diesen wunderbaren Mädchen (die wir erstaunlicherweise „Wichter“ nannten) ein Beispiel nehmen! Ich habe sie in bester Erinnerung. Sie haben sich zwar in einer schwachen Minute überreden lassen, es mit „affirmative action“ und mit positiver Diskriminierung zu probieren, haben es dann aber bleiben lassen und haben lieber das getan, wozu sie wirklich Lust hatten (für Lust hatten wir erstaunlicherweise eine Art Plural, wir sprachen von „Lusten“).

 

Die Mädchen haben nur gemacht, was sie wirklich wollten. Sie haben vermutlich instinktiv gewusst – man soll die Mädchen vom Land nicht unterschätzen –, dass sie nur dann zu einem echten Selbstbewusstsein kommen, wenn sie ohne Motivationstraining auskommen, ohne Girls’ Day und ohne diesen ständigen Druck, eingefahrene Rollenbilder zu ändern und zu dekonstruieren.

 

Die Mädchen aus dem Dorf wären nicht auf solchen Mode-Schnick-Schnack reingefallen. Ich möchte sie herzlich grüßen: Anneliese, Irmgard, Hannelore, Gerda, Ingetraut, Christa, Renate, Jutta … und wie sie alle hießen.

 

Ich heiße Lassahn. Das Dorf mit den wunderbaren Mädchen heißt nicht so. Doch es gibt einen Ort, der so heißt. Da gibt es eine Fußballmannschaft. Und die ist mit einem legendären Tor Führung gegangen: 1 zu 0 für Lassahn! Siehe oben!