Mit gespaltener Zunge

 

Winnetou

 

An einem sonnigen Tag ritt Old Shatterhand auf seinem treuen Pferd Hatatitla über die Prärie und traf an verabredeter Stelle Winnetou, der ihm sein Leid klagte. „Mein weißer Bruder“, sagte sein rothäutiger Freund mit belegter Stimme, „ich muss etwas gestehen: Ich bin nicht länger der Häuptling der Apachen.“

 

„Uff“, entgegnete Old Shatterhand, der die Sprechweise von den Indianern übernommen hatte, um sich ein wenig den Sitten und Gebräuchen anzupassen. „Was ist passiert? Haben die Komantschen den edlen Stamm der Apachen besiegt?“

 

Winnetou winkte ab: „Nein, das nicht. Doch ich darf mich nicht länger Häuptling der Apachen nennen.“

 

„Wie denn sonst?“, wollte Old Shatterhand wissen.

 

Winnetou blickte zu Boden, so sehr schämte er sich vor seinem weißen Bruder. „Häuptling der Apachinnen und Apachen“.

 

„Verstehe …“, sagte Old Shatterhand. Aber das sagte er nur so. Er tat gerne so, als würde er nicht nur alles wissen, sondern auch noch alles besser wissen, „die rote Frau spricht mit gespaltener Zunge.“

 

„Nicht nur das“, entgegnete Winnetou, „sie spalten alles. Die Zungen sind gespalten. Die Herzen sind gebrochen. Die Zelte sind zerrissen. Wir haben jetzt sogar getrennte Pfähle, an die wir – hier – die Stuten und – da – Hengste anbinden.“ Winnetou untermalte seine Rede mit kräftigen Handbewegungen. „Ich weiß nicht, ob wir jemals wieder zusammenfinden, auch die Friedenspfeife ist zerbrochen.“

 

„Ich dachte immer“, überlegte Old Shatterhand, „die roten Frauen wären sowieso Nichtraucher …“

 

„Nichtraucherinnen“, verbesserte Winnetou.

 

Da erkannte Old Shatterhand den Ernst der Lage. Er war sprachlos, er konnte nicht einmal mehr ein leises „Uff“ hervorbringen. Er musste in Ruhe nachdenken und unterließ es, vorschnell „verstehe“ zu sagen.

 

Die Makkabäerinnen

 

Mir geht es auch so. Ich verstehe es nicht. Früher wurde in der Bibel „Das Buch der Makkabäer“ erwähnt, doch in der Bibelübersetzung in gerechter Sprache heißt es neuerdings das „Buch der Makkabäerinnen und Makkabäer“.

 

Makkabäerinnen? Was sind das für Leute? Ich hatte mir nie Gedanken über diese Personengruppe gemacht. Nun schon. Was ist dabei herausgekommen?

 

Ich gestehe es offen: Ich mag sie nicht. Ich würde natürlich nicht sagen, dass ich sie hasse. Das wird heute viel zu leichtfertig unterstellt. Das tue ich nicht. Ich hasse die Makkabäerinnen nicht. Doch sie sind mir unsympathisch.

 

Das war jedenfalls mein erster Reflex. Dann fiel mir auf, dass die Makkabäerinnen nichts dafür können. Sie können sich nicht mehr dagegen wehren, wie sie dargestellt werden. Mein Unmut richtete sich daraufhin auf diejenigen, die die Bibel in gerechter Sprache verfasst und die Makkabäerinnen speziell hervorgehoben haben.

 

Wie werden sie dargestellt? Als übermäßig geltungssüchtig, eitel und wichtigtuerisch, als wollten sie gegenüber den Männern ohne Angabe von Gründen hervorgehoben werden. Dieser Wunsch wird ihnen nun nach Jahrhunderten erfüllt.

 

Sie werden uns als Querulanten präsentiert – Querulantinnen, besser gesagt –, die per einstweiliger Verfügung darauf bestehen, dass sie gesondert im Abspann eines historischen Films erwähnt werden, auch wenn sie darin gar keine Rolle gespielt haben, und die Zuschauer längst das Kino verlassen haben. Denn womit – bitte schön! – haben die Makkabäerinnen die besondere Aufmerksamkeit verdient, die sie beanspruchen? Was haben sie getan? Haben sie überhaupt etwas getan?

 

Vermutlich schon – jedoch nichts Gutes! Sie haben die Gemeinschaft der Makkabäer zerstört. Sie haben aus einer guten Gruppe zwei schlechte Gruppen gemacht.

 

Bisher hatte ich mir eine einheitliche Bevölkerungsgruppe vorgestellt, die von gemeinsamen Interessen zusammengehalten war und im Notfall mit vereinten Kräften einem äußeren Feind entgegengetreten ist. Doch die Bibelübersetzung in gerechter Sprache sagt mir: Stopp! So war das nicht.

 

Wie war es denn? Es muss da irgendeinen Dissens gegeben haben, irgendeinen Widerspruch, von dem ich bisher nichts gewusst habe, und der mir auch nicht erklärt wird. Doch es muss da was gegeben haben. Warum sonst legen die Übersetzerinnen und Übersetzer der Bibel in gerechter Sprache Wert darauf, die Makkabäerinnen als schwierige, nicht integrierbare Minderheit zu präsentieren, über die man nichts Gutes zu sagen weiß, aber Schlechtes vermuten darf?

 

Warum wird so viel Aufhebens davon gemacht, dass man sie extra erwähnt, aber nicht begründet, warum man es tut? Die Übersetzerinnen und Übersetzer kommen mir vor wie Teenager, die sich darin gefallen zu sagen: „Ich habe ein kleines, süßes Geheimnis, aber ich verrate es nicht, Ätschi Bätschi.“

 

Wollen uns diese Übersetzerinnen und Übersetzer, die sich auf dem evangelischen Kirchentag feiern ließen, wirklich etwas über die Makkabäerinnen sagen – oder vielmehr etwas über sich? Wie heißt es doch: „Was ihr den Geist der Zeiten heißt/
Das ist im Grund der Herren eigner Geist/ 
In dem die Zeiten sich bespiegeln.“

Wer es noch nicht wusste: Die Makkabäerinnen waren die Vorkämpferinnen des Feminismus.

Korrektur: Es muss heißen: „Was ihr den Geist der Zeiten heißt/
Das ist im Grund der Herrinnen eigner Geist.“

 

Weiter geht es:

„Da ist’s dann wahrlich oft ein Jammer!

Man läuft euch bei dem ersten Blick davon.

Ein Kehrichtfass und eine Rumpelkammer,

Und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion,

Mit trefflichen, pragmatischen Maximen,

Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!

 

Verstehe: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Die gerechte Sprache kennt keinen Scherz.

 

Howgh, ich habe gesprochen.