Interview

Deutschlandradio Kultur

Gespräch mit Florian Felix Weyh (Ausschnitt)

 

Florian Felix Weyh

„Frauenlob ist der durchgehende Ton in einer von Männern gemachten Kultur – sagt der Mann.“



Bernhard Lassahn

„Ich bin selber auch ein Frauenlober, ein Liedermacher. Ich habe jedenfalls versucht, Liebeslieder zu schreiben. Das find ich ganz normal.“



Florian Felix Weyh

„So weit, so normal.“



 

Bernhard Lassahn

„Und was ich jetzt gemacht habe mit dem neuen Buch ‚Frau ohne Welt‘ … da habe ich mir gedacht: Diese ganze Problematik, die pack ich mal in ein Schubfach, in einen neben dem Schreibtisch aufgestellten Container. Da kommt das alles rein, damit ich dann, wenn ich wieder Frauenlobsachen schreibe, die Sachen woanders gelagert habe …



Die Sprachvorschriften waren für mich die Stunde Null … ich habe erst ziemlich spät erkannt, dass dahinter eine Ablehnung des Männlichen steckt. Dass es tatsächlich darum geht, den Sexismus erst mal in die Sprache einzuführen, obwohl man so tut, als würde man den Sexismus bekämpfen, und dass es hauptsächlich darum geht, das männliche grammatische Geschlecht zu bekämpfen, eigentlich aber den Mann meint …



Ich bin ein Freund des Feminismus, man glaubt es gar nicht … gewesen! Ich habe selber unterschrieben, selber demonstriert, habe selber Frauenkonzerte organisiert. … und ich bin auch entsprechend enttäuscht gewesen, weil ich dachte, da hat sich etwas entwickelt, das gar nicht so gemeint war. Das ich so nicht verstanden habe.“

Florian Felix Weyh

„Vielleicht hat er es falsch verstanden, damals, und heute erst richtig. Jedenfalls begann Bernhard Lassahn irgendwann, Tonnen feministischer Literatur zu lesen, und was er da las, gefiel ihm nicht. Bei Sprache geht es nie um bloß veränderbare Gewohnheiten, sondern stets um Identität. Und in Identitätsfragen wird jeder oktroyierte Veränderungsbefehl als brutale Aggression empfunden, die man – der Mann – mit Gegenaggression beantwortet.“



Bernhard Lassahn

„Also in dem Augenblick, wo sie mir an die Sprache gingen, gingen sie mir an die Wäsche! Ansonsten bin ich ja gar nicht unglücklich mit den Frauen. Es gibt hervorragende Einzelbeispiele, ich habe selber auch eine Tochter, und das ist auch alles ganz wunderbar!“

Florian Felix Weyh

„Bernhard Lassahn – Romancier, Liederschreiber, Kinderbuchautor und Käpt’n Blaubär-Texter ist ein äußerst angenehmer und friedlicher Geselle. Und doch trägt seine furiose Streitschrift ‚Frau ohne Welt’ den Untertitel ‚Der Krieg gegen den Mann’. Kriege sind ohne Gewalt nicht führbar, und Lassahn konstatiert, Frauen seien zwar selten offen gewalttätig, aber erfolgreich passiv-aggressiv. Bei genauem Hinsehen passt dieses psychologische Etikett möglicherweise sogar – Waffengleichheit als Erfolgsrezept! – auf Lassahns Pamphlet.“



Bernhard Lassahn

„Vielleicht ist es tatsächlich auch passiv-aggressiv, weil ich so freundlich daherkomme. Jedenfalls möchte ich freundlich daherkommen! Es geht ja auch um Liebe, und ich will jetzt nicht derjenige sein, der anklagend gegen irgendwelche Dummheiten des Feminismus angeht, das ist ja auch ein bisschen albern. Aber, aber, aber: Ich glaube doch, dass ich so versteckte Widerhaken drin habe in dem Buch, die vielleicht zunächst mal gefällig – ich wollte es jedenfalls so – gefällig daherkommen, dann aber eine Art Aggression haben. Oder sagen wir mal: Deutlichkeit!“

Florian Felix Weyh

„Etwa in der Formulierung, dass es in Deutschland die SEP gäbe, eine „Sexistische Einheitspartei“, die trenne und spalte, was doch gar nicht getrennt und gespalten gehört.“





Bernhard Lassahn

„Das ist tatsächlich eine der bösen Stellen. Aber wenn ich mir einen Wahlabend angucke, und immer wird da von Wählerinnen und Wählern gesprochen – alle Parteien sagen das! Das heißt, sie benutzen die – wie ich sie nenne – sexistische Sprechweise. Wir haben aber unseren Wahlzettel nicht auf getrennten rosa und lila Zetteln ausgefüllt, und wir sind nicht in Wahlkabinen gegangen wie auf Damen- und Herrentoiletten! Sondern jeder ist in dieselbe Wahlkabine gegangen und hatte denselben Zettel! Doch die Parteien haben alle eine Quote. Und diese Quoten führen dazu, dass es keine Bewegung in der Frage der Geschlechterpolitik gibt! Frauen haben damit eine Sperrminorität. Irgendwelche Vorschläge, die so ein bisschen nicht feminismusgerecht aussehen, kommen gar nicht erst in die Parteien hinein.“

Florian Felix Weyh

„Wer Sexismus bislang nur als Kampfvokabel gegen Männer kannte, muss bei Bernhard Lassahn umdenken. Bei ihm umfasst der Begriff eine Spielart des Rassismus und ist damit geschlechtsneutral. Frauen können genauso sexistisch sein wie Männer.“



Bernhard Lassahn

„Sexismus – wie ich es meine – heißt, dass man die Sexualität als die Nummer 1 der Erkennung und der Beschreibung von Menschen sieht, das ist das Kriterium, an dem sich die Menschen und die Welt scheiden.“

Florian Felix Weyh

„Lassahn schreibt: „Früher gab es noch protestierende Studenten. ‚Protestierende Studierende‘ müssten mit erstaunlichen Fähigkeiten ausgestattet sein.“





Bernhard Lassahn

„Möglich ist es! Sie könnten ja, während sie protestieren, ihren Laptop dabeihaben … wenn Sie auf der Straße sind, und dann auch dabei noch studieren …“


Florian Felix Weyh

„Der Unterschied zwischen Tätigkeit und Status wird bis zur Unkenntlichkeit verwischt“, analysiert Lassahn, was zur ideologisch verursachten Verdummung beitrage. Feminismus sei ein Simplifizierungsprogramm und deswegen gefährlich.“



Bernhard Lassahn

„Weil es tatsächlich wie eine ansteckende Krankheit ist. Man kann sich daran gewöhnen. Die Vereinfachung ist das Verlockende daran, die Primitivität. Das ist wie das manichäische Weltbild, wo es hell und dunkel gab, das ist schon sehr verlockend!“

Florian Felix Weyh

„Spätestens hier werden sich die Meinungen spalten. ‚Frau ohne Welt’ ist ein Buch, über das man sich richtig schön aufregen kann oder – wie Leserkommentare im Internet zeigen – über das man vor Freude in die Hände klatscht. Letzteres nicht unbedingt nur als Mann, denn „nicht die Frau ist feministisch, sondern die Situation, in der sie lebt“, paraphrasiert Lassahn ein berühmtes Minderheiten-Mantra – ganz ohne Spott.“



Bernhard Lassahn

„Ich wollte damit sagen, dass es mir tatsächlich nicht darum geht, die Frauen anzugreifen, sondern dass so was wie eine Struktur da ist – um auch mal dieses Wort zu benutzen! –, dass Rahmenbedingungen geschaffen worden sind, in denen sich Frauen so verhalten, wie sie sich nicht verhalten wollen. Nicht verhalten würden! Man spricht auch von Fehlanreizen, die da geschaffen worden sind. Und insofern ist es eine politische Frage und keine persönliche.“



Florian Felix Weyh

„Wirklich? Die Nagelprobe im Geschlechterkampf findet immer noch im Privaten statt. Was sagt denn die erwachsene Tochter zum aufrührerischen Buch des Vaters?“

Bernhard Lassahn

„Die hat erst mal nur die Ankündigung gelesen und war nicht einverstanden. Damit muss ich leben!“




 

Goettin