Interview 2

 

André Rebenow

Seit wann sind Sie am Thema Feminismus und seine Folgen und wie sind Sie dazu gekommen? 

Bernhard Lassahn

In den 70er Jahren habe ich in Wohngemeinschaften mit Frauen gelebt, die ich sehr gern mochte und die ganz selbstverständlich mehr oder weniger feministisch gesinnt waren, was mir zunächst sympathisch, wenn auch etwas unheimlich war, aber eigentlich wussten sie selber nicht, wie ihnen geschieht. Wirrnis gab es allerdings auch an anderen Stellen. Das war eben so im „Dunkel des gelebten Augenblicks“. Ich habe damals Musikveranstaltungen mit politischem Anspruch organisiert – auch welche „nur für Frauen“ und ich habe mich sogar für ein „Frauen-Taxi“ engagiert. Allerdings war mir nicht wohl dabei.

Abgeschreckt war ich durch die mindere Qualität – etwa der Frauenlieder, der Frauenbücher aber auch der Argumente, die sich dem Spott und der Kritik entzogen. Man konnte zur Frauenbewegung lediglich eine gönnerhafte oder resignierende Haltung einnehmen. Vielleicht wurde meine Gutwilligkeit auch deshalb so sehr strapaziert, weil ich besonders nah dran war. Schließlich konnte ich über die schrillen Falschheiten nicht mehr so leicht hinwegsehen, wie andere das konnten.

Das gilt besonders für das Kokettieren mit Methoden, die an den Faschismus erinnern, wie man sie etwa an der Drohung gewaltsam gegen eine Lesung, die ich veranstalten wollte, vorzugehen. Da wurde schon früh mutwillig eine rote Linie, wie man heute sagen würde, überschritten. Die Einrichtung von „männerfreien Zonen“, von „Schutzräumen“, insbesondere die Eröffnung eines Frauenbuchladens, bei dem ich aufgrund meines Geschlechtes ausgesperrt werde, erschien mit als kleiner Zivilisationsbruch, als vorsätzliches Verbrennen von Brücken zwischen den Geschlechtern und als Angriff auf das Ideal der Freiheit und dem Willen zur Kommunikation, der mit dem Wert des Buches und dem Traum vom Schreiben verbunden ist.

 

Gottweiblich

 

Auch den immer wieder versuchten Eingriff in die Sprache sah ich als übergriffige, überflüssige und böswillige Zerstörung von einem Kulturgut, das wir alle brauchen. Für mich war es ein Schlüsselerlebnis, dass bei einer Anthologie das „Autorenverzeichnis“ in „Autorinnen und Autoren“ umbenannt wurde. Das mag als Kleinigkeit erscheinen, als nicht wert, sich dagegen aufzulehnen. Aber wenn es nur eine Kleinigkeit ist, warum bestehen Frauen darauf? Sie betonen damit die Trennung der Geschlechter, auch da, wo sie nicht besteht. So wurde an vielen, vielen, vielen Stellen ein kleiner Tropfen einer zersetzenden Säure eingeträufelt. Wenn man an die Wirkung von Sprache glaubt, dann muss man auch annehmen, dass die Dauerberieselung durch Trennungs-Propaganda unser Denken beeinflusst.

Trennung ist das erste Gebot des Feminismus – nicht nur eine vorläufige, sondern eine grundsätzliche. Damit ist ein großes Nein zu jeder Form von Gemeinsamkeit in die Welt gesetzt, eine Absage an die Liebe – und an die Zukunft. So kommt auch der Eindruck zustande, dass beim Feminismus „immer alles so negativ“ ist, da gibt es nur „Nein“, kein „Ja“. Und wenn schon: Das Ja-Wort einer Frau hat keine Gültigkeit mehr. Sie kann einen einvernehmlichen Sex nachträglich als Vergewaltigung hinstellen und bei einer profitablen Scheidung so tun, als hätte sie schon Ja-Wort auf dem Standesamt die Finger hinter dem Rücken gekreuzt. So hat sich die Stimmung im Lande geändert. Das ist nun Normalität.

André Rebenow

Man findet heute oft den Gedanken, daß der Feminismus im Ursprung Positives bewirken wollte, daß der Kampf der Frauen für eine Gleichberechtigung notwendig gewesen sei. Betrachten Sie den Feminismus als ein Einzelphänomen, ein Merkmal der heutigen Zeit, in der ein ursprünglich positiver Grundgedanke „aus dem Ruder“ gelaufen ist?

Bernhard Lassahn

Nichts da. Der Feminismus ist der quietschende Ton in einem Konzert, das sowieso auf dem Spielplan stand. Da gab es nichts Notwendiges und nichts Neues. Der Feminismus hat nichts Gutes, das es nicht auch an anderer Stelle gegeben hätte. Das Eigene wiederum, das der Feminismus hat, ist nicht gut. Was sind denn die besonderen Kennzeichen? Jeder verabscheut Gewalt und Unrecht. Es ist nicht so, dass wir erst feministische Stimmen gebraucht hätten, damit uns die „Gleichberechtigung“ (die sowieso nicht das Anliegen des Feminismus ist und die es auch längst gibt) schmackhaft gemacht werden müsste.

Von feministischer Seite wurde kein „notwendiger Kampf“ für „Gleichbe-rechtigung“ geführt. Im Gegenteil. Der Feminismus zerstört mit seiner Gleichstellungspolitik die Gleichberechtigung. Vielen ist der Feminismus heute sogar peinlich: Es unanständig, sich als Kämpfer für etwas „Positives“ hinzustellen und dabei so zu tun, als wären alle anderen dagegen. Genauso unanständig ist es, sich mit fremden Leiden zu schmücken, um für sich Vorteile herauszuschlagen.

Die Übel des Feminismus, den man heute beim richtigen Namen nennt und als „Verdammungs-Feminismus“ oder „Schwarz-Weiß-Feminismus“ bezeichnet, haben eine enorme Breitenwirkung erzielt. Diese Übel waren indes schon in den Anfängen erkennbar: totale Vereinfachung („die“ Frauen, „die“ Männer), Bestrafung von Unschuldigen, Falschbeschuldigung, Unterstellung von Feindseligkeit und wesenhafter Boshaftigkeit, Korruption, Vorteilsnahme, Maßlosigkeit, Manipulation, Geschichtsfälschung, Zerstörung von Demokratie, Sprache, Kultur und Familie … 

André Rebenow

Falls dem nicht so ist: Sehen Sie den Feminismus als eine installierte Ideologie, die etwas Bestimmtes bezwecken soll? Und ist vielleicht die sog. Frauenbewegung ebenfalls installiert?

Bernhard Lassahn

Ganz recht: Es ist keine Bewegung (mehr), die von unten kommt (falls sie das jemals war), sondern von oben, top down, wir haben einen Staatsfeminismus und eine neue SED, eine Sexistische Einheitspartei Deutschlands. Die Regierungsparteien und solche, die es werden wollen, haben eine Frauenquote – das heißt: Wenn irgend etwas auch nur entfernt nach Kritik am Feminismus aussieht, hat es in der Art von Demokratie, zu der wir uns inzwischen entwickelt haben, keine Chance mehr und wird bereits im Vorfeld abgewimmelt …

Die jungen Rebellen – wenn sie etwa gegen den nicht existierenden Gender Pay Gap auf die Straße gehen – kämpfen für die Politik ihrer Muttis, die als Quotenfrauen längst abgenickt haben, was „von oben“ gekommen ist, aus Brüssel oder von der Welt-Frauen-Konferenz. 

André Rebenow

Was war der Auslöser für Ihre ‚Trilogie zur Rettung der Liebe’?

Bernhard Lassahn

… Warum schreibt einer so etwas? Hat er etwa keine Frau abgekriegt? Ist er womöglich einer dieser gefürchteten Antifeministen und Frauenhassern, von denen man neuerdings hört? Zitiert er womöglich Schopenhauer? Will er sich als Opfer stilisieren? Ist er einer der „unterhaltsgebeutelten Dauerjammerer“, denen man am liebsten zurufen möchte: „Heul doch!“? Ist er womöglich betroffen, geschädigt und verbittert?

Also: Betroffen bin ich von dem Unrecht der Scheidungsgesetze, da habe ich so viel verloren, dass ich heute bescheiden lebe. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber die Gegenseite wollte mich komplett ruinieren. Zu meiner Tochter gab es eine unvermeidliche „Entfremdung light“, sie konnte mir glücklicherweise nicht noch stärker entfremdet werden, hat aber nun das Problem, dass ihr Vater und ihre Mutter nicht mehr miteinander reden – ein Schicksal, das ich keinem Kind wünsche. Sie erträgt es tapfer (glaube ich zumindest). Ich bin also mit Schnittwunden davon gekommen. Deshalb kann ich überhaupt noch etwas dazu sagen. Andere, die es härter getroffen hat, sind am Ende und sagen nichts mehr …

André Rebenow

Der erste Teil von ‚Frau ohne Welt’ stellt sich wie eine große Zusammenfassung auf kleinem Raum dar. Man könnte aus jedem von Ihnen dort angesprochenen Fakt eine umfangreiche Untersuchung machen. Wie lange haben Sie für dieses Buch recherchiert und wo sind Sie fündig geworden?

Bernhard Lassahn

Streng genommen habe ich in seit den 70er Jahren angefangen und habe mir Notizen gemacht. Allerdings habe ich das Thema immer wieder aus den Augen verloren. Außerdem ist es schwer, da eine Ordnung hineinzubringen. Wenn ich es versuche, habe ich manchmal das Bild von einer Bienenwabe vor Augen, bei der man von einer Zelle aus in sechs verschiedene Richtungen gehen könnte – so vielfältig ist das Thema.

Vieles hat sich aus der Kritik an feministischer Literatur ergeben. Ich habe mir Neuerscheinungen, aber auch Klassiker vorgenommen wie etwa die Bücher von Hedwig Dohm und war erschrocken, wie flach und feindselig die sind. Manche der feministischen Schriften sind nur schwer zu ertragen, weil so viel Falsches auf engem Raum zusammengeschmolzen ist, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll zu widersprechen …

André Rebenow

Feminismus, Genderismus, political correctness durchzieht alle Lebensbereiche. Wenn man die darin enthaltenen Denk- und Verhaltensvorgaben brav beachtet, landet man als identitätsloses, bindungsunfähiges Individuum in einer grauen Masse von lauter identitätslosen, bindungsunfähigen (und damit Lieb-losen) Individuen. Was kann man Ihrer Meinung nach tun, um sich seine Identität zu bewahren? Welchen Weg kann man als Einzelner gehen, um die Liebe zu retten?

Bernhard Lassahn

Da bin ich reingefallen. Ich dachte Frauenthemen sind sowieso nichts für mich, das sollen Frauen getrost alleine entscheiden. Eine Abtreibung hätte ich für ein eigenes Kind nicht machen wollen, aber wie das Thema allgemein behandelt werden sollte – nun, da wollte ich mich nicht streiten.

Vergewaltigungen, das zweite große Thema des Feminismus, kamen mir immer abwegig vor. Ich würde nie eine Frau vergewaltigen, ich konnte und kann mir sowieso nicht vorstellen, wie man das machen kann, wenn man sich dazu gegen den Widerstand einer Frau, die man lieben will, durchsetzten muss. Also: Auch hier dachte ich: Das ist nicht mein Thema.

Doch dann kam es dazu, dass sich die feministische Sicht, bei der Frauen und Männer als unversöhnlich betrachtet werden und sich nicht etwa zu einem Miteinander, sondern zu einem Gegeneinander aufstellen, auf ALLE Lebensbereiche ausdehnte, was sich am deutlichsten an der Sprache zeigt.

Die Trennung von Frauen und Männern bringt die (falsche) Verallgemeinerung mit sich, dass alle Frauen gleich und auch alle Männer gleich sind. Jedenfalls werden sie durch die Gesetze so behandelt, auch wenn sie es im richtigen Leben nicht sind. Damit versinkt die Individualität in der Masse. Liebe ist aber etwas Individuelles.

Wenn man die Liebe retten will (das klingt jetzt pathetisch und ich will im dritten Buch versuchen, das genauer zu erklären), muss man das für sich persönlich entscheiden, sich gegen den Strom stellen und den Grabenkrieg der Geschlechter überwinden. Wir brauchen so etwas wie einen New Deal der Geschlechter.